Sonntag, 30. Mai 2021

Das verwirklichte Leben und Universum (Genjō-kōan)

 

 

Die wörtliche Übersetzung der japanischen Bezeichnung von Dōgens Kapitel Genjō-kōan bedeutet das „verwirklichtes Gesetz der Welt oder des Universums“, also die Buddha-Lehre oder der Dharma. Durch die Verwirklichung kommt es zu einer kraftvollen Wechselwirkung zwischen diesem wahren Gesetz und dem wahren Leben in dieser Welt. Dann kann sich die ganze umfassende Wirklichkeit voll und lebendig entwickeln. Dann ereignen sich das Erwachen und die Erleuchtung, manchmal jäh und nicht erwartet. Denn Erwachen und Erleuchtung sind keine hohlen Begriffe sondern die Fülle des Lebens, nicht zuletzt wenn wir uns von unheilsamen Ideologien, Vorurteilen, Fanatismus und Rassismus befreit und entleert haben. Denn die wahre Wirklichkeit ist leer von Dogmen und den daraus entstehenden dramatischen Verirrungen der Unmenschlichkeit und ideologisch total überzogenen Extremen. Diese sind bekanntlich typisch für die NS-Ideologie und die ins Extrem getrieben Religionen. Dieses Kapitel gehört zweifellos zu den wichtigsten des Shōbōgenzō von Meister Dōgen. Es stand daher in einer kürzeren Fassung von fünfundsiebzig Kapiteln ganz am Anfang.

Dôgen sagt unmissverständlich, dass es auf dem Buddha-Weg wichtig ist, uns sowohl der Vielfalt der Welt als auch der Lehre des Dharma anzuvertrauen. Es ist sinnlos durch bertriebsamen Aktionismus zu versuchen, die egoistische Erleuchtung und Verwirklichung mit Gewalt und zum eigenen Vorteil zu erreichen. Aber ohne jede Anstrengung geht es natürlich nicht. Die Täuschungen, die im ersten Satz des folgenden Zitates aus dem Shōbōgenzō angesprochen werden, sollten wir nach Dōgen so klar wie möglich erkennen und sie nicht innerhalb der Täuschungen selbst weiter zu verstärken und fortzusetzen. Dadurch würden wir uns immer weiter vom Dharma, also von dem wahren Gesetz der Welt, entfernen und isolieren. Dann würde sich die wunderbare Blume des Dharma ohne uns drehen und wir schließen uns dadurch selbst aus, wie Meister Dakain Eno (Hui Neng) sagt.

Selbst mit äußerst geschärften Sinnen, also dem ganzen Können von Körper und Geist, sei es unmöglich, die Wirklichkeit und Wahrheit dieser Welt vollständig bis ins Letzte zu erkennen. Eine darauf gestützte Erfahrung würde immer nur eine begrenzte Sicht offenbaren und wäre blind für andere Seiten der Welt und des Menschen. Denn unser Geist kann nicht vollständig erfasst werde und ist überhaupt nicht zum Erwachen nötig. Allerdings glauben manche Intellektuelle so etwas tatsächlich.

Ich möchte jetzt den ersten zentralen Absatz dieses Kapitels genauer untersuchen. Ich stütze mich dabei auf die von Nishijima Roshi entwickelte Interpretation, denn sonst läuft man Gefahr, sich in Widersprüche zu verstricken. Widersprüchlichkeit und Paradoxien lehnt Dōgen selbst entschieden ab, denn man leider im Vulgär-Zen manchmal findet. Er sagt nämlich, dass die Lehre des Buddhismus gerade im Zen niemals unlogisch, vordergründig, paradox und gegen die Vernunft sei. Wer das behaupten würde, habe den Zen-Buddhismus überhaupt nicht verstanden.

Der erste Absatz dieses Kapitels lautet wie folgt:

(1) „Wenn alle Dharmas (Dinge und Phänomene) als Buddha-Dharma (Theorie) verstanden werden, dann gibt es Täuschung und Verwirklichung, gibt es Praxis, gibt es Leben und Tod und gibt es (Theorie-)Buddhas und gewöhnliche Wesen.

(2) Wenn die unzähligen Dharmas nicht vom Selbst (ohne Geist. also materiell) sind, gibt es keine Täuschung und keine Verwirklichung, keine Buddhas und keine (gewöhnlichen) Wesen und kein Leben und keinen Tod.

(3) Die Wahrheit des Buddhas übersteigt ursprünglich (geglaubten) Überfluss und Knappheit, und daher gibt es (wirklich) Leben und Tod, gibt es Täuschung und Verwirklichung und gibt es gewöhnliche Wesen und Buddhas.

(4) Und obgleich dies so ist, fallen die romantisierten Blüten nur, wenn sie übertrieben geliebt werden, und gedeiht das abgelehnte Unkraut nur, wenn es übertrieben gehasst ist.“

Was will uns Meister Dōgen mit diesen überaus wichtigen, aber nicht gerade einfach zu verstehenden Sätzen sagen? Zweifellos gehören sie zum Kern der zen-buddhistischen Lehre überhaupt. Aber in der Literatur werden sie manchmal missverstanden oder als unverständlich und paradox beiseite geschoben.

Beim genauen Lesen der drei ersten Sätze können wir erkennen, dass in diesem Abschnitt drei verschiedene Sichtweisen oder besser gesagt Lebensphilosophien beschrieben werden. Im ersten Satz wird gesagt, dass zwischen Täuschung und Verwirklichung, zwischen Praxis und Handeln, zwischen Leben und Tod und zwischen Buddhas und gewöhnlichen Menschen theoretische unterschieden wird. Das gilt, wenn die Welt und das Leben auf der Grundlage einer idealistischen Methode des Denkens verstanden werden. Zu diesem Denken und diesen Ideen gehören auch die Theorie und Lehre des Buddha-Dharma. Dem liegt meistens die Vorstellung eines getrennten, denkenden isolierten Ich zugrunde. Meister Vasubandhu nennt das Fabrikation.

Im zweiten Satz wird dagegen eine andere Grundlage und Methode des Denkens gewählt. Es handelt sich hier um den materialistischen Standpunkt ohne den menschlichen Geist. Er wird durch die äußeren Dinge und Phänomene determiniert, die als naive Wirklichkeit verstanden werden, also unreflektiert und zu simpel. Die Weltanschauung ist durch die Formulierung gekennzeichnet, „wenn die unzähligen Dharmas alle nicht vom Selbst (des Geistes) sind“, also kein subjektives Denken besteht und scheinbar die objektive Welt erkannt wird. Vasubandhu spricht von der Determination durch das Fremde. Dann gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen Täuschung und Verwirklichung, Buddhas und gewöhnlichen Menschen oder Leben und Tod. Der Geist des Menschen hat dann keine Wechselwirkung. Mit anderen Worten: Die Bedeutungen dieser Begriffe und Gedanken können gar nicht erkannt und verstanden werden. Denn aus materialistischer Sicht kann man zum Beispiel nicht von Täuschung oder Verwirklichung, von Buddhas und gewöhnlichen Menschen usw. sprechen. Die materielle Sicht erkennt nur das angeblich wahrgenommene Äußere an und kennt keine spirituelle oder geistige Tiefe. Dies entspricht weitgehend dem Verständnis des westlichen Materialismus und zum Teil der Naturwissenschaft und Technik.

Allerdings ist bekannt, dass Albert Einstein, der wohl größte Physiker des vergangenen Jahrhunderts, ein religiöser Mensch war und die Grenzen eines materiellen Verständnisses der Welt klar erkannt und formuliert hat. Für die ebenfalls überragenden Physiker, Max Planck und Werner Heisenberg, gilt Ähnliches. Wir können daher feststellen, dass ein nur materialistisches Weltbild auch in der modernen Naturwissenschaft seit mehr als einem Jahrhundert überholt ist. Der Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann erklärt zu Recht, dass die Welt von unendlicher Komplexität sei und mahnt uns damit zur intellektuellen Bescheidenheit. Dôgen sagt dazu: Der Geist kann nicht vollständig erfasst werden. Ein nur materielles Weltbild muss daher in der Tat als naiv und oberflächlich bezeichnet werden.

Der erste und zweite Satz im obigen Zitat geben demnach nach Nishijima Roshi die Weltanschauungen und Sichtweisen des Idealismus und Materialismus wieder. Beide fallen in die Gruppe intellektueller Philosophien und sind phänomenologisch weitgehend leer. Diese intellektuellen Weltanschauungen und Philosophien sind etwas grundsätzlich anderes als die praktischen und wahren Dimensionen der Wirklichkeit des dritten Satzes.

Im dritten Satz wird die umfassende Buddha-Wahrheit beschrieben und die Lebenspraxis dargestellt, die über Theorie, Denken und Bewertungen hinausgeht. Sie ist die wahre Wirklichkeit und wird im Folgenden weiter ausgeführt.

Im vierten Satz sagt uns Dōgen, dass wir nicht in einer idealen Welt wie in einem Paradies leben, sondern dass wir es mit fallenden Blüten und wucherndem Unkraut zu tun haben. Aber wir sollen uns davon nicht entmutigen lassen sollen, da wir die Buddha-Wahrheit und der Übungspraxis verwirklichen können. Aber alle Extreme sind schädlich, vor allen übertriebene Gefühle. Aber die Befreiung gibt es wirklich, selbst wenn Pessimisten und Nihilisten das ideologisch bestreiten, auch um sich eventuell als klug und reflektiert darzustellen.

