Meister Kodo Sawaki
Im Zen werden für die Befreiung
aus dem Leiden besondere Schwerpunkte auf das Handeln und die Meditation,
Zazen, gelegt. Nicht alle Linien des Buddhismus betonen das achtvolle und
ethische Handeln gleichermaßen wie der japanische Zen. Dies mag daran liegen,
dass sich der Buddhismus in der späteren monastischen Abgeschiedenheit und an den
buddhistischen Universitäten theoretisch und intellektuell zwar hoch
weiterentwickelte aber das praktische Handeln den Laien überlassen wurde. Buddhismus
ist ganzheitlich und nicht nur die Kultivierung des Geistes. Das bestätigt
besonders der große indische Meister Vasubandhu. Im Augenblick zu handeln,
ermöglicht jedoch die unmittelbare Erfahrung der Wirklichkeit im Jetzt ohne
hemmende oder verzerrende Doktrinen, ohne Blockaden durch Angst und ohne unrealistische
Blütenträume für die Zukunft. Handeln und Zazen sind ist ein sehr wirksames
Mittel, um das Leiden zu vermindern und zur Ruhe kommen zu lassen und das
eigene Leben heilsam zu gestalten. Besonders bewährt beim Achtfachen Pfad zur
Überwindung des Leidens hat sich die Zazen-Praxis.
Handeln auf dem
Achtfachen Pfad – unser wahres Handeln im Gleichgewicht
Dieses Kapitel des Shōbōgenzō
(Gyōbutsu-yuigi) enthält die wichtigsten Ausführungen Dōgens über das Handeln.[i] Damit
ist es von zentraler Bedeutung für den Buddhismus überhaupt, den man auch die Religion des Handelns nennen kann, denn
der Achtfache Pfad zur Überwindung des Leidens wird vor allem durch Handeln,
Ausdauer, Achtsamkeit und Meditation gegangen. Das Leiden zu überwinden
bedeutet auch, das Leiden zu verlernen und neue Wege der Befreiung und
Emanzipation zu entdecken. Nishijima und Cross bringen es auf den Punkt: „Es
war Gautama Buddhas historische Aufgabe, die Wahrheit vom Handeln zu finden.
Dadurch konnte er die idealistische Religion des Hinduismus und die
materialistischen Theorien der sechs Nicht-Buddhisten integrieren und auf eine
neue Stufe heben.“[ii]
Handeln ist das Leben selbst, also die Wirklichkeit und
Wahrheit. Ohne Handeln gibt es keine Wirklichkeit und
kein menschliches Leben, und man kann dem Leiden nicht entkommen. Sowohl
das Denken als auch die Wahrnehmung sind mehr oder minder fehlerbehaftet und nur ein Teil oder Schatten der Wirklichkeit. Denken
und Reden können sich von der Wirklichkeit völlig ablösen, und auch die
sinnliche Wahrnehmung ist voller Täuschungen und Ungenauigkeiten. Das gilt auch
und gerade für die Phänomenologie des Leidens. Nicht umsonst wird in den
Naturwissenschaften eine ausgefeilte Methodik verwendet, um die Beobachtungen
der empirischen Wirklichkeit gegenüber Fehlern und Ungenauigkeiten soweit wie
möglich abzusichern. Denken und Wahrnehmung stellen immer nur Teildimensionen
der Wirklichkeit dar.
Die heilende Bambusnadel des Zazen, richtig gesetzt
Bereits im alten China wurde die Akupunktur zu
medizinischen Zwecken eingesetzt. Man verwendete dafür spitze Bambusnadeln.[iii] Der japansche Begriff für
„Nadel“ lautet shin. Im übertragenen
Sinn ist damit auch die Heilung von Körper-und-Geist gemeint, und nicht zuletzt
bezeichnet shin eine Praxis, die den
Menschen von physischen, psychischen und mentalen Leiden und Unwohlsein befreit
– im Zen-Buddhismus also die Meditationspraxis des Zazen.
Außerdem verwendet man das Wort shin für kurze, markante Sätze und vor allem für Verse der
buddhistischen Lehre, die in der Lage sind, den Menschen direkt zu helfen und einen Wandel
zum Besseren herbeizuführen.
Dōgen zitiert und kommentiert im Kapitel Zazenshin ein berühmtes Kōan-Gespräch,
das im Folgenden geschildert wird.
Ein Kōan-Gespräch
mit Meister Yakusan Igen
Der große Meister Yakusan
Igen (745–828) saß im Zazen, als
ein Mönch ihn fragte: „Was denken Sie im
stillen, stillen Zustand?“
Die Bedeutung des von Dōgen hier für den Zustand des
Zazen benutzten japanischen Wortes Gotsu-gotsu-chi[iv] lässt sich am ehesten durch den
Ausdruck „bewegungslos auf einem hohen Niveau“ wiedergeben. Der japanische
Begriff bezeichnet ursprünglich einen majestätischen Tafelberg, der oben
abgeflacht ist. Damit wird der Zustand des Gleichgewichts in der Zazen-Praxis
beschrieben und gleichzeitig deren starke Kraft und ruhige Ausstrahlung
gekennzeichnet.
