Sonntag, 8. November 2015

Die Wieder-Entdeckung der Mitte

Kaccānagotta suttaṃ
(Aus meinem neuen Buch "Sternstunden des Buddhismus")

Wir sind heute mehr denn je in Gefahr, von einem Extrem ins andere zu fallen, und dabei werden wir immer unruhiger und zielloser. Die Extrem-Berichterstattung der Massenmedien verunsichert dabei zusätzlich, gewollt oder nicht. Im Ausland wird das die German Angst genannt, aber solche latente permanente Angst gibt es sicher in allen Industrienationen, gepaart mit dem geistigen Zerhacken des Multitasking und der Cyber-Sucht. Keine Frage: Wir müssen unsere Mitte wieder-entdecken.

Was kann nun der Buddhismus zur Lösung dieses Problems beitragen? Es heißt doch, dass durch Buddha und den großen indischen Meister Nâgârjuna der Mittlere Weg gelehrt wurde. Um der hoch brisanten Frage unserer verlorenen Mitte nachzugehen, haben ich den wohl wichtigsten Text Buddhas zu diesem Problem vertieft analysiert und bin dabei auf den Urtext des suttas der Lehre für Kaccāna zurückgegeangen. Peter Gäng hat mir dafür dankenswerter Weise seine sehr wörtliche Übersetzung aus dem altindischen Pali, der Sprache Buddhas, zur Verfügung gestellt, die ich modifiziert und als Ausgangspunkt für diesen Text verwendet habe. Ich halte diese Arbeitsweise der präzisen Übersetzung für sehr wichtig ja notwendig, um unsachgemäße Verkürzungen und Veränderungen auszuschalten, die sich in jeder Tradition oft unerkannt einschleichen. Der Buddhismus macht dabei keine Ausnahme.

Wie es heißt, begab sich ein Mitglied des Hauses Kaccāna zu Buddha, der in dem Ort Savatthi weilte, um ihn zur Bedeutung der rechten Sichtweise in seiner Lehre zu befragen. Der Ausdruck der „rechten Sichtweise“ erscheint u. a. als erstes Glied des Achtfachen Pfades und ist dort die wesentliche Grundlage der sieben weiteren Glieder. Und es fragt sich in der Tat, was mit rechter Sichtweise eigentlich gemeint ist. Auch im fundamentalen Text des Mittleren Weges von Meister Nâgârjuna, MMK, kommt dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu, nicht zuletzt weil in einem Kapitel dieses fulminanten Werkes, und als einziges explizit, auf diese sutta verwiesen wird. Es ist daher auch ein wesentlicher Schlüssel für das ganze Werk des berühmten MMK. Die falschen Sichtweisen und falsche Doktrinen aus der Sicht Buddhas werden zudem im MMK in anderen Kapiteln beschrieben.

Die rechte Sichtweise beschreibt konkret, genau das, was man mit dem rechten Geist und der rechten Wahrnehmung in dieser Welt sieht und erkennt. Was Buddha mit „recht“ ausdrückt, werde ich noch kurz erläutern. Im englischen Sprachraum wird für eine derartige pragmatische Sichtweise häufig der Begriff „empirisch“ verwendet, der allerdings m. E. im deutschen Sprachraum sehr eng für quantitative naturwissenschaftliche Analysen und Forschung verwendet wird. Ich halte ihn daher für weniger geeignet. Er wäre in der Lehre der vier Lebens-Philosophien Nishijima Roshis die materielle Sicht, die als Teil-Wahrheit und Teil-Realität einzustufen ist.
Der Gegensatz hierzu wird im englischen Sprachraum meistens als „metaphysisch“ bezeichnet und bedeutet dort nicht empirisch oder pragmatisch sondern spekulativ, ideologisch und realitätsfremd. Metaphysische Zusammenhänge können in dieser Terminologie weder beobachtet noch erfahren werden.