Mit diesen Formulierungen werden nicht starre Einheiten oder isolierte Entitäten sondern Abläufe, Prozesse und Vorgänge beschrieben, so wie sie in der Wirklichkeit geschehen. Nagarjuna legt dabei besonderen Wert auf die Interaktionen und Vernetzungen, die wir heute von den Ökosystemen und dem Gehirn genauer kennen. Dōgen betont an anderer Stelle, dass besonders unsere Vorstellungen und vor allem unsere Bewertungen oft zu statisch und dauerhaft sind und dass wir diese häufig mit der Wirklichkeit verwechseln. Wenn wir das erkennen und verwirklichen, erwachen wir im Sinne von Gautama Buddha. Denn Veränderungen sind für die Überwindung des Leidens und das Erwachen aus unbewusster Dumpfheit unbedingt nötig.

Dann geht Dōgen auf das für ihn so wichtige Handeln des Menschen ein. Er sagt, dass wir bei Zielen, die dem egoistischen Eigennutz dienen, uns selbst in Täuschungen und Illusionen verfangen. Wenn dagegen die zehntausend Dharmas dieser Welt uns aktiv zum Tun und Handeln bringen, wir also ohne eigene Gier nach Ruhm oder Profit so handeln, wie es die Situation erfordert, ist dies Erwachen. Dies ist also eine Beschreibung des Bodhisattva-Handelns in Wechselwirkung und ohne Ich-Dominanz. Dies sind auch Kernaussagen zur richtigen Zazen-Praxis, die nicht mit der Gier nach Erleuchtung belastet und verzerrt werden darf.

Anschließend wird der Dharma-Weg klar, direkt und für mich überzeugend erläutert. Dies ist ein berühmtes Zitat:

„Buddhas Wahrheit zu erlernen ist, uns selbst zu erlernen. Uns selbst zu erlernen ist, uns zu vergessen. Uns zu vergessen ist, von den vielen, vielen Dharmas erfahren zu werden. Von den unzähligen Dharmas erfahren zu werden ist, unseren eigenen Körper und dualistischen Geist und den Körper und Geist der äußeren Welt fallen zu lassen.“

Wir müssen uns also auf dem Buddha-Weg von vorgefassten, dualistischen und verhärtenden Gedanken, Vorstellungen und Gefühlen befreien, um offen für die neue Entwicklung und Wahrheit Buddhas zu sein. Dabei ist es notwendig, sich für die Vielfalt der Welt zu öffnen und sie zu erfahren, also die fatale Trennung von Subjekt und Objekt wegzulassen: Es ist notwendig, sich von der Fixierung auf den subjektiven Körper und denkenden abgehobenen Geist, also dem kleinen Ich, zu befreien. Dōgen sagt, „Körper und Geist fallen lassen“. Wir können uns also nur selbst wirklich erkennen, wenn wir unser altes kleines und oft dogmatisiertes Ich vergessen: „Zen-Geist ist Anfänger-Geist“, nannte das Meister Shunryu Suzuki.

Wir müssen auch die sogenannte objektive Welt des Äußeren und des Körpers sowie den eigenen ruhelosen Geist „fallen lassen“. Im Sinne von Nishijima Roshi bedeutet dies nichts anderes, als sich von den Lebensphilosophien des verengten Idealismus oder Materialismus zu trennen. Damit befreien wir uns von fixierten Vorstellungen und Gedankenkonstrukten. Wir sollten uns nicht in der einseitigen Welt der simplen Wahrnehmungen und in deren vordergründigen Genüssen verlieren.

Die meisten Menschen haben sicher eine ziemlich feste Vorstellung von einem unveränderlichen eigenen Ich, das sich zwar im Laufe des Lebens in gewissem Umfang verändert und vielleicht auch weiterentwickelt, das aber doch einen konstanten Ich-Kern besitzt. Nach dem Motto:" So bin ich nun mal". Gautama Buddha hat in aller Klarheit darauf hingewiesen, dass dies ein Irrtum und eine uns vielleicht vertraute Illusion ist. Aber meistens schadet uns gerade eine solche Fixierung.

Dōgen erläutert diesen Zusammenhang durch ein Gleichnis des Segelns: Wenn man in einem Boot sitzt, auf dem Meer fährt und dabei nur das ferne Ufer und Land beobachtet, denkt man, dass man selbst still steht und sich das Land bewegt, also die Außenwelt. In diesem Sinne glauben wir an ein feststehendes und dauerhaftes Ich. Wenn wir im Boot jedoch nach unten schauen, also die Bootskante und direkt das durchfahrene Wasser ansehen, stellen wir eideutig fest, dass wir uns selbst bewegen und das Land und die Küste ruhig und unbeweglich daliegen. In ähnlicher Weise ist es Meister Dōgen zufolge ein grundsätzliches Missverständnis, dass der Körper und denkende Geist dauerhaft und unvergänglich sind und sich nur die Umgebung verändert oder verändern muss. Wenn wir dagegen die Illusion eines statischen und „dinghaften“ Ichs aufgeben und das Handeln im Augenblick in den Mittelpunkt stellen, können wir unmittelbar in der Wirklichkeit und Wahrheit leben. Diese buddhistische Lehre und Erfahrung ist vielleicht verblüffend kann aber im praktischen Leben eine große Kraft entfalten. Und wir gewinnen dabei Zutrauen zu uns selbst.

In einem weiteren Gleichnis erläutert Dōgen die momenthafte große Bedeutung der verschiedenen Dinge, Phänomene und Zustände in dieser Welt: Wenn das Feuerholz zu Asche verbrannt ist, sind Feuerholz und Asche zwei verschiedene Realitäten, die im Hier und Jetzt jeweils da sind. Allerdings werden sie durch unser Denkvermögen meistens unbemerkt und automatisch verbunden. Diese Verbindung ist aber in der Wirklichkeit auf diese Weise gar nicht vorhanden. In der Wirklichkeit kann sich die Asche niemals wieder zurück in das Feuerholz verwandeln. Das Feuerholz und die Asche haben damit je ihren eigenen Platz in der Welt und im Dharma. Sie sind jeweilige Wirklichkeiten in der Zeit.

Ähnlich ist es beim Menschen: Das Leben und der Tod sind jeweilige Wirklichkeiten, und nach dem Tod kann sich das Leben nicht wieder zurückverwandeln. In der wahren Sichtweise des kurzen Augenblicks gibt es die Zustände je für sich und sie offenbaren dann den Dharma und die Wahrheit. Und wir erleben und erfahren genau die großartige Wirklichkeit dieser Welt.

Für einen solchen Zustand der Wahrheit oder Erleuchtung verwendet Dōgen das im Buddhismus häufige Bild des Mondes:

„Ein Mensch, der Verwirklichung erlangt, ist wie Mond, der sich im Wasser spiegelt und so verweilt: Der Mond wird nicht nass, und das Wasser wird nicht zerteilt. Obgleich das Licht (des Mondes) weit und groß ist, verweilt es in einer (kleinen) Fläche von einem Fuß oder einigen Zentimetern. Der ganze Mond und der ganze Himmel verweilen in einem Tautropfen auf einem Grashalm und in einem einzigen Wassertropfen.“

Dieses poetische Bild des sich spiegelnden und verweilenden Mondes macht deutlich, dass es in der Wirklichkeit keine gegenseitigen Fixierungen, Einengungen oder Verkrampfungen gibt. Solche Verengungen entstehen vor allem durch Ideologien und Vorurteile. Dabei sollten wir nach Dōgen vom jetzigen Augenblick ausgehen und gleichzeitig darüber nachsinnen, wie lang oder wie kurz ein Augenblick wohl ist. Weiterhin können wir fragen, wie eng oder wie breit wohl der Himmel und der Mond sind.

Am Beispiel der Fische im Wasser und der Vögel in der Luft erläutert Dōgen, dass jedes Lebewesen seinen eigenen Platz, seinen Lebensraum, sein Handeln, seine Verwirklichung und seine Wahrheit in der Welt hat. Wenn ein Fisch das Wasser verlässt, muss er sterben, und wenn ein Vogel vom Himmel auf die Erde herunterfällt, stirbt er ebenfalls. Wenn der Fisch und der Vogel in ihrem angestammten Element bleiben, haben sie ihren richtigen Platz in der Welt und im Dharma.

Schon Gautama Buddha wies darauf hin, wie vielfältig die jeweiligen Sichtweisen und Verständnismöglichkeiten der Welt sind: Der Ozean ist für die Fische ein Palast, für die Götter eine Perlenkette und für Dämonen Eiter. Der Buddha-Weg bedeutet, dass wir aus dem Staub und Dunst des sogenannten normalen Lebens hinaustreten, so dass die üblichen fixierten räumlichen oder psychischen Grenzen und Hindernisse nicht mehr bestehen. Dōgen sagt weiter:

„So können wir das Wasser als Leben und den Himmel als Leben verstehen. Vögel sind Leben, und Fische sind Leben. Es mag wohl so sein, dass Vögel und Fische Leben sind. Und jenseits dessen mag es immer noch eine Weiterentwicklung geben. Genau so ist es mit unserer Praxis-und-Erfahrung, mit (unserer) Lebenszeit und unserem Leben.“

Wenn wir so unseren Platz im Leben finden, ist dieses Handeln ohne jeden Zweifel die Welt und das Universum selbst.