Yakusan Igen antwortete dem Mönch mit einer der
berühmtesten Aussagen des Zen-Buddhismus: „Den
konkreten Zustand des Nicht-Denkens denken.“
Der Meister benutzt in seiner Antwort ebenfalls den
Begriff „denken“, aber er setzt ihn mit dem Zustand seines „Nicht-Denkens“
gleich. Das klingt zunächst paradox. Im Klartext heißt dies meines Erachtens:
Der Mönch glaubt, dass der Meister etwas im erleuchteten Zustand denkt, während
der Meister sagt, dass er nicht wie üblich denkt. Da der Mönch diese Antwort
nicht verstand, fragte er weiter: „Wie kann der Zustand des Nicht-Denkens
gedacht werden?“ Der Meister erwiderte darauf kurz und bündig: „Es ist Nicht-Denken.“
Das ist eine klare und eindeutige Antwort: Er denkt nicht
im Zazen! Der Meister will damit das idealistische Denken des Mönchs ausschließen,
das sich oft in wunderbaren Zuständen verliert und von dem realistischen, ganz
konkreten Zustand des Hier und Jetzt wegführt, der so gar nicht vollkommen ist.
Und er sagt damit, dass unser Leiden
häufig durch Doktrinen und emotionalisiertes Denken erzeugt wird. Bei dem
Begriff „stillen, stillen Zustand“ besteht bei dem Mönch die Gefahr, sich
romantisierenden Vorstellungen hinzugeben und von einer ganz und gar heilen
Welt im Zustand des Zazen zu träumen, der diese „böse, unvollkommene Welt“
überwunden hat. Er ist nicht im Augenblick, in dem „es ist, wie es ist“, ohne
etwas durch verengte oder verengende Doktrinen und Konzepte wegzulassen oder
hinzuzufügen.
An dieser Stelle verweisen Nishijima und Cross[v] auf ein Kōan, das in Dōgens
Kōan-Sammlung Shinji Shōbōgenzō[vi] enthalten ist und von Nishijima kommentiert wurde. Der Inhalt ist identisch
mit dem obigen Kōan. Nishijima Roshi erläutert hierzu, dass der Mönch seine
Frage an den Meister aufgrund seiner eigenen idealistischen Vorstellung
formuliert. Dieser erwidert, dass er das Nicht-Denken denkt und will damit
ausdrücken, dass er nicht ideologisch zielgerichtet oder absichtsvoll zum
Beispiel über eine spirituelle Frage nachdenkt. Seine Antwort ist natürlich
auch ein gewisser Widerspruch in sich, denn entweder man denkt, oder man denkt
nicht, beides ist nicht im selben Augenblick möglich und führt zu großen
Verwirrungen, die unseren Geist spalten. Der Meister sagt, dass sich dieser
Zustand vom Denken grundsätzlich unterscheidet, weil er einfaches Handeln ist, ohne
ein uns bedrängendes ideelles, materielles und Angst erzeugendes Problem lösen
zu wollen. Das Wortpaar Denken und Nicht-Denken ist sogar ungeeignet, um die
Zazen-Praxis zu beschreiben; weder das eine Wort noch das andere kann das
Handeln im Zazen wirklich erfassen. Das Wesentliche des Zazen ist einfach zu
sitzen – Shikantaza. Es ist kein wunderbares, mysteriöses Denken aus einer
angeblichen ganz neuen Tiefendimension des Bewusstseins, aus einem Ur-Wesen
oder Ur-Zustand, wie manche Zen-Buddhisten fälschlich vermuten und
bedeutungsvoll verkünden. All das führt früher oder später in die Sackgasse und
ins Leiden. Diese Meditation führt auch nicht zur Allwissenheit, weil diese dem
Menschen überhaupt nicht zugänglich ist.
Nishijima Roshi fügt hinzu, dass beim Zazen realistisch
betrachtet durchaus irgendwelche ungesteuerten Gedanken im Bewusstsein
auftauchen können, die jedoch wieder von alleine verschwinden, wenn wir uns
nicht auf sie fixieren. Es sollen aber keinesfalls absichtsvolle,
unterscheidende Gedankenoperationen durchgeführt werden, die mit ungesteuerten
Affekten verbunden sind. Besonders emotionale Extreme müssen vermieden werden,
da sie sehr schnell zum Leiden führen. Vor allem sollen die Gedanken oder
Gefühle nicht vom starken Willen
angetrieben werden. Die möglichen Gedanken im Zazen kommen, ziehen durch
das Bewusstsein und lösen sich wie Wolken am Himmel wieder auf. Sie
hinterlassen in der Psyche keine eingegrabenen Spuren. Zazen ist nichts als
Sitzen, die Meditation der Leerheit und niemals denkerische Arbeit, es ist
jenseits vom Denken. Zazen ist gegenstandslose Meditation. Je länger und
natürlicher man im Zazen sitzt, desto leichter verschwinden die aufsteigenden
Gedanken.
Im Kern heißt dies, dass durch die Zazen-Praxis
verhindert wird, dass wir in unsinnige Ideenwelten oder unrealistische
Illusionen abgleiten und uns von der Wirklichkeit mehr und mehr entfernen.
Dabei geht es vor allem darum, die drei Gifte Gier, Hass und Verblendung zu
vermeiden, denn sie bedeuten immer Leiden. Aber auch die Zazen-Praxis selbst
darf nicht romantisch verklärt und idealisiert werden, wie es dem Mönch
passiert, wenn er vom „stillen, stillen Zustand“ spricht. Wir können sicher
davon ausgehen, dass seine eigenständigen, praktischen Erfahrungen des Zazen
nicht weit gediehen und noch durch Denken verzerrt sind. Er sitzt noch nicht in
der Wirklichkeit selbst, er ist beim Sitzen noch in der Denk-Welt von Doktrinen
verhaftet.