Ich möchte im Deutschen dieses Begriffs-Paar nicht verwenden, da die Empirie in der kontinentalen Philosophie eine andere und viel zu enge Bedeutung für Buddhas Texte hätte. Die Metaphysik wird im angelsächsischen Bereich im Allgemeinen heftig, grundsätzlich kritisiert und wenig beachtet, während sie in der europäischen Philosophie eine hohe Bedeutung hat und zur Abgrenzung gegenüber der Naturwissenschaft und Technik verwendet wird. Wir möchten daher in Deutsch den Begriff der Phänomenologie verwenden, der eine sehr genaue Beobachtung beinhaltet aber nicht  durch zu enge quantitative Aussagen nach Zahl, Maß und Gewicht beschränkt ist.

Die Phänomenologie verliert sich aber nicht in reinen Spekulationen und romantischen Fantasien, die im englischen Sprachraum etwa mit Metaphysik gekennzeichnet werden. Nâgârjuna geht nämlich im MMK recht pragmatisch und nüchtern vor, er verfällt aber auch nicht in eine zu enge materielle Sicht und verliert sich schon gar nicht in Spekulationen und romantischen Ideologien. Typische Begriffe für ihn sind „wird nicht gefunden“ und „wird gezeigt“ und kennzeichnet seine pragmatisch nüchterne Beobachtung. Falsifizierungen, die in sich widersprüchlich und unlogisch sind, werden bei ihm dagegen meistens als „passt nicht“ gekennzeichnet.

Kernpunkte dieses suttas, was die rechte Sichtweise ist, sind die Aussagen Buddhas über Existenz und Nicht-Existenz.
Nun zum authentischen Text:
Buddha weilte in Sāvatthi.
Da nun begab sich der ehrwürdige Spross aus dem Hause Kaccāna dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfürchtig begrüßt hatte, setzte er sich zu seiner Seite nieder.
An der Seite sitzend, sprach nun der ehrwürdige Spross aus dem Hause Kaccāna zum Erhabenen also:

"Rechte Sichtweise, rechte Sichtweise, Herr, sagt man. Was, Herr, ist nun die rechte Sichtweise?"

Buddha antwortete:

"Die Welt ist üblicherweise auf zwei Bereiche und Ansichten gestützt, verehrter Kaccāna:
- auf  die Ist-heit (unveränderliche Existenz)
- auf  die Nicht-ist-heit (Nicht-Existenz, das Nichts).“

Im Buddhismus gibt es die Grundwahrheit, dass sich alles verändert, im Wandel ist und dass es nichts Dauerhaftes und Ewiges gibt. Das mag Idealisten und Romantiker vielleicht enttäuschen, aber leuchtet bei klarer Betrachtung der Wirklichkeit direkt ein: besonders für Lebewesen, die sich selbst dauernd verändern, einen Stoffwechsel haben, eine Informations-Verarbeitung im zentralen Nervensystem oder auch nur steuernde Ganglien im Rückenmarks besitzen. Aber die Veränderung gilt natürlich auch für die Materie. Wir wissen, dass unsere Erde etwa sechs Milliarden Jahre alt ist und sich dauernd verändert. Dazu gehören nicht nur Vulkanausbrüche, Wärme- und Kaltperioden, sondern auch Katastrophen wie die Sturmfluten, Tsunamis, Hurrikans, Einschläge von Meteoriten usw.

Jeder der die Welt beobachtet und nur etwas darüber nachdenkt, wird dem zustimmen, dass es über längere Zeitperioden immer Veränderungen gibt. Diese können beim Menschen Veränderungen zum Schlechteren, zum Beispiel bei Krankheiten, Trennungen, depressiven Phasen oder Verarmungen sein, es können aber auch Veränderungen zum Besseren sein, zum Beispiel durch Lernprozesse, Befreiungsprozesse, materiellen Fortschritt, eine neue gute Partnerschaft, Genesung usw..