Weiter heißt es bei Dôgen:

„Wenn ein Mensch in diesem Zustand Buddhas Wahrheit praktiziert und erfährt, erlangt er einen Dharma und durchdringt einen Dharma und er begegnet dem Handeln und vollzieht das Handeln. In diesem Zustand existiert der Ort und wird der Weg gemeistert, und doch ist der zu erkennende Bereich nicht (unbedingt) offensichtlich.“

Zur Abrundung dieses wichtigen Kapitels gibt Dōgen eine verblüffende Kōan-Geschichte wieder: Ein Meister fächelt sich zur Kühlung Luft zu, weil es heiß ist. Dann kommt  ein Mönch vorbei und will offensichtlich eine intelligente Bemerkung anbringen: Er sagt, die Luft habe allgemein die unveränderliche Eigenschaft, dass sie überall anwesend sei. Dem Meister ist sofort klar, dass der Mönch in abstrakten allgemeinen Gedankengängen verhaftet und nicht offen für das praktische und konkrete Hier und Jetzt. Er kommt also mit abstrakten unveränderlichen Schein-Wahrheiten daher. Sicher ist er tief von seiner eigenen großartigen Intelligenz und seinem absoluten Wissen der Buddha-Lehre überzeugt. Auf die folgende Frage dieses Mönchs, warum sich der Meister denn die Luft zufächle, antwortet dieser daher einfach, es gebe in der Tat keinen Ort in der Welt, an dem keine Luft vorhanden sei. Inhaltlich ist das also genau dieselbe Aussage, die der Mönch vorher verkündet hatte. Und der Meister fächelt sich weiter die Luft zu, weil es heiß ist. In der Kōan-Geschichte wird dem Mönch durch diese eigentlich logisch überflüssige Wiederholung jedoch schlagartig klar, dass allgemeine theoretische Kenntnisse und absolute sogenannte Weisheiten etwas ganz anderes sind als die Wirklichkeit selbst sind, die man unmittelbar erlebt und erfährt. Wenn uns zu heiß ist, sollten wir uns durch den Fächer direkt Kühlung verschaffen. Dann erleben wir unmittelbar die angenehme Kühlung der Luft! Und das genau ist die Wirklichkeit.

Daher setzt der Meister die Unterhaltung mit dem Mönch nicht fort, sondern fächelt sich einfach weiter die kühlende Luft zu. Durch diese unmittelbare Erfahrung des Handelns gelangt der Mönch von abgehobenen abstrakten Ideen und seinem dogmatisierten angeblichen Wissen unmittelbar zur Wirklichkeit des Hier und Jetzt. So fiel es dem Mönch durch das Handeln des Meisters wie Schuppen von den Augen und sein Körper und Geist erfuhren sicher eine ganz neue frische Kraft. Dies ist das verwirklichte Leben und Universum. So ist die Wahrheit des Lebens.

 

Mittwoch, 19. Mai 2021

Das Selbst und das Streben nach der Wahrheit (Bendōwa)

 

Dieses Kapitel des Shōbōgenzō zum Streben nach der Wahrheit, zum wahren Selbst und der Zazen-Praxis bildet neben dem Kapitel Genjō-kōan die Grundlage für alle folgenden Kapitel[i]. Vermutlich ist das die wahre Individualität, von der die westliche Philosophie seit den Griechen Parmenidas und Platon redet! Aber der hoch trainierte komplexe Verstand ist wirklich nicht das alles. Das ist nur nützliches Gehirn-Training.

Bendōwa gliedert sich im Wesentlichen in drei Abschnitte: Im ersten Teil berichtet Dōgen von seinem eigenen Werdegang und seiner Reise nach China, wo er einem wahren Lehrer begegnete und von ihm den authentischen Buddhismus in Theorie und Praxis erlernen konnte. Außerdem skizziert er die Eckpunkte der buddhistischen Lehre und begründet, warum er schriftliche Fassungen neben seinen mündlichen Vorträgen erarbeitete. Diesem Entschluss verdanken wir nicht zuletzt das großartige Werk Shōbōgenzō.

Im zweiten Teil greift Dōgen die verschiedenen Fragen, Kritikpunkte und Zweifel auf, die zu seiner Zeit im Zusammenhang mit der Zazen-Praxis aufgetreten sind. Er verwendet dafür ein fiktives Gespräch mit einem Dialogpartner, der die kritischen Fragen formuliert, sodass Dōgen selbst mit seinen Antworten die Zweifel ausräumen und Gegenargumente entkräften kann. Insgesamt werden auf diese Weise 18 Fragen behandelt. Zur Vertiefung des Themas fügt er ein bedeutsames Kōan-Gespräch zwischen einem Schüler und Zen-Meister hinzu.

Im dritten Teil des Kapitels fasst Dōgen wichtige, zentrale Aussagen zur Wahrheitssuche und zur Bedeutung der Zazen-Praxis noch einmal zusammen. Erstaunlicherweise war diese grundlegende Praxis des Buddhismus bis dahin in Japan überhaupt nicht bekannt und wurde von Dōgen zum ersten Mal dort gelehrt. Sie ist seiner Ansicht nach unverzichtbar auf unserem Weg des Buddha-Dharma, um uns von geistigen, körperlichen und psychischen Verkrampfungen zu befreien und das Erwachen zu erfahren. Damit stellt die Zazen-Praxis den „Königsweg“[ii] zu unserem Lebensglück dar – ohne sie ist laut Dōgen der Weg des Buddha-Dharma verschlossen.

 

Die Bedeutung der Zazen-Praxis

Dōgen bezeichnet die Praxis des Zazen als „Zugang des Friedens und der Freude zum Dharma“[iii]; sie löse ganzheitlich die Hindernisse und Blockaden des Denkens und Fühlens auf. Körper und Geist sind in unserem gewöhnlichen, ungeschulten Denken dualistisch getrennt[iv] – was Dōgen ablehnt – und eng mit der Vorstellung und Fixierung auf ein weitgehend abgegrenztes Ich verbunden, das sich bedroht fühlt, auf sich selbst konzentriert ist und meist irgendetwas haben oder abwehren will. Ein solches Ich wird nicht zuletzt von Emotionen und Affekten getrieben, die dem Bewusstsein weitgehend verborgen bleiben[v]. Nishijima Roshi spricht davon, dass eine Selbststeuerung unter diesen Bedingungen nicht möglich und der Mensch daher unfrei ist!

Nach der Lehre Gautama Buddhas liegen die Ursachen für vieles Leiden in der Fixierung auf ein Ich als Subjekt und der Trennung von anderen Menschen und Dingen als Objekte. Diese Einschätzung wird auch durch die Psychotherapie bestätigt und hat bei der Analyse von Gefühlen eine große Bedeutung[vi]. Eine solche starke Zentrierung und Fixierung auf das eigene Ich wird häufig durch übertriebene Selbstgerechtigkeit, aber auch durch Angst vor psychischen Verletzungen erzeugt. Gefühle wie Neid und Eifersucht werden laut Verena Kast in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert und daher nicht bewusst zugegeben. Sie manifestieren sich infolgedessen meist als Abwertung oder sogar Kriminalisierung der anderen und sollen damit implizit als Aufwertung des eigenen Ich wirken. Das ist aber gerade keine dauerhafte Lösung des Problems. Der fast ausschließliche Bezug auf sich selbst tritt besonders gravierend bei Depressionen auf, wenn nur ein sehr eingeschränkter Kontakt zu anderen Menschen und zur Umwelt möglich ist. Auch diese Situation ist mit ganz starkem Leiden verbunden und führt meist dazu, dass der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann.

In dem nun folgenden ersten Satz des Kapitels fasst Dōgen zentrale Aussagen des Buddhismus zusammen.

„Wenn die Buddha-Tathāgatas, die alle die Eins-zu-eins-Übertragung (Transmission) des wunderbaren Dharma erhalten haben, den höchsten Zustand des vollkommenen Bodhi-Erwachens erfahren, sind sie im Besitz der feinen und kostbaren Methode, welche die höchste ist und keine (selbstsüchtige) Absicht hat.“

Alle Buddhas stehen demnach in einer nicht unterbrochenen Linie der Übertragung des wahren Buddha-Dharma, die hier als „Eins-zu-eins-Übertragung“ bezeichnet wird. Das heißt, dass jeweils ein authentischer Meister den wahren Buddha-Dharma an seinen Schüler weitergibt, der damit selbst authentischer Meister wird und die Befähigung zur Lehre erhält.

[vii] Das höchste Bodhi-Erwachen wird in Sanskrit als anuttara-samyak-sambodhi bezeichnet. Mit der feinen und kostbaren Methode des Bodhi-Erwachens[viii] ist die Zazen-Praxis[ix] gemeint. Dōgen fügt hinzu, dass diese Methode ohne selbstsüchtige Absicht angewendet wird. Wenn also die Erleuchtung oder das Erwachen zum eigenen Vorteil und mit Konzentration auf sich selbst angestrebt wird, entspricht dies nicht der im Shōbōgenzō dargestellten Zazen-Methode.