Ich möchte hinzufügen, dass idealistische Doktrinen sich
außerdem allzu leicht in Ideologien verkehren und dadurch große Gefahren für
die Menschen heraufbeschwören. Gerade durch die konkrete Zazen-Praxis als
einfaches Handeln lösen sich derartige Gedankennester, Emotionen, unheilsame
Doktrinen und moralische Scheinwelten auf, und wir bekommen einen direkten
Zugang zur Wirklichkeit und erhalten auf diese Weise mithilfe der Zazen-Praxis
einfache Lösungen unserer Lebensprobleme. Dōgen betont:
„Wir sollten in der Praxis das
wahrhaft stille Sitzen lernen, und wir sollten die authentische Übertragung des
wahrhaft stillen Sitzens empfangen.“
Das heißt, dass es nicht möglich ist, nur durch
Überlegungen und Theorien den Fesseln und Blockaden unseres Lebens und dem
Leiden zu entkommen. Nach Dōgens eigener tiefer Erfahrung ist der Buddhismus
ohne die Zazen-Praxis überhaupt nicht zu erlernen und tatsächlich zu leben. Das
Sitzen im Zazen sollen wir deshalb genauer untersuchen und selbst einüben:
„Dies ist die Untersuchung des bergstillen Sitzens, das im Buddhismus
(authentisch) übertragen wurde.“
Die vertiefte Untersuchung des Zazen ist also beim Sitzen
als einfaches direktes Handeln ohne Doktrinen selbst zu leisten. Unser
bewusster Verstand kann nur einen kleinen Teil dazu beitragen. Es geht um das
Lernen in einer bewährten Übertragungslinie, in der die Erfahrung der alten
Meister unmittelbar wirksam ist, ohne in Doktrinen und Ideologien zu verfallen.
Es macht keinen Sinn, nur über die Zazen-Praxis nachzudenken und sich in sie
noch so achtsam einzufühlen oder klug über sie zu reden. Man muss Zazen
praktisch ausführen, denn nur so entstehen die positiven Wirkungen, die sich im
Lauf der Übungspraxis immer weiter verfeinern, vertiefen und verstärken. Das
kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
Die Antwort von Meister Yakusan Igen – „Den konkreten
Zustand des Nicht-Denkens denken“ – verweist also nicht auf das
unterscheidende, dualistische Denken in der herkömmlichen Form, das auf das
denkende Gehirn beschränkt ist, sondern auf eine Vernunft und Klarheit, die
unauflösbar mit der Zazen-Praxis selbst verbunden ist. Ich bezeichne es gern
als mitlaufendes Bewusstsein, das gewissermaßen im Hintergrund bleibt und zum
Beispiel auch beim Sport oder beim Spielen der Shakuhachi-Flöte vorhanden ist.
Es handelt sich dabei um einen ganzheitlichen Körper-und-Geist-Zustand, den Dōgen
als „bergstill“ bezeichnet. Mit diesem Bild soll die beeindruckende und
ausgeglichene Situation eines Menschen beschrieben werden, der zur Ruhe
gekommen ist und einem in sich ruhenden Tafelberg gleicht. Dies ist aber kein
statischer, starrer Zustand, der keinerlei Veränderungen und Bewegungen kennt,
denn in dem berühmten Kapitel „Das Sūtra der Berge und Wasser“[vii] erläutert Dōgen, dass auch die
Berge sich dauernd bewegen. Durch eine solche Meditation werden gerade Prozesse
der Veränderung und Emanzipation nachhaltig gefördert, während sich Angst und
Leiden fortlaufend vermindern.
Durch die Zazen-Praxis öffnet sich der bisher nur
isoliert denkende Geist zum intuitiven ganzheitlichen Wissen und Handeln. Dōgen
sagt gerade nicht, dass Zazen ohne Bewusstsein und ohne Geist praktiziert wird
– ein Irrtum, dem leider sogar einige Zen-Gruppen unterliegen. Auch Nishijima
Roshi hat eine klare Meinung zu diesem Punkt: „Wir sind nur dann ohne
Bewusstsein, wenn wir ohnmächtig oder tot sind“, so seine klaren Worte in einem
persönlichen Gespräch mit mir im Jahr 2006. Er bezeichnet die Zazen-Praxis als
reines und wahres Handeln im Gleichgewicht, im Augenblick und vor allem in der
Wirklichkeit, ohne Mythos und Ideologie.
Denken im Zustand
des Nicht-dualen-Denkens
Im Folgenden erläutert Dōgen selbst die Aussage von
Meister Yakusan Igen[viii] „Den konkreten Zustand des
Nicht-Denkens denken“.
Laut Dōgen geht es bei dieser Art des geistigen Handelns
gerade nicht um den isolierten Verstand, sondern um die Einheit mit „Haut,
Fleisch, Knochen und Mark“. Diese Aussagen zum Körper hängen unauflösbar mit
dem ganzheitlichen „Denken des Nicht-Denkens“ zusammen und beschreiben die
Dharma-Übertragung Bodhidharmas an seine vier Schüler am Anfang der Entwicklung
des Zen-Buddhismus in China. Der klare intuitive Geist auf der Basis des
Nicht-Denkens ist für Dōgen von zentraler Bedeutung bei der Zazen-Praxis.