Es ist klar, dass es keine dauerhafte unveränderliche Existenz in der Welt geben kann, weder bei der Materie noch bei den Lebewesen. Nur wenn man sich eine ideelle oder religiöse Andersartigkeit vorstellt, zum Beispiel einen Gott, den Aristoteles den „Unbewegten Beweger“ nennt, gäbe es dauerhafte Existenz. Buddha und Nâgârjuna konzentrieren sich jedoch auf diese Welt der Beobachtungen und Erfahrungen unseres Lebens, in dem es eben keine dauerhafte Existenz gibt.

Buddha erläuterte dem verehrten Kaccāna nun diese beiden extremen Alternativen, die sich vielleicht einfach anhören, aber nicht so einfach zu verstehen sind, wie man zunächst annimmt. Sie sind für die fundamentale Lehre des Mittleren Weges aber von größter Bedeutung und wesentliche Grundlage des MMK von Nâgârjuna.

Buddha erläuterte:
„Jemand betrachtet mit rechter Erkenntnis das Entstehen der Welt, wie sie geworden ist. Für ihn ereignet sich richtiger Weise nicht dasjenige, was in der Welt die Sichtweise der Nicht-Existenz genannt wird. Es ereignet sich kein Entstehen aus der Nicht-Existenz.
Das wäre nämlich die extreme Ansicht des Nichts.“

Was mit der extremen Ansicht der einseitigen Existenz gemeint ist, die vermieden werden soll, wird noch genauer untersucht.

Philosophisch nicht weniger schwierig ist die Frage, was es mit der Nicht-Existenz auf sich hat. Das wäre nämlich das Nichts und könnte unbemerkt in einen diffusen Nihilismus abgleiten. Aber lässt sich das Nichts beobachten und erfahren?

Nach meiner Ansicht ist so ewas in der Wirklichkeit kaum möglich, sondern es ist lediglich als Kontrast zu der Realität und als Idee und Denken in unserem Gehirn möglich. Das Nichts macht auf der Wort- und Denk-Ebene Sinn als Gegenpol zur erfahrbaren Wirklichkeit. Es macht aber wenig Sinn zu behaupten, es gebe überhaupt nichts auf der Welt, es gebe daher keine Realität und keine Wahrheit. Ein solcher Nihilismus ist zudem äußerst unpraktisch und führt in die Verwirrungen oder in Schein-Argumentationen. Die Lösung des Nihilisten wäre nur der Suizid.

Schon Aristoteles empfahl, dass man mit einem Nihilisten, der behauptet, es gäbe keine Wirklichkeit, ins Gebirge an eine steile Schlucht gehen solle und ihm sagen: Es gibt wie Du sagst keine Wirklichkeit, dann mach doch einen Schritt vorwärts, weil es ja den Abgrund und die steile Klippe vor dir gar nicht gibt. Kein Mensch, der nicht Suizid begehen will, würde einen solchen Schritt tun. Wenn er aber den Schritt nicht tut, hat er seine eigene Weltanschauung eines Nihilisten ad absurdum geführt.

Buddha erläutert die Nicht-Existenz in dem ersten Teil seiner Antwort für den jungen Kaccāna. Er benutzt dabei die Begriffe „rechte Erkenntnis des Entstehens in der Welt“, hat daher ein Weltbild der positiven Veränderungen und Prozesse und nicht der unveränderlichen Entitäten und Substanzen zu Grunde gelegt. Dies nennt er die rechte Erkenntnis des Entstehens.

Die Sichtweise der Nicht-Existenz lehnt Buddha hier eindeutig ab und präzisiert, dass dies besonders wichtig ist, wenn man das Entstehen bedenkt und es genau beobachtet. Es ist also nicht sinnvoll, wenn wir sagen, es entsteht irgendwas aus dem Nichts und aus der Nicht-Existenz. Denn in den Prozessen und Abläufen auf der Welt gibt es immer ein Vorher, aus dem sich das Nachfolgende entwickelt. Dies gilt insbesondere im wechsel-wirkenden Entstehen, das in der Präambel des MMK genannt wird. Wenn man daher das Entstehen in dieser Welt beobachtet und selbst erfährt, ist es unsinnig zu sagen, dass es sich aus einer Nicht-Existenz entwickelt.