Dogen erläutert hierzu, dass beim Zazen „das Selbst empfangen und benutzt wird“. Dieses Selbst unterscheidet sich vom egoistischen, abgegrenzten Ich, das etwas haben will oder etwas bekämpft, um sich selbst zu schützen, um materielle Vorteile zu erlangen oder Macht über andere zu gewinnen.

Nishijima Roshi betont, dass wir heute den Zustand im Zazen wissenschaftlich als Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems erkannt haben. Dieses Nervensystem ist mit dem Willen und dem Denken nur sehr wenig oder überhaupt nicht zu beeinflussen und trägt daher auch die Bezeichnung „autonomes Nervensystem“[x]. Die richtige Haltung im Zazen ermöglicht einen Gleichgewichtszustand, der sich auf den ganzen Körper-und-Geist auswirkt und zentrales Moment des von Gautama Buddha gelehrten Erwachens ist. Nishijima Roshi beschreibt diesen Gleichgewichtszustand folgendermaßen: Er „ist der grundlegende (wahre) Zustand des menschlichen Körpers und Geistes. Diese Erleuchtung als vollständiger Gleichgewichtszustand wurde von Gautama Buddha gefunden und in einer nicht unterbrochenen Übertragungslinie bis zu den großen heutigen Meistern weitergegeben“.[xi]

Dōgen fährt mit seinen Ausführungen zur Übertragung fort:

„Der Grund, warum diese (Methode) ohne jede Abweichung nur von Buddha zu Buddha übertragen wird, liegt darin, dass der Samādhi sein (großartiger) Maßstab ist, um das Selbst zu empfangen und zu benutzen.“

Die Formulierung, dass wir beim Zazen das Selbst empfangen und benutzen, taucht im Shōbōgenzō an mehreren Stellen auf. Zazen ist damit neben der authentischen Lehre der zentrale Schlüssel, um das wahre Selbst zu finden und im praktischen Leben des Alltags zu verwirklichen. Dieses Selbst hat, wie bereits erläutert, mit dem egoistischen Ich nichts gemeinsam. Ein wesentlicher Schritt zur Befreiung und Erleuchtung liegt gerade darin, dieses sich abgrenzende oder von Gier und Affekten beherrschte Ich aufzulösen, durchlässig zu machen und ins Gleichgewicht zu bringen. Für Dōgen ist die Zazen-Praxis dabei die fundamentale Methode, ohne die es auf dem Buddha-Weg kein Erwachen geben kann. Nishijima Roshi spricht sogar davon, dass Gautama Buddha uns empfiehlt, „Zazen als die fundierte Basis der menschlichen Kultur zu praktizieren.“

„Für die Freude dieses Samādhi wurde die Praxis des (Za)zen in der aufrechten Sitzhaltung als authentisches Tor (zum Buddha-Dharma) entwickelt.“

Besonders bemerkenswert an dieser Aussage ist der Hinweis Dōgens auf die aufrechte Sitzhaltung, das heißt die gestreckte Wirbelsäule, beim Zazen[xii]. Diese Haltung verleiht uns eine tiefe Freude und Gelassenheit beim Samādhi und ist gleichzeitig der authentische Weg zum Buddha-Dharma und Erwachen. Interessant ist auch, dass Dōgen Zazen als Freude und Glück bezeichnet – und nicht als Askese, pure Willensanstrengung, Schmerzüberwindung und zähes Durchhalten. Es bringt uns die positive Energie der Freude, die nach neuen Erkenntnissen ganz wesentlich für physische und vor allem psychische Heilungsprozesse ist[xiii].

Im alten China und Japan saßen die Menschen üblicherweise auf dem Boden und verspürten daher sicher keine Schmerzen bei der Zazen-Haltung auf dem Sitzkissen, dem Zafu. Wir heutigen Menschen, die daran gewöhnt sind auf Stühlen zu sitzen, sollten ebenfalls so weit wie möglich eine für uns schmerzfreie Sitzmethode beim Zazen anwenden. Nishijima Roshi betont immer wieder, wie wichtig die Haltung im ganzen oder halben Lotussitz ist, wobei der sogenannte burmesische Lotussitz, bei dem die Beine nicht ineinander verschränkt sind, sondern voreinander liegen, als halber Lotussitz anzusehen ist. Dies erwähnt Dōgen ausdrücklich in seiner grundlegenden Schrift zur Zazen-Methode[xiv]. Der volle Lotussitz ist sicher für viele westliche Menschen zunächst schwierig zu verwirklichen und oft mit Schmerzen verbunden, deshalb sollte man mit dem halben Lotussitz beginnen, damit man sich nicht zum schmerzhaften Durchhalten und zur Askese zwingen muss. Denn auf diese Weise wäre die Befreiung von den Fesseln durch Körper und Geist schwerlich zu erreichen, da der Kampf gegen die Schmerzen uns keinen Raum für „den Frieden und die Freude“ des Zazen ließe.

Gautama Buddha hat in seinen Lehrreden und Gleichnissen häufig die aufrechte Sitzmethode empfohlen und in den alten Schriften heißt es, dass die Mönche, die auch „Hauslose“ genannt wurden, und Laien an einem ruhigen Ort mit gekreuzten Beinen sitzen sollen. Als solche ruhigen Orte eigneten sich im alten Indien besonders Plätze unter Bäumen, die zudem einen gewissen Schutz vor sengender Hitze und Regen boten. Im Fukan zazengi schreibt Dōgen, dass der Ort für die Zazen-Praxis nicht zu heiß und nicht zu kalt sein sollte und dass man dabei lockere Kleidung tragen sollte, die nicht beengt[xv].

Nishijima Roshi ergänzt dazu: „Um Freude an diesem Gleichgewichtszustand zu haben, wurde die Praxis des Zazen als die grundlegende Übung des Buddhismus seit über 2.500 Jahren erhalten und gepflegt.“

„Dieser Dharma (vor allem des Zazen) ist in jedem Menschen im Überfluss gegenwärtig, aber wenn wir ihn nicht praktizieren, offenbart er sich nicht, und wenn wir ihn nicht erfahren, kann er nicht verwirklicht werden.“

Ohne die Praxis als Handeln kann sich die Wahrheit des Menschen oder des Dharma laut Dōgen also nicht offenbaren und manifestieren. Nishijima Roshi betont häufig, dass die Praxis des Zazen weder Denken noch Sinneswahrnehmung sein kann, denn sie sei genau das Handeln selbst und die Wirklichkeit im Hier und Jetzt.

Er stellt fest, dass wir in der westlichen Kultur dem denkenden Geist einen sehr hohen Rang zuweisen und dass eine Philosophie des Handelns dagegen kaum entwickelt wurde. Dies sei aber gerade der zentrale Kern des Buddhismus.

Die Verwirklichung wird nach Dōgen durch Erfahrung, also wiederum durch die Praxis, ermöglicht. Die im Zen-Buddhismus gelehrte Praxis ist keine Meditation zu einem bestimmten Thema oder das Versenken in eine bildliche Vorstellung bei der Visualisierung. Nishijima sagt dazu: „Viele Menschen verstehen auch Zazen als eine Art von Meditation.“ Aber eine solche Interpretation dürfe mit der wahren Praxis des Zazen nicht verwechselt werden, denn Zazen ist „keine bestimmte Art von konzentriertem Denken.“[xvi] Beim Zazen kommt es gerade darauf an, nicht zu denken und die Vorstellungen, Ideen und drängenden Emotionen abzustellen und „fallen zu lassen“. Dies ist in der Tat in der westlichen Gesellschaft und Philosophie sehr ungewöhnlich und kennzeichnet die Zazen-Praxis des Buddhismus in ganz eigenständiger Weise[xvii]. Besonders deutlich wird das im Kapitel „Die heilende Bambusnadel der Zazen-Praxis“ (Zazenshin) und in Dōgens Anleitung zur Zazen-Praxis (Fukan zazengi). Nishijima Roshi bekräftigt: „Im Zazen konzentrieren wir unsere Anstrengung darauf, genau eine kontrollierte Sitzhaltung einzunehmen und so zu handeln und zu sitzen.“ Diese Lebensphilosophie sei die entscheidende Grundlage des Buddhismus und werde von vielen Buddhisten ganz sorgfältig praktiziert. Er fügt sogar hinzu, dass es ohne Zazen keinen Buddhismus gäbe und dass Buddhismus Zazen sei.

Zweifellos ist es der Sinn des buddhistischen Weges, genau zu erkennen, dass und wie wir in der Wirklichkeit selbst leben und handeln. Denn diese Wirklichkeit ist die große Wahrheit, die Gautama Buddha gefunden und gelehrt hat, und sie zeigt den Ausweg aus dem Leiden. Durch die Zazen-Praxis erlangen wir den direkten Zugang zu dieser Wirklichkeit, die nicht von eigenen Gedanken, Emotionen und Vorstellungen verdeckt oder verzerrt ist.