Der scheinbare Widerspruch in Yakusan Igens Antwort lässt
sich auf der nur logischen und verbalen Verstandesebene jedoch kaum erklären
und auflösen. Ich vermute, dass er absichtlich einen scheinbaren Gegensatz
formuliert, damit wir die Grenzen des unterscheidenden Denkens selbst erleben.
Ein solcher pädagogischer Ansatz wird bei den Kōans im Zen-Buddhismus häufig
angewendet. Es geht um ein umfassendes Tun von Körper-und-Geist bei der
Zazen-Praxis, das genau im Augenblick stattfindet. Aus diesem Grund ist der
isolierende Verstand nicht in der Lage, den Zustand vollständig und umfassend
zu denken. Nishijima Roshi erläutert dazu, dass der Augenblick zu kurz für das
verstandesmäßige Analysieren des Zustandes ist und dass genau im Augenblick die
Einheit des Menschen mit der Wirklichkeit stattfindet. Im Kapitel über die
Sein-Zeit hat Dōgen diese unauflösbare Verbindung von Wirklichkeit und
Augenblick tiefgründig und ausführlich dargelegt.[ix] Er bedauert, dass so viele
Menschen den Kern der Zazen-Praxis nicht verstehen:
„Und warum verstehen (die
Menschen) den still-stillen Zustand, der jenseits (von Denken und Nicht-Denken)
ist, nicht.“[x]
Dōgen wertet die oben zitierte Frage des Mönchs, wie es
denn möglich sei, den Zustand des Nicht-Denkens zu denken, als wichtigen
Indikator dafür, dass der Buddhismus in jener Zeit in China auf sehr hohem Niveau
war. Gleichzeitig deutet er an, dass in seiner eigenen Zeit eine solche
tiefgründige Frage überhaupt nicht gestellt werden könnte, weil der Buddhismus
schon im Niedergang war. Dann erläutert er, dass wir das Nicht-Denken
praktizieren, wenn wir im Zazen sitzen. Ein solcher Zustand, in dem wir frei
von störenden und beunruhigenden Gedanken, Emotionen und vordergründigen
Absichten sind, stellt sich automatisch ein, wenn wir die richtige Sitzhaltung
des Zazen eingenommen haben und zur Ruhe und zum Gleichgewicht gekommen sind.
Dies sollte jedoch nicht mit großer Willenskraft und Gewalt herbeigeführt
werden, sondern sich natürlich
ereignen, was tatsächlich möglich ist.[xi] Andernfalls wird gerade
verhindert, dass wir die Zazen-Praxis als „Tor zum Frieden und zur Freude des
Buddha-Dharma“ und damit zur Überwindung des Leidens erleben und erfahren
können.
„Im Nicht-Denken gibt es
jemanden, und (dieser) jemand bewahrt mich und beruht auf mir. Der still-stille
Zustand ist nicht nur (intuitives) Denken, obgleich er das Selbst ist: Er hält
den Kopf des still-stillen Zustandes empor.“
Hiermit beschreibt Dōgen aus eigener tiefer Erfahrung und
sicher im Grenzbereich dessen, was überhaupt mit Worten gesagt werden kann, den
Zustand in der Zazen-Praxis: Im nicht-dualistischen „Denken“ ist etwas, das
mich als Menschen wesentlich ausmacht, mich bewahrt und das gleichzeitig auf
mir selbst beruht. Ich bezweifle übrigens, ob der einseitige Geist überhaupt
den Dualismus wirklich überwinden kann. Diese Überwindung ist aber von zentraler
Bedeutung für die Befreiung und Emanzipation des Menschen. Nicht umsonst ist
die Meditation und insbesondere die vierte Vertiefung der Leerheitsmeditation
des Zazen notwendiges Glied des Achtfachen Pfades. Obgleich der still-stille
Zustand nach Dōgen das umfassende Selbst ist, ist er gerade nicht auf das
Denken beschränkt. Dieser Zustand im Gleichgewicht „hält den Kopf hoch“. Mit
dieser Formulierung sollen meines Erachtens der körperliche Zustand der
aufrechten Kopfhaltung bei der Zazen-Praxis und der Zustand jenseits des
begrenzten unterscheidenden Denkens miteinander verbunden werden. Dieser
Zustand des Gleichgewichts, den Dōgen still-still nennt, ist unser wahres
Leben.
Aber wie kann dieser Zustand des Gleichgewichts sich
selbst denken? Das klingt recht kompliziert. Ich verstehe es so, dass es ein wahres, natürliches, fast mysteriöses, aber
doch klares Selbst im Menschen gibt, auf das wir vertrauen und das die
Grundlage unseres Lebens und Handelns ist. Aber es ist nicht der isolierte
unveränderliche ātman der vorbuddhistischen Zeit. Ein solches Selbst kann auch
als Buddha-Natur bezeichnet werden, die gerade keine dinghafte Entität ist,
sondern Handeln, Bewegung und Prozess: die Ganzheit von Ruhe und Bewegung. Es
ist für mich das wunderbare Es, das uns jäh begegnet.[xii] Es verwirklicht sich
erfahrungsgemäß besonders klar und auf wunderbare Weise in der Zazen-Praxis, in
der wir das verstandesmäßige Denken mit seinen endlosen Gedankenketten
verlassen und die Vorstellung und sogar den Willen zum Nicht-Denken überschreiten.[xiii] Dann macht das Leiden eine
Pause. Weil dieser still-stille Zustand in unfassbarer Weise im Augenblick da
ist, handelt es sich um unsere eigene Wirklichkeit, in Klarheit und Ganzeit.