Buddha fährt fort:
„Jemand betrachtet mit rechter Erkenntnis das Vergehen der Welt, wie sie geworden ist. Für ihn ereignet sich richtiger Weise nicht dasjenige, was in der Welt die Sichtweise der Existenz genannt wird. Es ereignet sich kein Vergehen aus der Existenz.“

Etwas dauerhaft Existierendes, also die Sichtweise der Existenz, ist ebenfalls nicht zu beobachten und nicht erfahrbar. Daher ist es unsinnig zu sagen, dass etwas vergeht, das vorher eine dauerhafte Existenz hatte, denn dieses ist ein Widerspruch in sich: Wenn etwas existiert und dauerhaft da ist, kann es sich nicht verändern und nicht vergehen. Nâgârjuna untersucht an vielen Stellen im MMK die Weltanschauungen einer dauerhaften Existenz oder Substanz, die unveränderlich sei und zudem isoliert für sich allein existieren könne. So etwas ist nicht zu beobachten und kann auch nicht erfahren werden.

Das wäre nämlich die extreme Sicht einer ewigen dauerhaften Ich-Substanz wie der altindische Glaube des âtman.
Eine solche extreme Sichtweise der Existenz ist ebenfalls zu vermeiden

Beide Extreme der Nicht-Existenz und der Existenz müssen in der Lebenspraxis vermieden werden. Sie sind Denk-Konstrukte unseres Gehirns, die sich von der Wirklichkeit und der Wahrnehmung entfernt haben und können bei genauer Beobachtung ohne Vorurteile in der Welt nicht gefunden werden. Eine solche Sichtweise und gründliche Analyse möchten wir phänomenologisch nennen. Dass MMK ist also die Phänomenologie des Mittleren Weges ohne die Extreme der Existenz und Nicht-Existenz.

Diese beiden Extreme können in der Welt nicht beobachtet werden und sind real nicht erfahrbar. Gleichwohl ist immer wieder eine Tendenz festzustellen, in diese beiden Extreme zu verfallen und damit die Prozesshaftigkeit und Vernetzung zur Welt außer Acht zu lassen. Das ist nicht zuletzt eine Fiktion, die vor Allem durch unsere Sprache bedingt ist. Durch diese mangelnde Fähigkeit, die Realität zu sehen und zu erfahren wie sie ist, entstehen für uns Menschen große Gefahren, die zu Leiden und Schmerz führen. Unseres Erachtens ist dies genau der Grund, warum Gautama Buddha die altindische Vorstellung eines unveränderlich existierenden Selbst, des Ich-âtman, abgelehnt hat. Sie schadet den Menschen viel mehr als sie nützt.

Buddha erläutert weiter:
„Kaccāna, diese Welt ist ja zumeist durch Aufsuchen, Ergreifen und Dabei-Verharren gefesselt.
Jemand hat aber nun die rechte Sichtweise, der jenes Aufsuchen und Ergreifen, das Darauf-Richten und Einengen des Denkens, sein Eindringen und Darin-Beharren gerade nicht aufsucht, nicht ergreift, und sich nicht darauf richtet.
Denn die rechte Sichtweise ist: „Dies ist nicht mein Ātman“ und nicht meine dauerhaften Selbst-Existenz oder Ich-Substanz.

Buddha fasst noch einmal zusammen, dass es der prozesshaften realen Welt nicht entspricht, wenn wir etwas als Dauerhaftes ergreifen wollen und uns damit der natürlichen Veränderung entgegenstemmen. Eine solche Weltanschauung erlaubt selbstverständlich keine Lernprozesse, deren typisches Merkmal ja gerade die positive Veränderung zum Besseren ist.