Nishijima Roshi sagt dazu: „Wir Menschen sind heute jedoch im Begriff, endlich dem Zeitalter des wahren Realismus (des Buddhismus) zu begegnen. Wir sollten daher von ganzem Herzen eine tiefe Dankbarkeit für Gautama Buddha, Meister Nāgārjuna, Meister Bodhidharma und Meister Dōgen usw. haben.“

 

Dōgen auf dem Buddha-Weg

Dōgen hatte sich seit seinem zwölften Lebensjahr, als er in Japan in ein buddhistisches Kloster der Tendai-Linie eingetreten war, intensiv um den Weg des Buddha-Dharma bemüht und sich insbesondere in der Lehre geschult. Aber er konnte bis zu seinem 23. Lebensjahr in Japan nicht seinen wahren Meister finden und reiste deswegen nach China, obwohl eine solche Fahrt über das Meer mit den nicht sehr seetüchtigen Schiffen der damaligen Zeit ein gefährliches Wagnis bedeutete. Zwei Jahre lang besuchte er viele verschiedene Klöster in China, ohne dass es ihm jedoch gelang, einen wahren Meister zu finden, der die Lehre und vor allem die Praxis des Buddhismus authentisch lehrte. Viele dieser Klöster gehörten der Rinzai-Linie an und arbeiteten mit Kōans. Dōgen fand auf diesem Weg allerdings nicht die Klarheit und Wirklichkeit des Buddhismus und die angestrebte Erleuchtung, für die er so viele Mühen auf sich genommen und so hart gearbeitet hatte.

Am 1. Mai 1225 begegnete er dann dem großen Meister Tendō Nyojō, der sein wahrer Lehrer wurde und unter dessen Leitung er die Praxis und Theorie des Buddhismus erlernen konnte. Diese Begegnung brachte die entscheidende Wende in Dōgens Leben auf dem buddhistischen Weg und ihr verdanken wir nicht zuletzt das großartige Werk Shōbōgenzō.

Dōgen empfand es als großes Geschenk, den Buddhismus selbst in einer authentischen Übertragungslinie von Gautama Buddha zu Tendō Nyojō erlernt zu haben. Im Zen-Buddhismus ist es von zentraler Bedeutung, dass die Dharma-Übertragung vom Meister auf den Schüler direkt in der lebendigen Gegenwart beider vollzogen wird. Daraus wird ersichtlich, dass eine solche praktische Dharma-Übertragung über die schriftliche Theorie, so wichtig sie auch sein möge, hinausgeht. Die direkte, lebende und existenzielle Verbindung vom Lehrer zum Schüler hat eine fundamentale Bedeutung.

 

Die Funktion der Zazen-Praxis

Dōgen schildert, dass uns die im Zazen erfahrene Dharma-Wahrheit ganz natürlich erfüllt, wenn wir die Praxis geschehen lassen und keinen angestrengten Kraftakt vollziehen, um Erleuchtung zu erreichen. Diese Wahrheit habe schon immer unsere Hände erfüllt. Allerdings könne man mit Zahlenangaben und Messungen nach Größe und Gewicht die Dharma-Wahrheit des Zazen auf keinen Fall erfassen. Mit einer materialistischen Lebensführung lässt sich deshalb diese Wahrheit nicht erkennen. Beim Zazen werde der Mund davon erfüllt, wenn wir sprechen. Wesentlich ist vor allem, dass es keine Begrenzungen und Blockaden bei dieser Praxis gibt, und die Buddhas halten sich darin andauernd auf. In diesem Zustand existiert eine umfassende Einheit der Wirklichkeit. Das heißt, die Dualität von Subjekt und Objekt, von Denken und Wahrnehmung usw. ist überwunden.

„Die Anstrengung bei der Suche nach der Wahrheit, die ich jetzt lehre, lässt die unzählbaren Dharmas in der Erfahrung wirklich werden und umfasst die Einheit der Wirklichkeit auf dem Weg der Befreiung.“

Damit beschreibt Dōgen die wesentliche Funktion der Zazen-Praxis. Die Wirklichkeit der Dinge und Phänomene, die er hier als „unzählbare Dharmas“ beschreibt, wird dabei genauso erfasst wie die große Einheit der Wirklichkeit.

In den zwei großen Übertragungslinien, die im Zen-Buddhismus von Daikan Enō ausgingen, hatte die Zazen-Praxis einen zentralen Stellenwert. Daraus entwickelten sich weitere bedeutende Traditionen des Zen-Buddhismus, die sich über ganz China verbreiteten. Dōgen betont, dass es ohne diese Erfahrung in der Zazen-Praxis kaum möglich sei, den Wert der buddhistischen Lehre richtig einzuschätzen. Dieser Ansatz ist auch ein wichtiges Thema im Kapitel über das Sūtra-Lesen und wird außerdem im Lotus-Sūtra hervorgehoben[xviii].

Dōgen verbreitet die Lehre in Japan

Anschließend berichtet Dōgen, dass er es als dringende Verpflichtung empfunden habe, die wahre Lehre, die er in China erlernt und erfahren hatte, nach seiner Rückkehr auch in seinem Heimatland Japan bekannt zu machen. Zunächst habe er daran gedacht, als wandernder Mönch durch Japan zu ziehen und so die Lehre zu verbreiten. Eine solche Lebensweise der Mönche wurde im alten Japan als „fließende Wasserpflanze“ bezeichnet und war ein Brauch der alten Heiligen. Dōgen wusste, dass in Japan der Buddhismus häufig unklar gelehrt wurde, sodass ernsthafte Schüler ohne seine Hilfe etwas Falsches oder zumindest nur teilweise Richtiges erlernen würden. Deshalb fasste er den Entschluss, den wahren Dharma in Japan nicht nur mündlich zu lehren, sondern auch schriftliche Aufzeichnungen zu verfassen, zu denen zum Beispiel die Anleitung zur Zazen-Praxis (Fukan zazengi) und „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“ (Shōbōgenzō) gehören.

Die tiefgründige und schwierige Lehre Dōgens war viele Jahrhunderte lang nur einem kleinen Kreis von Mönchen des Klosters Eihei-ji, dem Haupttempel der Sōtō-Linie, als authentischer Text direkt zugänglich und im Westen völlig unbekannt. Selbst der Philosoph Herrigel, der Zen-Buddhismus vor dem Zweiten Weltkrieg in Japan studierte und anhand der Zen-Kunst des Bogenschießens praktizierte, erwähnt das Shōbōgenzō nicht und vermerkt es nicht einmal im Literaturverzeichnis[xix]. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde es in Japan für einige wenige Interessierte geöffnet und galt aber nach wie vor als außerordentlich schwierig. Langsam wurde jedoch immer klarer, dass der Wert dieses großartigen Werkes kaum überschätzt werden konnte. Es ist die große Lebensleistung von Nishijima Roshi, der sich über 40 Jahre lang mit dieser Schrift intensiv beschäftigte, das Shōbogenzō für die Welt, insbesondere im Westen, verfügbar gemacht und interpretiert zu haben.

Dōgens Lehrer Tendō Nyojō

Im Folgenden geht Dōgen etwas ausführlicher auf seinen Meister Tendō Nyojō ein:

„Schließlich besuchte ich Zen-Meister Nyojō auf dem Berg Dai-byaku-hō und dort war ich in der Lage, die große Aufgabe der Praxis (meiner) Lebenszeit zu vollenden.“

Tendō Nyojō lebte von 1163 bis 1228. Dōgen schätzte ihn sehr, zitierte häufig Aussprüche und Gedichte von ihm und nannte ihn einen „ewigen Buddha“. Tendō Nyojō verfasste viele Gedichte von tiefer Poesie und buddhistischer Aussagekraft und war auch ein hervorragender Maler, der zum Beispiel die Natur in der Umgebung des Klosters meisterhaft in ein Bild bringen konnte. Dōgen sagt einmal von seiner Malkunst, dass „der Bambus in das Bild gekommen ist“; damit drückt er aus, dass die Wirklichkeit der Natur, in diesem Falle des Bambus, im Bild selbst existent ist. Das Bild ist daher nicht eine Kopie der Natur, sondern deren Wirklichkeit. Dōgen missachtet dabei keinesfalls Bilder und erläutert dies im Kapitel „Was bedeutet das Bild eines Reiskuchens?“[xx] Dessen Inhalt wird im Zen-Buddhismus zum Teil missverstanden, da man das Bild des Kuchens nicht essen könne und es nicht den „Wert“ der Wirklichkeit habe. Auch in Nishijimas Buch „Begegnung mit dem wahren Drachen“[xxi] steht das Verhältnis der Wirklichkeit zu Abbildungen und Vorstellungen im Vordergrund. Denn was wäre der Buddhismus ohne Bilder und Skulpturen?

Tendō Nyojō lehrte die Zazen-Praxis als unverzichtbare, zentrale Übung, die Dōgen im obigen Zitat als die große Aufgabe seiner Lebenszeit bezeichnet. Er hatte sich zwar durch intensive Studien schon ein umfassendes Bild der buddhistischen Lehre und Theorie erarbeitet, kam aber bei der Frage des Erwachens und der Wirklichkeit mit der Theorie allein nicht weiter. Erst durch die Begegnung mit diesem Meister vollendete er seinen Weg und Lernprozess in der Praxis. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass er mit seinem Meister im täglichen Leben und Handeln in ganz engem Kontakt verbunden war.

 

Die authentische Übermittlung der Lehre und Praxis

Dōgen kommt erneut darauf zu sprechen, dass große und häufig dauerhafte Schäden beim lernenden Menschen entstehen, wenn der ehrliche Wille zur Wahrheit durch falsche Lehrer und eine unrichtige Theorien fehlgeleitet wird.