Diesen still-stillen Zustand des Gleichgewichts kann man sicher als göttlich bezeichnen, denn er ist sowohl
unser wahres Leben als auch die Ganzheit mit dem Universum, mit anderen
Lebewesen und dem Göttlichen.
Dōgen beantwortet dann seine eigene Frage, wie der
still-stille Zustand denken kann:
„Der still-stille Zustand ist
jenseits der intellektuellen Kapazität von Buddha, jenseits der intellektuellen
Kapazität des Dharma, jenseits der intellektuellen Kapazität des Zustandes der
Verwirklichung und jenseits der intellektuellen Kapazität, sich selbst zu
verstehen.“
Hier grenzt er den Zustand des Zazen sogar vom
intellektuellen Denken Buddhas, des Dharma, also der Lehre der Wahrheit und
Wirklichkeit, und auch vom denkenden Zustand der Verwirklichung des Erwachens
oder der Erleuchtung ab. Das heißt nichts anderes, als dass das dualistische Denken ungeeignet ist, um
die volle Wirklichkeit Buddhas, seiner Lehre des Erwachens und unseres wahren
Lebens zu erfassen.
Wir müssen uns allerdings davor hüten, den Zen-Buddhismus
als anti-intellektuell einzustufen und zu meinen, dass die Vernunft beim
Zen-Weg abgeschafft werden müsste und wir dadurch das Leiden überwinden
könnten. Das Gegenteil ist richtig. Denn allein die 95 Kapitel des Shōbōgenzō verlangen von uns nicht
unerhebliche geistige Anstrengungen. Wir müssen daher unsere verstandesmäßigen
Möglichkeiten trainieren und so weit wie möglich ausschöpfen, um uns die von
Dōgen beschriebene Lehre des Zen-Buddhismus erarbeiten zu können.
Im Kapitel „Das Sūtra der wirklichen Berge und Wasser“[xiv] distanziert sich Dōgen mit
ungewöhnlich scharfen Worten von buddhistischen Gruppierungen, die den Zen
generell für unlogisch erklären und behaupten, er sei mit der Vernunft in der
Welt nicht zu vereinbaren. Das ist gerade nicht der Befreiungsweg Buddhas. Es
handelt sich dabei aber um eine intuitive Vernunft und nicht um eine auf den
unterscheidenden Verstand begrenzte intellektuelle Fähigkeit, die sich vom
Körper, von den Gefühlen, der Psyche, der Ethik und vor allem von der Intuition
entfernt hat. Eine solche Isolation des Geistes ist in der westlichen
Philosophie, die auf den griechischen Philosophen aufbaut, durchaus üblich. Im
Buddhismus kennen wir diese Abgrenzung und Einseitigkeit des Denkens jedoch
nicht und halten es sogar für gefährlich, wenn die Einheit von Körper-und-Geist
verloren geht. Nicht zuletzt dadurch ist die buddhistische Lehre so
realitätsnah und nützlich für unser praktisches Leben.
Das natürliche
Verschwinden der Gedanken und Gefühle
Dōgen kritisiert diejenigen buddhistischen Gruppen, die
beim Zazen mit Anstrengung und Willenskraft ihren Geist massiv unter Druck
setzen wollen, um den so sehr erstrebten Frieden zu erlangen. Er nennt diese
Menschen töricht und unzuverlässig und benutzt für sie einen chinesischen
Begriff, der im alten China für Autoren verwendet wurde, welche die Regeln der
dichterischen Literatur verletzten. Wir würden sie heute wohl als „Pfuscher“
oder „Dilettanten“ bezeichnen. Als Beispiel für ihre falschen Ansichten zitiert
Dōgen die folgende Aussage: „(Allein) in der Anstrengung des Zazen ist alles (vollständig enthalten), um den Frieden des Geistes zu erlangen. Genau dies ist der Zustand der Ruhe.“
Nur die Anstrengung wird hier also als das zentrale
Moment verstanden und nicht der befreite Zustand und das erfüllte Handeln
selbst. Das würde bedeuten, dass schon die willensmäßige Anstrengung ausreicht,
um den Geist zu beruhigen und das Leiden in unserem Leben zu beenden. Aber
Dōgen macht deutlich, dass dadurch ganz im Gegenteil das wahre Gleichgewicht
und der Frieden verhindert statt ermöglicht werden. Vor allem gibt es dabei
keine Entwicklung und Emanzipation des Menschen. Eine solche Willensanstrengung
ist idealistische Doktrin und verfehlt daher das Ziel eines natürlichen Zustandes
bei der Zazen-Praxis. Der Praktizierende hat dabei eine vorgefasste, mentale
Absicht und setzt seine Kraft und seinen Willen ein, um alle Gedanken und die
Vernunft mit Gewalt in seinem Geist zu töten – ein sehr unnatürlicher Zustand.