Der Glaube oder die Sucht nach Unveränderlichkeit und Dauerhaftigkeit ist also eine Sackgasse, die zu Leiden, Verkrampfungen und psychischen sowie physischen Schmerzen führen muss. Das Gegenteil davon ist eine lebendige Entwicklung, die heute gern als Flow bezeichnet wird. Dabei ist entscheidend, dass der Mensch sich in diesem Fließen und in dieser Veränderung wohl fühlt und vor allem Entwicklungs-Prozesse nicht nur laufen lässt, sondern aktiv und auch bewusst steuert: Wir brauchen für unsere Veränderungen eine wirkungsvolle Selbst-Steuerung.

Buddha fährt zu Kaccāna gewandt fort:
„Leiden ist eben, was entstehend entsteht, Leiden ist eben, was vergehend vergeht.“

Leiden ist also kein Ding und keine dauerhafte Entität und entsteht und vergeht bei dem Prozess des Leidens.

„Dies ist rechte Sichtweise für jemanden, der nicht unsicher ist, nicht zweifelt und dessen Wissen nicht von Anderem abhängig oder durch Andere bedingt ist.

Buddha kommt damit auf das Leiden zu sprechen und sagt, dass es wie jeder lebende Prozess entsteht und vergeht. Das bedeutet, dass wir das Entstehen soweit wie irgend möglich frühzeitig beobachten und vermeiden und das Vergehen des Leidens aktiv erlernen und unterstützen sollten. Diese Prozesse werden von Buddha den erstarrten Weltanschauungen von Existenz und Nicht-Existenz gegenüber gestellt. Wer erkannt und wirklich realisiert hat, dass es derartige Veränderungen zum Besseren gerade beim Leiden gibt, braucht zudem Stabilität und innere Sicherheit, um sinnvoll zu leben. Diese Stabilität lernt man vor Allem durch regelmäßige Meditation. Ein solcher Mensch ist also nicht unsicher und zweifelt nicht, ist nicht von anderen abhängig und nicht durch Ideologien und starre Weltanschauungen festgelegt.

„'Alles existiert', Kaccāna, ist das eine extreme Ende. 'Alles existiert nicht', ist das andere extreme Ende. Diese beiden Extreme vermeidend, verkündet der Tathāgata seine Lehre der Mitte zwischen diesen beiden extremen Enden“:

Und wie entwickelt sich nun die gesamte Masse des Leidens aus dem Nichtwissen und aus den beiden Extremen?

- Das Nichtwissen bedingt die formenden Kräfte
- die formenden Kräften bedingen das Bewusstsein,
- Bewusstsein bedingt Name und Form,
- Name und Form bedingen den sechsfachen Bereich der Wahrnehmung,
- der sechsfache Bereich bedingt die Berührung,
- die Berührung bedingt Gefühl und Empfindung,
- Gefühl und Empfindung bedingen den Durst,
- der Durst bedingt das Anhaften,
- das Anhaften bedingt das Werden,
- das Werden bedingt die Geburt,
- die Geburt die ganzen Nöte und Störungen von Altern und Sterben,
 Kummer, Klagen, Leiden.
- So geschieht das Entstehen der gesamten Masse des Leidens.“

Nachdem Buddha geklärt hat, dass die Weltanschauung sowohl der Existenz und als auch der Nicht-Existenz unbrauchbar sind und dass Abhängigkeiten und gieriges Ergreifen ebenfalls ins Unglück führen, erläutert er in der folgenden Einteilung und Abfolge von zwölf Gliedern die Zusammenhänge im realen Leben der Menschen. Er spricht zunächst davon, wie Menschen sich in ihrer Entwicklung verengen, verhärten, erstarren und wie die „gesamte Masse des Leidens“ entsteht.