Manche buddhistische Lehrer und angebliche Meister verbergen nämlich ihre unreife Persönlichkeit hinter der Behauptung der eigenen Omnipotenz; sie erklären also, sie seien allmächtig und allwissend. Psychologisch betrachtet dürfte es sich dabei jedoch eher um narzisstische Störungen handeln, die zur Ich-Überhöhung sowie zur Entwertung der Schüler führen. Deren Entwertung und Erniedrigung werden sogar buddhistisch als Überwindung des „Ich-Wahns“ deklariert.

Dōgen ist der Überzeugung, dass es besser sei, überhaupt nicht den Buddha-Dharma zu studieren als bei falschen Lehrern zu lernen, weil dies in menschlichen Katastrophen enden könne. Daher sei die authentische Weitergabe des Buddha-Dharma von einem wahren Meister zu seinem Nachfolger von zentraler Bedeutung. Diese authentische Übermittlung der Lehre und Praxis lässt sich für jeden wahren Meister bis auf Gautama Buddha selbst zurückführen und ist in China und Japan sorgfältig dokumentiert. In der Linie Dōgens kommt vor allem den Meistern Nāgārjuna, Bodhidharma, Daikan Enō, Daishō und Tendō Nyojō eine herausragende Bedeutung zu; Dōgen bezeichnet sie als „ewige Buddhas“. Für die neuere Zeit möchte ich in dieser Linie die großen Meister Kodo Sawaki, Rempo Niwa und Nishijima Roshi nennen.

Dōgen betont, dass die Zazen-Praxis in einer Kette von Nachfolgern, die nicht ein einziges Mal unterbrochen wurde, immer authentisch übermittelt wurde, sodass sie bis in seine Zeit erhalten und lebendig geblieben ist.

„Nachdem der Vorfahre und Meister aus dem Westen kam, zerschnitt er direkt die Wurzel der Verwirrung und verbreitete den unverfälschten Buddha-Dharma.“

Dōgen bezeichnet hier den indischen Meister Bodhidharma, der zu Beginn des 6. Jahrhunderts nach China kam und dort als Erster die richtige Zazen-Praxis lehrte, als Vorfahren und Meister aus dem Westen. Nach der Zen-buddhistischen Überlieferung gab es in China zwar vorher schon Lehrer mit umfangreichen theoretischen Kenntnissen, es waren bereits viele Sūtras aus dem Sanskrit in das Chinesische übersetzt worden und es existierten auch Klöster mit vielen Mönchen. Aber der unverfälschte Buddha-Dharma aus der Praxis und Theorie einer verlässlichen Übertragungslinie war noch nicht nach China gelangt, bis schließlich Bodhidharma kam.

Nishijima Roshi bemerkt dazu: „In diesem Zusammenhang gilt, dass die Praxis des Zazen niemals eine Unterweisung mit Worten ist, sondern sie ist genau die tatsächliche Praxis.“

Die vor dem Eintreffen Bodhidharmas in China vorherrschenden theoretischen Lehren erzeugten mehr Verwirrung als Klarheit, sie widersprachen sich teilweise und waren sicher auch mit anderen philosophischen Aussagen, die zum Beispiel in der Tradition des großen chinesischen Weisen Laotse standen, vermischt. Aus den Schriften allein konnte man den Kern des Buddhismus also nicht erlernen, zumal sie nicht immer korrekt ins Chinesische übersetzt worden waren. Dazu benötigte man einen wahren Lehrer aus einer authentischen Übertragungslinie, bei dem die buddhistische Lehre, die Zazen-Praxis und das tägliche Handeln im Umgang mit den Menschen, der Natur und den Dingen im Einklang und im Gleichgewicht waren. Nach Nishijima Roshis Überzeugung hatte deshalb „Meister Bodhidharmas Reise nach China für den dortigen Buddhismus einen außerordentlich großen Wert und eine hohe Bedeutung und später wurde dies ein hervorragender wertvoller Beitrag für die Weltkultur.“

Dieser wahre und authentische Buddhismus wurde von Gautama Buddha an die großen Meister Mahâkâshyapa, Nâgârjuna und Bodhidharma weitergegeben, von diesem an den großen sechsten Nachfolger im Dharma von China, Daikan Enô, und schließlich zu Tendô Nyojô und Meister Dôgen, dessen unschätzbares Verdienst die umfassende und vor allem authentische Dokumentation des Zen-Buddhismus ist. Dôgen hatte die große Hoffnung, dass in seiner Zeit in seinem Land Japan das Gleiche geschehen würde wie 600 Jahre

 

Das richtige Sitzen im Samādhi

Den Zustand des Gleichgewichts bei der Zazen-Praxis bezeichnet Dōgen als „aufrechtes Sitzen im Samādhi des Empfangens und Benutzens des Selbst“. Dies sei unzweifelhaft der richtige Weg, um den Zustand der Verwirklichung und des Erwachens zu eröffnen. Da Dōgen fest davon überzeugt ist, dass es nur einen einzigen wahren Buddhismus gibt, gilt seine Aussage selbstverständlich sowohl für Indien, China und Japan als auch für die euro-amerikanische Kultur.

Für ihn ist es von zentraler Bedeutung, dass die „mystische und authentische Übertragung der feinen Methode“ direkt vom Meister auf den Schüler erfolgt und der Schüler damit die buddhistische Wahrheit empfängt. Die Übertragung müsse eins zu eins, das heißt von Angesicht zu Angesicht, geschehen und sei „das Höchste des Höchsten“. Er ergänzt sogar: „Nach der ursprünglichen Begegnung mit einem (guten) Lehrer müssen wir (daneben) niemals Räucherwerk brennen, Niederwerfungen machen, den Namen Buddhas zitieren, beichten, praktizieren oder Sūtras lesen.“ Diese erstaunlichen Äußerungen setzen klare Prioritäten für die Eins-zu-eins-Übertragung in einer authentischen Linie. Sicher will Dōgen damit nicht anregen, dass diese typisch buddhistischen zeremoniellen Tätigkeiten ganz abgeschafft werden sollten. Er betrachtet sie aber nur als stützendes Beiwerk und nicht als das Wesentliche auf dem Buddha-Weg. Leider ist es auch heute noch in manchen Zen-buddhistischen Gruppen zu beobachten, dass die bis ins kleinste Detail durchstrukturierten Abläufe der Zeremonien eine übergroße Bedeutung erlangt haben. Dann besteht die Gefahr, dass sie zum Selbstzweck werden und den wahren Kern des Buddhismus an den Rand drängen. Die Schüler müssen in diesem Fall einen komplizierten und langwierigen Lernprozess durchlaufen, um den zeremoniellen Ablauf zu erlernen. Stattdessen rät Dōgen, sich unbedingt einen verlässlichen, guten Lehrer zu suchen und im lebendigen Kontakt mit ihm sowie mithilfe intensiver Zazen-Praxis den Buddha-Weg zu gehen.

„Wenn ein Mensch auch nur für einen einzigen Augenblick Buddhas Haltung in den drei Formen des Verhaltens manifestiert, während er ganz aufrecht im Samādhi sitzt, nimmt die ganze Welt des Dharma Buddhas Haltung an und der ganze Raum wird der Zustand der Verwirklichung.“

Mit dieser außergewöhnlichen Formulierung erklärt Dōgen ganz eindeutig, dass der Mensch sich im Samādhi, also in der Haltung Gautama Buddhas, zusammen mit dem gesamten Universum der ganzen Welt verwirklicht[xxii]. Das können wir demnach als Verwirklichung von uns selbst verstehen.

Wenn es im obigen Zitat heißt, dass die ganze Welt des Dharma die Haltung Buddhas einnimmt, bedeutet dies, dass die Welt dann und nur dann in ihrer wahren Wirklichkeit zusammen mit uns selbst existiert. Das ist eine kühne und weitreichende Aussage! Dōgen bringt damit seine höchste Wertschätzung der Zazen-Praxis zum Ausdruck, denn die Verwirklichung des Menschen ist gleichzeitig die Befreiung von allen Täuschungen, Illusionen, von der Gier nach vordergründigen Vorteilen wie Ruhm, Geld, Macht, und Ansehen. Nishijima Roshi formuliert dieses Grundprinzip wie folgt: „Ein menschliches Verhalten kann das ganze Universum sofort verändern.“ Damit ist der Dualismus der üblichen Trennung von menschlichem Ich, der Umwelt und des Universums, und vor allem von anderen Menschen, überwunden und beendet. Dies ist die Kernaussage der buddhistischen Lehre und des buddhistischen Heilsweges, der uns aus der Umklammerung von Angst, Größenwahn und Leid befreit.

Die im obigen Zitat erwähnten drei Formen des Verhaltens bedeuten in der buddhistischen Lehre das Verhalten des Körpers, des Mundes beim Reden und des Geistes beim Denken. Diese drei Lebensbereiche werden nach Dōgen durch den Samādhi, also das Zazen, zur Wirklichkeit gebracht. Das heißt, unser Körper überwindet die Lebensphilosophie des Materiellen und unser Reden und Denken überwinden die eindimensionale Lebensphilosophie des Idealismus. Dies ist nach Gautama Buddha der wesentliche Schritt zur Emanzipation aus dem Teufelskreis des Leidens und so vieler schwerwiegender und oft nicht umkehrbarer Fehlentwicklungen in unserem Leben.