Die Verminderung und Auflösung des Leidens kann damit nicht gelingen. Der
Begriff „absichtslos“, der im Buddhismus verwendet wird, bedeutet dagegen, dass
wir ohne Doktrinen handeln und ohne Einengungen denken. Die mentale Absicht
kann unmöglich einen dauerhaften Zustand des Gleichgewichts von Körper und
Geist erreichen. Der so erzielte Zustand des Friedens bleibt labil und an der
Oberfläche, ist zeitlich begrenzt und verkrampft durch die Anstrengung. Meist
schlägt er sogar in das Gegenteil um oder erzeugt spirituelle Arroganz und
narzisstische Überheblichkeit.
Wir sollten die Gedanken und Gefühle beim Zazen zunächst
einfach kommen und gehen lassen, weil sie bei richtiger Sitzhaltung und
entspanntem Geist ohnehin schon bald an Energie verlieren. Sie beunruhigen uns
dann nicht mehr, regen uns nicht auf und verschwinden schließlich ganz von
selbst. Dōgen bezeichnet diesen Zustand auch als Shikantaza, was wörtlich übersetzt „nichts als Sitzen“ heißt. Schon
diese Bezeichnung macht klar, dass es nicht um Willensanstrengungen,
Beeinflussung oder Manipulation des Geistes oder des Denkens geht. Wir brauchen
zwar Kraft, um regelmäßig jeden Tag Zazen zu praktizieren, aber wir müssen dann
beim Sitzen keine übermäßige Willensenergie einsetzen, um den von Gedanken und
Emotionen freien Zustand herbeizuführen. Es geht auch nicht um erlerntes
unselbstständiges Wissen.
Zweifellos gibt es im Buddhismus sinnvolle
Meditationspraktiken, die darauf abzielen, bestimmte heilsame Vorstellungen,
Gedankengänge und Erkenntnisbereiche zu erarbeiten. Sie werden zum Beispiel im
Sūtra über die Achtsamkeit[xv] von Gautama Buddha selbst
beschrieben. Aber sie sind nicht identisch mit der Zazen-Praxis des Shikantaza!
Dōgen wendet sich dann gegen einen weiteren fundamentalen
Irrtum im Zusammenhang mit der Zazen-Praxis und führt wieder ein entsprechendes
Zitat an: „Im Zazen zu sitzen, ist (zwar) die zentrale Praxis für Anfänger und fortgeschrittene Lernende, um nach der Wahrheit zu
streben. Aber es ist nicht notwendigerweise das Handeln der buddhistischen
Meister und Vorfahren im Dharma. Für sie ist (schon) das Gehen Zen und das
Sitzen auch Zen(-Praxis). Beim Reden und Schweigen, in Bewegung und Ruhe fühlt
sich der Körper wohl. Bringe (die großen Meister) nicht ausschließlich mit
dieser Anstrengung (des Zazen) in Verbindung.“[xvi]
Demnach wäre die Zazen-Praxis nur für Lernende, Anfänger
oder vielleicht für einige Fortgeschrittene wichtig, nicht aber für erleuchtete
Meister und die großen Vorfahren im Dharma, da sie permanent im höchsten
Zustand des Gleichgewichts, also der Erleuchtung, leben würden. Ich kenne
selbst einige sogenannte Meister, die behaupten, dass sie nicht mehr meditieren
und Zazen praktizieren müssten, da sie bereits erleuchtet seien. Dōgen
kritisiert eine solch dreiste Behauptung scharf und betont, dass gerade die
Meister täglich Zazen praktizieren müssen. Nishijima Roshi vertritt ebenfalls
diese Ansicht und hält Lehrer oder Meister, die nicht mehr praktizieren, für
unzuverlässig und selbstgefällig. Ich kann mich dem nur anschließen. Er
praktizierte jeden Morgen 45 und jeden Abend 30 Minuten.
Was ist ein Anfänger-Geist? Und was ist ein erfahrener
Geist? Der Anfänger-Geist ist vielleicht viel offener für die große Wahrheit
und lebendige Befreiung als der Geist des erfahrenen und oft selbstgerechten
Experten. Die Zazen-Praxis ist laut Nishijima Roshi auch für Einsteiger die
erste Erleuchtung.[xvii] Dōgen verdeutlicht dies so:
„Der (entscheidende) Punkt ist
in manifester Form, dass der handelnde Buddha, der nicht erwartet ein Buddha zu
werden, (wirklich) gegenwärtig ist. Weil der handelnde Buddha vollständig
jenseits vom (erdachten) Buddha-Werden ist,
wird das Universum verwirklicht.“ (...) „Der Körper-Buddha ist vollständig
jenseits vom (erdachten) Buddha-Werden. (Aber)
wenn die Netze und Käfige (der Täuschungen) zerrissen sind, hindert der sitzende Buddha überhaupt nicht den werdenden Buddha.“
Mit diesen scheinbar gegensätzlichen Aussagen
unterstreicht Dōgen in seiner typischen Ausdrucksweise, dass es nicht auf das
bewusste Ziel ankommt, ein erträumter
Buddha zu werden und dafür gewaltige bewusste Anstrengungen aufzuwenden,
sondern dass die Zazen-Praxis im Sitzen selbst das entscheidende Handeln ist,
das wir Buddha nennen können. Und das bedeutet, den Achtfachen Pfad zu
beschreiten. Dōgen betont dabei das Handeln und den Körper Buddhas in
besonderer Weise und macht damit deutlich, dass es sich gerade nicht um einen
idealistischen, „geistigen“ Buddha handelt, der durch Erwartungen und Doktrinen
verzerrt und verstümmelt ist.