Diese Kette von Zusammenhängen wird in einigen Traditionen mit dem Glauben an eine Wiedergeburt und eine Folge verschiedener Leben verbunden. Mir erscheint es allerdings stimmiger und praktikabler die Abfolge auf ein einziges Leben beziehen. Das hat den Vorteil, dass wir die Schritte der Abhängigkeiten oder im Gegenteil der Befreiung klarer beobachten und erfahren können. Sicher ist für die meisten von uns ein wirklich sonnenklares Wissen aus früheren Leben kaum erreichbar. Auch Buddha selbst hat uns eindringlich davor gewarnt, uns viel mit den beiden Fragen zu beschäftigen: „Was war ich im früheren Leben“ und „was werde ich im nächsten Leben sein“. Das führt leider schnell zu ausufernden Spekulationen und auch zum Macht-Missbrauch spiritueller Eliten.

Dieser Ablauf, der ins Leiden führt, wird in einigen Traditionen von den obigen Aussagen Buddhas dieses Textes abgekoppelt. Dem folge ich nicht. Denn der negative Ablauf vollzieht sich nach diesem sutta gerade, wenn wir von den Ideologien der Extreme von Existenz und Nicht-Existenz abhängen und wenn wir durch die drei buddhistischen Gifte Gier, Hass und Verblendung unsere Selbst-Steuerung verloren haben und erstarren. Wenn diese beiden Voraussetzungen der Existenz und des Anhangens entfallen, findet der negative Ablauf dieser Zwölf Glieder nicht statt, sodass unser Leben nicht ins Leiden führt. Im Gegenteil, das ist der Weg der Befreiung.

Die Aussage zur Geburt in der obigen Aufzählung hat sicher eine wesentliche Bedeutung beim Glauben an die Wiedergeburt und mehrere Leben. Ich halte es jedoch für plausibel, dass Buddha dabei auch und gerade die Teufelskreise und zwanghaften Wiederholungen von Fehlern in unserem jetzigen Leben benennt. Gerade psychische Verfestigungen und Wiederholungs-Zwänge von falschem unethischen Handeln sind maßgebliche Gründe für das Leiden und die fehlende Selbststeuerung in unserem Leben.

Besonders deutlich wird dies natürlich bei Suchtabhängigen, die zum Beispiel dem Alkohol, Drogen, aber zunehmend auch digitalen Süchten, die zu digitaler Demenz führen, verfallen sind. Man denke nur an digitale Spielsysteme, die ganze Familien materiell, geistig und ethisch zerstören oder an das Suchtverhalten bei den sog. sozialen Netzen, die eine schwere Bedrohung für die menschliche Kommunikation im lebenden Dialog der Empathie sind.
Dann ist der Weg der Befreiung in zwölf Gliedern versperrt.

Aber wie entwickelt sich aus der Auflösung des Nichtwissens und dem Vermeiden der beiden Extreme die Befreiung?

„- Aus dem restlosen Verschwinden und dem Vergehen des Nichtwissens
entsteht die Befreiung der formenden Kräfte;
- befreit von diesen formenden Kräften entsteht die Befreiung des Bewusstseins,
- befreit von diesem Bewusstsein entsteht die Befreiung von Name und
Form,
- befreit von diesem Namen und dieser Form entsteht die Befreiung des
sechsfachen Bereichs der Wahrnehmung,
- befreit von diesem sechsfachen Bereich entsteht die Befreiung der
 Berührung,
- befreit von dieser Berührung entsteht die Befreiung von Gefühl und
 Empfindung,
- befreit von diesem Gefühl und dieser Empfindung entsteht die Befreiung
vom Durst,
- befreit vom Durst entsteht die Befreiung vom Anhaften,
- befreit vom Anhaften entsteht die Befreiung von Werden,
- befreit vom Werden entsteht die Befreiung von Geburt,
- befreit von der (Angst der) Geburt entsteht
- die Befreiung von den ganzen Nöten und Störungen von Altern und
Sterben, Kummer, Klagen, Leiden.
So geschieht die Auflösung der gesamten Masse des Leidens.“

Von zentraler Bedeutung für die unglücklichen Veränderungsprozesse zum Leiden sind die von Buddha genannten falschen Extreme der totalen Existenz und der totalen Nicht-Existenz, also dem Anhaften an Dauerhaftigkeit und Unveränderlichkeit im Leben oder an dem Nichts und dem Nihilismus. Dabei sind die treibenden Kräfte die Unwissenheit über die Wirklichkeit und nicht zuletzt Gier und Hass.