Nishijima Roshi betrachtet die Zazen-Praxis als das wahre und reine Handeln, das die Trennung von Subjekt und Objekt überwindet und dadurch den Zugang zur Wirklichkeit ermöglicht[xxiii]. Der Buddhismus geht also einen fundamentalen Schritt über intellektuelles Philosophieren sowie naturwissenschaftliches Beobachten und Denken hinaus, so wichtig beide Bereiche für den Menschen und die menschliche Gesellschaft sein mögen. Aber sie stellen jeweils nur Teilwahrheiten oder bestimmte Aspekte der Wahrheit dar und sind damit nur eine Teilsicht der Welt. Als solche müssen sie klar erkannt werden, damit man im Leben nicht in die Irre geht.

Dōgen unterstreicht in diesem ersten Teil des Kapitels immer wieder mit kraftvollen Worten die Bedeutung der Zazen-Praxis: Sie erhöhe die Dharma-Freude und erneuere die Großartigkeit der Verwirklichung zur Wahrheit. Körper-und-Geist würden beim Praktizieren unmittelbar klar und rein. Dies sei die große Erfahrung der Befreiung und dadurch verwirkliche sich der natürliche, ursprüngliche Zustand des Menschen. Es gehe dabei nicht um das Ansammeln von Erfahrung und die rückwärtsgewandte Erinnerung, sondern um das unmittelbare Erleben im Augenblick selbst: „(Diese Menschen) sitzen aufgerichtet als Könige des Bodhi-Baumes, in einem Augenblick drehen sie das große Dharma-Rad, das der unübertroffene Zustand des Gleichgewichts ist, und sie legen den höchsten natürlich-schlichten und tiefgründigen Zustand der Prajnya-Weisheit dar.“

Die Wirkungen der Zazen-Praxis

Die Praxis übt einen sehr starken und nachhaltigen Einfluss auf den Praktizierenden aus. Nach Dōgen folgt der wahre, im Gleichgewicht befindliche Zustand „den Wegen der intimen und mystischen Zusammenarbeit, sodass dieser Mensch, der unerschütterlich im Zazen sitzt, frei wird von Körper und Geist.“ Dadurch werden unreine, also mit der Ethik und Moral nicht übereinstimmende Sichtweisen „abgeschnitten“ und man erfährt und erlebt den Buddha-Dharma in seiner natürlichen und reinen Weise. Wenn wir im Zazen sitzen, kann man dies als Sitzen in der buddhistischen Wahrheit verstehen und dieser Einfluss verbreitet sich laut Dōgen nachhaltig und kraftvoll in der Welt. Damit werde auch der höchste Zustand der Buddhas weiter angehoben.

Anschließend bezieht er in der für den Zen typischen Weise die konkrete Wirklichkeit des Alltags ein:

„Zu dieser Zeit vollendet alles im Universum in den zehn Richtungen die Arbeit Buddhas: Boden, Erde, Gras und Bäume, Zäune, Mauern, Ziegel und Kieselsteine.“

Diese Formulierungen greifen den zentralen Ansatz des vorigen Kapitels Genjō-kōan über die Verwirklichung des Universums auf, nämlich dass sich durch unsere eigene Zazen-Praxis in der richtigen und reinen Form das Universum und wir selbst uns verwirklichen. Eine Wirklichkeit sei, so Dōgens Botschaft, ohne diesen Gleichgewichtszustand in der Praxis gar nicht möglich und Nishijima Roshi ergänzt, dass sonst nur im Denken und in den Ideen „gelebt“ würde.

Dōgen findet hier Worte von großer Prägnanz, wenngleich die Aussagen für uns westliche Menschen gewiss zunächst neu und überraschend sind. Es geht dabei um die Einheit der konkreten Dinge und Phänomene, die in der obigen Aufzählung enthalten sind, und somit um die einheitliche mystische Kraft des Buddha-Dharma in der Wirklichkeit der Praxis.

Dōgen verstärkt im Folgenden seine Ausführungen noch:

Diesen Menschen, die das Gute empfangen, das auf diese Weise von Wind und Wasser erzeugt wird, wird auf unerklärliche Weise geholfen durch den feinen und durch Denken nicht erfassbaren Einfluss Buddhas. Und sie zeigen den unmittelbaren Zustand der Verwirklichung.“

Besonders interessant ist bei diesem Zitat die Erwähnung des Windes und des Wassers, die im Allgemeinen nur als materielle Elemente angesehen werden. Dōgen möchte hier jedoch über die materielle Dimension hinausweisen, ohne diese auszuklammern und abzuwerten. Wind und Wasser werden als Wirklichkeit unmittelbar und in mystischer Einheit mit dem Buddha-Dharma erlebt und erfahren. Mit dem Begriff Mystik ist aber keineswegs etwas Dumpfes, Mythisches oder Magisches gemeint. Im Gegenteil: Er bezeichnet sozusagen das geheimnisvoll Natürliche, das nicht an materielle Formen und Strukturen gebunden ist, sondern im höchsten Zustand der Praxis im Augenblick Klarheit und Kraft verwirklicht.[xxiv] Und die Menschen, von denen im obigen Zitat die Rede ist, seien mit Buddhas großer Tugend ausgestattet, was sie in die Lage versetze, ihr Handeln in bemerkenswerter Weise auszuweiten und voranzubringen: „Sie durchdringen das Innere und Äußere des ganzen Universums mit dem Buddha-Dharma, der grenzenlos, ohne Verschwinden, undenkbar und nicht berechenbar ist.“

In diesem theoretischen Teil zur Zazen-Praxis, zum Gleichgewicht und zur Verwirklichung gibt sich Dōgen nicht mit „kleinen“ Vorstellungen und Worten zufrieden. Da er jede romantische Übertreibung ablehnt, müssen wir annehmen, dass er hier aus eigener tiefer Erfahrung spricht. Er wiederholt nicht das, was er von anderen gelernt hat, was er vom Hörensagen kennt oder was in romantisierenden Schriften zu lesen ist. Wie Nishijima Roshi häufig betont, zeichnete Dōgen ein hohes Maß an Ehrlichkeit und nüchterner Selbstanalyse aus.

„(Der Zustand) wird nicht durch die Sichtweise dieser individuellen Menschen selbst getrübt, sondern ist wegen des Zustandes in der Ruhe ohne absichtliche Aktivität die direkte Erfahrung.“

Nach Nishijima Roshi geht es hierbei um den absoluten Unterschied zwischen Handeln in der Wirklichkeit einerseits und Denken sowie Wahrnehmung andererseits. Die sogenannte „individuelle“ Sichtweise der Menschen ist nämlich meist durch subjektives Denken, Fühlen und subjektive Wahrnehmung verzerrt oder, wie es hier heißt, getrübt und daher verdunkelt. Dadurch wird der Zugang zur heilenden Wirklichkeit ganz oder teilweise versperrt. Aber Zazen darf keine selbstsüchtige oder, wie Dōgen es formuliert, absichtliche Aktivität sein, die mit ganz bestimmten Erwartungen verbunden und zum Beispiel auf die eigene großartige Erleuchtung fixiert ist. Die direkte Erfahrung der Einheit in der Wirklichkeit kann sich nur ereignen, wenn es in der Ruhe des Zazen keinen Ehrgeiz und keine Intention gibt. Zudem ist die richtige körperliche Haltung maßgeblich, das heißt, die körperliche Komponente ist ein wesentlicher Teil der Übung und kann nicht vom Geistigen und Psychischen getrennt werden. Körper-und-Geist bilden in der richtigen Zazen-Haltung mit der Welt und dem Universum eine umfassende Einheit und sind die Wirklichkeit.

Die Einheit von Praxis und Erfahrung

Auch die Einheit von Praxis und Erfahrung muss nach Dōgen unbedingt gewahrt bleiben. Das hat er im Fukan zazengi[xxv] ebenfalls unmissverständlich beschrieben. Wenn die Praxis mit dem Ehrgeiz betrieben wird, später die große Erleuchtung zu erlangen und damit „in die höchste Klasse“ der Buddhisten aufzusteigen, dann bezeichnet Dōgen dies als Beschmutzung und als negative Emotionen, die gerade den freudigen Zustand des Gleichgewichts verhindern.

Geist, Psyche und externe Welt bilden in der Zazen-Praxis eine Einheit, die den Dualismus überwunden hat. Dies nennt Dōgen den Zustand „das Selbst zu empfangen und zu benutzen“. Dabei werden die Umwelt, die anderen Menschen und wir selbst nicht in Turbulenzen und Verwirrungen verstrickt, sondern alle erleben im Gegenteil die Freude und den Frieden des Buddha-Dharma. Dōgen betont, dass sich dann die alltäglichen Dinge unserer Umgebung, nämlich das Gras, die Bäume, der Boden, die Erde usw. verwirklichen und „Strahlen aussenden“. Er fügt sogar hinzu, dass sie uns den Buddha-Dharma lehren, dass also die Natur direkt die buddhistische Wahrheit verkündet. Dies wird in einem gesonderten Kapitel im Einzelnen ausgeführt, wobei Dōgen das Beispiel der Natur und der nicht-empfindenden Wesen verwendet, um die Freude, Ruhe und die Freiheit von emotionalen Turbulenzen und chaotischen Gefühlszuständen zu benennen[xxvi]. Die Welt des eigenen Bewusstseins und die externe Welt seien dann ohne Mangel und es fehle uns an nichts.