Von zentraler Bedeutung ist bei dieser Lehre des Zazen,
dass sich der Zustand des Gleichgewichts und Erwachens von selbst einstellt, wenn wir richtig
Zazen praktizieren. Bei jeder mentalen Idee, Anstrengung und Doktrin, ein
Buddha zu werden und die Erleuchtung zu erzielen, wird jedoch gerade diese
einfache Naturhaftigkeit verhindert, und es entsteht kein Gleichgewicht von
Körper-und-Geist.
Wenn im alten China von Netzen und Käfigen die Rede war,
meinte man damit einen in seinen Ideologien, Vorstellungen, Depressionen,
Täuschungen und Doktrinen gefangenen Geist und Körper. Emotionale Blockaden,
Verdrängungen, Abwehrmechanismen und Bewertungen machen den Menschen unfrei und
schränken seine Handlungsfähigkeit ein. In diesem Zustand ist es fast
unmöglich, das Wesentliche zu tun oder auch nur zu erkennen. Das Wesentliche
ereignet sich beim Zazen:
„Genau in diesem Augenblick ist
die Kraft ursprünglich anwesend, um durch Tausende von Zeitaltern und
Zehntausende von Zeitaltern (in den Zustand des) Buddhas einzugehen oder
(umgekehrt (!) der) Dämonen einzugehen.“
Was meint Dōgen mit diesem radikalen, kompromisslosen
Satz? Er spricht die Kraft der Befreiung und Emanzipation an. Den Augenblick
der Praxis beim Zazen hebt er im zweiten Teil dieser Aussage besonders hervor.
Genau im Augenblick erscheint die ursprüngliche Kraft und Energie der
Zazen-Praxis. Wenn ein solches Handeln gelingt, gehen wir in den Buddha-Zustand
des Gleichgewichts ein. Das ist die Buddha-Natur. Wenn das ethische Handeln
aber nicht gelingt, fallen wir mit großer Gewalt in den Zustand der Dämonen.
Wir geraten dann in Unklarheiten, Verwirrungen und Täuschungen und werden
vielleicht ein fanatischer Anhänger menschenverachtender Ideologien. Dōgen
beendet diesen Abschnitt mit folgendem Zitat:
„Die Schritte vorwärts und die
Schritte rückwärts besitzen direkt die Fähigkeit, Gräben zuzuschütten und Täler
aufzufüllen.“
Ich interpretiere diesen Satz so, dass der Weg des
Buddhismus ein aktives Vorwärtsschreiten oder ein aufmerksames und
rückwärtsgerichtetes Bewegen ist. Auf dem Buddha-Weg können sogar Rückschritte
auftreten, die sich aber letztendlich als ganz wichtig erweisen und überwunden werden,
wenn wir unverdrossen weitergehen. Dadurch können die Gräben der Ideologien,
Täuschungen, Vorurteile und Doktrinen zwischen den Menschen und Völkern
eingeebnet werden, sodass diese zueinander finden und gemeinsam die schweren
Aufgaben des Lebens bewältigen. Selbst eine menschliche oder gesellschaftliche
Kluft, die so breit wie ein Tal sei und Leiden der Abgrenzung und Einsamkeit
erzeugt, könne auf diese Weise behoben werden. Das ist heute im Zeitalter der
Globalisierung wichtiger denn je, denn es existieren immer noch Gräben in den
Köpfen und versteinerten Herzen der Menschen.
Dōgens Gedicht zum
Zazen
Am Ende des Kapitels verfasst Dōgen ein Gedicht und
beschreibt darin die einzigartige Kraft der Zazen-Meditation aus eigenem
Erleben. Sie sei die heilende Bambus-Nadel, die das Leiden zur Ruhe bringt und
das Herzstück des Zen-Buddhismus auf
dem Weg der Befreiung von Leiden und Schmerzen für Anfänger, Fortgeschrittene
und Meister. Dōgens Gedicht „Zazenshin“ lautet so:
„Zentrale Kraft eines jeden Buddhas.
Lebendiger Kern jedes
wahren Meisters.
Jenseits des Denkens,
Verwirklichung,
jenseits der
Komplikation, Verwirklichung.
Jenseits des Denkens,
Verwirklichung.
Die Verwirklichung ist
natürlich und unmittelbar.
Jenseits der
Komplikation, Verwirklichung.
Die Verwirklichung ist
natürlich und ein Zustand der Erfahrung.
Die Verwirklichung ist
natürlich und unmittelbar.
Es gab keine
Beschmutzung.
Die Verwirklichung ist
natürlich und ein Zustand der Erfahrung:
Es gab kein Richtiges
und keine Abweichung.
Es gab keine
Beschmutzung des Unmittelbaren.
Jenes Unmittelbare
hängt von nichts ab, schon wird es frei.
Es gab kein Richtiges
und keine Abweichung in der Erfahrung:
Der Zustand der
Erfahrung ist ohne Plan, aber er macht Anstrengung.
Das Wasser ist rein,
ganz bis zum Grund,
Fische schwimmen wie Fische.
Der Himmel ist weit,
klar bis zum Himmel.
Und Vögel fliegen wie
Vögel!“
Mit poetischer Kraft unterstreicht Dōgen in seinen Versen
noch einmal die außerordentliche Wichtigkeit, im Zazen zu sitzen und zu
praktizieren. Dies ist das zentrale Anliegen und Tun der Kinder und Enkel der
großen buddhistischen Vorfahren im Dharma: „Dies ist das authentische Siegel,
das empfangen und weitergegeben wird, von einem-zum-anderen.“
Zazen ist die direkte Verwirklichung und zugleich die
Befreiung vom Leiden der Menschen. Diese Praxis sei einfach und erzeuge auch
keine Komplikationen und geistigen Verwirrungen in unserem Leben. Sie ist
nichts Künstliches, das zufällig entstanden ist und von uns in dieser Form
gelernt wird, sondern sie ist natürlich und von unmittelbarer Direktheit. Sie
ist keine ideologische Erfindung falscher Gurus, sondern kann ganz einfach von
jedem Menschen sofort erfahren und erlebt werden. Wer keine eigenen praktischen
Erfahrungen des Zazen habe, könne deshalb diese Praxis nicht erahnen, nicht
beschreiben und nicht schätzen, betont Dōgen.
Bei der wahrhaftigen Zazen-Praxis gab es laut Dōgen
niemals Verschmutzung, und es wird sie auch niemals geben. Da die Zazen-Praxis
keine einseitige Ideologie ist, besteht dabei keinerlei Abhängigkeit von
irgendetwas, auch nicht von einem Menschen, sondern sie ist von Anfang an frei,
ohne dass es jedoch einen Anfang gibt, der als Start zur mental angestrebten
Erleuchtung verstanden werden könnte. Daher existieren auch keine vordergründige
Absicht und kein willentliches Erstreben des Zustandes der Erleuchtung. Aber es
ist unbedingt erforderlich, sich beim Zazen anzustrengen, intensiv zu
praktizieren und die genaue Sitzhaltung einzunehmen. So wird die Einheit von
Körper-und-Geist erfahren, das ist bereits die erste Erleuchtung. Nicht mehr
und nicht weniger. Es ist die Überwindung und Befreiung von unnötigem Leiden
und unnötigen Schmerzen und eine Heilung wie durch eine Bambus-Nadel.
[i] Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren
Dharma-Auges (deutsche Übersetzung), Bd. 2, S. 62ff.
ZEN Schatzkammer, Kap. 23, Bd. 1, S. 202ff.: „Wahres und reines Handeln der Buddhas (Gyōbutsu-yuigi)“
[ii] Dogen: Shobogenzo (englische Fassung), Bd. 2, S. 33
[iii] Vgl. ZEN Schatzkammer, Kap. 27, Bd. 1, S. 240ff.:
„Die heilende Bambusnadel der Zazen-Praxis (Zazenshin)“
Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche
Übersetzung), Bd. 2, S. 119ff.
[iv] Dogen: Shobogenzo (englische
Fassung), Bd. 2, S. 91, Fußnote 2
[v] Shobogenzo (englische Fassung), Bd. 2,
S. 91, Fußnote 3
[vi] Shinji Shobogenzo (englische Fassung),
Bd. 2, Nr. 29, S. 178
[vii] ZEN Schatzkammer, Kap. 14, Bd. 1, S. 129ff.: „Das
Sūtra der wirklichen Berge und Wasser (Sansui
gyō)“, und: Umwelt-ZEN, S. 216ff.
Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche
Übersetzung), Bd. 1, S. 194ff.
[viii] Yakusan Igen war Nachfolger von Meister
Sekito Kisen.
[ix] ZEN Schatzkammer, Kap. 11, Bd. 1, S.
110ff.: „Die Sein-Zeit der Wirklichkeit im Hier und Jetzt (Uji)“, und: Strahlende
Zeit zum Handeln, S. 15ff.
Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des
wahren Dharma-Auges (deutsche Übersetzung), Bd. 1, S. 135ff.
[x] Vgl. Dōgens Analyse des Handelns nach
dem Erlangen der Wahrheit: ZEN Schatzkammer, Kap. 28, Bd. 1, S. 249ff.: „Leben
und Handeln jenseits von Buddha und Erleuchtung (Butsu kōjō no ji)“
[xi] Warner, Brad: ZEN – Wrapped in Karma, Dipped in Chocolate, deutsche Fassung, S. 12
[xii] ZEN Schatzkammer, Kap. 29, Bd. 1, S. 261ff.: „Was
ist das Etwas, das uns jäh begegnet, jenseits von Denken und Wahrnehmung? (Inmo)“
Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche
Übersetzung), Bd. 2, S. 151ff.
[xiii] In neuerer Zeit hat Mark Epstein eine
Verbindung der westlichen Vorstellung des Denkens in der Psychologie mit dem
Buddhismus vorgelegt: Epstein, Mark: Gedanken ohne Denker
[xiv] Seggelke, Yudo J.: Umwelt-ZEN. Im Auge des Zen, Bd.
3, S. 253f.
[xv] Gäng, Peter: Meditationstexte des
Pali-Buddhismus I, S. 17ff.
[xvi] Ein Teil dieses Zitats stammt aus der
Schrift Shodoka, die von Meister Yoka
Genkaku verfasst wurde.
[xvii] Nishijima, Gudo Wafu: Aus meinem Leben,
S. 49ff.