 

Die wunderbare Einheit mit dem Universum

Dōgen beschreibt Zazen als einen Zustand von hoher Qualität, den er auch als hohes Niveau des Lebens bezeichnet.

Das hohe Niveau des Zustandes der wirklichen (und wahren) Erfahrung erlaubt keinen müßigen Augenblick, wenn er (tatsächlich) aktiv ist.“

Dieser Zustand ermöglicht die aktive und ungetrübte Entfaltung jedes einzelnen Augenblicks und führt dazu, dass kein einziger Augenblick sinnlos verschwendet wird. Häufig treiben die Menschen jedoch ihre Aktivitäten aufgrund falscher und vordergründiger Absichten und gegen die tiefere Vernunft voran. Dann gehen die Augenblicke der Wirklichkeit verloren. Die Folgen sind entweder träge Unbeweglichkeit oder hektische Betriebsamkeit – beim Handeln können dann im Gegensatz zur Zazen-Praxis die notwendige Ruhe und das innere Gleichgewicht nicht wirksam werden.

„Zazen eröffnet auf diese Weise eine wunderbare und mystische Zusammenarbeit mit allen Dharmas (der Welt) und durchdringt vollständig alle Zeiten, auch wenn es nur ein Mensch ist, der einen Augenblick lang sitzt.“

Dōgen unterstreicht hier wieder die Überwindung des Dualismus, wodurch die „wunderbare und mystische Zusammenarbeit“ mit allen Dingen und Phänomenen (Dharmas) der Welt verwirklicht wird. Der Begriff „Zusammenarbeit“ bedeutet, dass es sich nicht um passives oder gar träges Herumsitzen und um Zeitvertreib beim Zazen handelt, sondern um befreites und befreiendes Tun und Handeln. Dieses ist nach Dōgen nicht mit dem denkenden Verstand zu erfassen, sondern wird als mystisch und geheimnisvoll bezeichnet und überschreitet das dualistische und unterscheidende Denken. Die übliche Zeiteinteilung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird im Augenblick der Zazen-Praxis ebenfalls überschritten[xxvii]. Das Erstaunliche bei diesem Zitat ist die Aussage, dass bereits die richtige Zazen-Praxis eines einzigen Menschen all dies bewirkt.

„(Die Zazen-Praxis) vollzieht damit die ewige Arbeit der Buddhas im grenzenlosen Universum und deren prägenden Einfluss in der Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. Für alle Menschen ist es vollständig dieselbe Praxis und Erfahrung.“

Die im Zazen verwirklichte Einheit des Menschen mit den anderen Menschen und dem Universum steht im obigen Zitat noch einmal im Mittelpunkt. Nishijima Roshi formuliert es so, dass alle Menschen in der ganzen Welt, die im selben Augenblick Zazen praktizieren, diese Einheit mit dem Universum gemeinsam und in der vollständig gleichen Art und Weise erfahren. Da heute eine globale Kommunikation mithilfe der modernen Techniken des Internets, Telefonierens und auch von Flugreisen möglich ist, haben diese Ausführungen Dōgens nun eine völlig neue Aktualität und Bedeutung erhalten. Denn es eröffnen sich tatsächlich neue großartige Möglichkeiten, trennende Grenzen zwischen den Menschen in der Welt zu überwinden.

Es ist für mich keine Frage, dass auch die trennenden Grenzen zwischen den Religionen überwunden werden können und müssen.

Die Praxis ist nicht durch das Sitzen selbst begrenzt, sondern sie schlägt den (großen) Raum an und klingt wie das Anschlagen der Glocke, das sich vor und nach dem Glockenschlag fortsetzt.“

In diesem Gleichnis wird die Wirkung der Zazen-Praxis poetisch auf den Punkt gebracht: Wenn wir morgens und abends Zazen praktizieren, bleibt die Wirkung auch in der Folgezeit erhalten und verleiht uns Klarheit und Handlungsfähigkeit im Alltag. Nishijima Roshi nennt dies die dauernde Kraft des Zazen: „Der Einfluss der Zazen-Praxis ist niemals auf die Zeit begrenzt, in der man tatsächlich Zazen praktiziert.“ Durch die morgendliche Zazen-Praxis ist es zum Beispiel möglich, die beruflichen und familiären Aufgaben besser und zügiger zu bewältigen. Besonders psychische Probleme wie die Über- oder Unterschätzung der eigenen Möglichkeiten können durch die Zazen-Praxis behoben werden; hektische Betriebsamkeit oder pessimistische Untätigkeit werden wirksam und nachhaltig überwunden. Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Vor allem im Berufsleben treten heute häufig gravierende Versagensängste auf, umgekehrt führt auch eine Selbstüberschätzung zu unvernünftigem und der Situation und Sache nicht angemessenem Handeln, was nicht selten in einem Desaster endet. Beides wird durch den Mittleren Weg und die Zazen-Praxis in ein kraftvolles und tatkräftiges Gleichgewicht gebracht.

Zum Schluss der Ausführungen zu diesem Thema betont Dogen noch, dass selbst zahllose Buddhas mit all ihrer Kraft und großen Buddha-Weisheit nicht ermessen könnten, was das Gute und die Tugend der Zazen-Praxis eines einzigen Menschen ist. Wesentlich ist dabei das Wort „ermessen“, das auf die materielle Dimension der Zahlen, Berechnungen und Kalkulationen der Menschheit hinweist. Die wahre Praxis kann laut Dōgen dadurch nicht erfasst und nicht im Entferntesten ausgelotet werden.

 



[i] Kap. 1, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 26 ff.: „Ein Gespräch über das Streben nach der Wahrheit (Bendōwa)

[ii] Kap. 72, ZEN Schatzkammer, Bd. 3, S. 103 ff.: „Die Zazen-Praxis ist der König der Samādhis (Zanmai ō zanmai)

[iii] Fukan zazengi in: Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 134

[iv] Kap. 18 und 19, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 161 ff.: „Der Geist kann mit dem Verstand nicht erfasst werden (Shin fukatoku)

[v] Freud, Sigmund: Psychologie des Unbewussten, Bd. III, Fischer Verlag 1975

[vi] Kast, Verena: Neid und Eifersucht, Die Herausforderung durch unangenehme Gefühle, Deutscher Taschenbuch Verlag 2009

[vii] Kap. 15, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 141 ff.: „Die Buddhas und Vorfahren im Dharma (Busso)“;

Kap. 16, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 145 ff.: „Das Dokument der Nachfolge im Dharma (Shisho)“;

Kap. 46, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 178 ff.: „Das Gleichnis der Verflechtung für die Dharma-Übertragung (Katto)

[viii] Kapitel 70, ZEN Schatzkammer, Bd. 3, S. 89 ff.: „Die Erweckung des Bodhi-Geistes (Hotsu bodaishin)

[ix] Kapitel 27, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 240 ff.: „Die heilende Bambusnadel der Zazen-Praxis (Zazenshin)“

[x] Nishijima, G. W.: Begegnung mit dem wahren Drachen, deutsche Übersetzung: Yudo J. Seggelke, DONA-Verlag 2008, S. 88

[xi] Nishijima, G. W.: Internet-Blog der Dogen Sangha, deutsche Übersetzung, http://gudoblog-d.blogspot.com/

[xii] Fukan zazengi in: Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 134

[xiii] Kast, Verena: Freude, Inspiration, Hoffnung, Patmos Verlag 2008

[xiv] Fukan zazengi in: Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 131 ff.

[xv] Fukan zazengi in: Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 127 ff.

[xvi] Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 149 f.

[xvii] Kap. 27, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 240 ff.: „Die heilende Bambusnadel der Zazen-Praxis (Zazenshin)

[xviii] Kap. 21, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 182 ff.: „Die wahre Bedeutung des Sūtra-Lesens (Kankin)

[xix] Herrigel, Eugen: Zen in der Kunst des Bogenschießens. Der Zen-Weg, Fischer Taschenbuch Verlag 2005

[xx] Kap. 40, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 133 ff.

[xxi] Nishijima, G. W.: Begegnung mit dem wahren Drachen, deutsche Übersetzung: Yudo J. Seggelke, DONA-Verlag 2008

[xxii] Kap. 3, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 43 ff.: „Das verwirklichte Leben und Universum (Genjō-kōan)“; siehe auch die ausführlichen Erläuterungen im ersten Teil dieses Buches.

[xxiii] Kap. 23, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 202 ff.: „Wahres und reines Handeln der Buddhas (Gyōbutsu yuigi)

[xxiv] vgl. Kap. 53, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 246 ff.: „Die Natur und die nicht-empfindenden Wesen lehren den Buddha-Dharma (Mujō seppō)

[xxv] Fukan zazengi in: Nishijima, G. W.: Aus meinem Leben, Wirklichkeit und Buddhismus, DONA-Verlag 2010, S. 127 ff.

[xxvi] Kap. 53, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 246 ff.: „Die Natur und die nicht-empfindenden Wesen lehren den Buddha-Dharma (Mujō seppō)

[xxvii] Kap. 11, ZEN Schatzkammer, Bd.1, S. 110 ff.: „Die Sein-Zeit der Wirklichkeit im Hier und Jetzt (Uji)