Wenn unser Geist und unsere Gefühle aber nicht von den Extremen der Existenz und Nicht-Existenz besetzt sind und uns keine fatalen Abhängigkeiten und kein fixiertes Anhaften kettet, kann es „restloses Verschwinden und Vergehen des Nicht-Wissens“ geben und daraus „entsteht die Befreiung der formenden Kräfte“, die maßgeblich für Antrieb, Willen und Handeln in unserem Leben sind. Für eine sinnvolle Selbst-Steuerung ist eine solche Befreiung von zentraler Bedeutung.

Buddha nennt in diesem Sinne die Zwölf Glieder der Befreiung und der Auflösung des Leidens. Dabei werden die verschiedenen Bereiche des Menschen genannt: formenden Kräfte, Körper und Form, Namen und Bezeichnungen, Wahrnehmung, Berührung und vor allem das Gefühl und die Empfindung. Wenn die fixierenden Gefühle wie Gier und „Durst“ zur Ruhe gekommen sind, kann der Befreiungsprozess jeweils weitergehen, wir sind dann vom Anhaften und dem „Werden“ in Teufelskreisen befreit.

Zusatz vom 24.12.2018
In dem neuen Heft von Buddhismus Aktuell (BUDDHISMUS AKTUELL 1/2019, S. 58 ff.)
 behandelt der bekannte Buddhologe Johannes Litsch die wichtige Frage, wie verlässlich wir eigentlich die Wirklichkeit erkennen. Er formuliert: "Wie wir unsere Wirklichkeit erschaffen". Er geht dabei ebenfalls detailliert auf das hier interpretierte sutta des Kaccâna ein, das die rechte Sichtweise und die Vermeidung von irrealen Extremen beinhaltet.



Sonntag, 20. September 2015

Buddhismus und Gehirnforschung: Ein Widerspruch ?

(Yudo J. Seggelke)

Die Schulung des Geistes ist ein zentrales Thema Gautama Buddhas, und zwar nicht nur für das Denken, also den Verstand, sondern auch für die Vernunft und damit übergreifend für unser ganzes Leben. Aber es geht Buddha um mehr: Wie erlangen wir die höchste dem Menschen zugängliche Weisheit, prashna paramita, das Erwachen und die Erleuchtung? Wie können wir schlechte Stimmungen, und mehr noch: Leid, Kummer, Gram, Verzweiflung, Angst und Schmerzen überwinden oder besser: verhindern?

Wie sollten wir eine Verbindung von Buddhismus und moderner verlässlicher Forschung angehen und was kann dazu die moderne Gehirnforschung beitragen? Diesen Fragen möchte ich nun nachgehen.

Was sagt der Dalai Lama zur westlichen Forschung?
„Historisch gesehen hat sich der Buddhismus als eine Religion mit einem spezifischen Kanon von Schriften und Ritualen entwickelt, doch genau genommen hat die Erkenntnis, die aus der Vernunft und aus der Erfahrung gewonnen wird, im Buddhismus ein stärkeres Gewicht als die Autorität der Schriften“.

Das ist ein fundamentaler ganz moderner Ansatz. Wir sind also bei jeder überlieferten Aussage aufgefordert, die Vernunft, das Wissen, die wissenschaftlichen Methoden und die heutige Erfahrung einzubringen. Dabei sind die Interpretationen der historischen Schriften von nicht zu überschätzendem Wert, aber nicht absolut bindend. Dies gilt natürlich besonders für grundlegende und schwierige Texte wie z. B. Nagarjunas Mittlerer Weg, MMK.

„Wenn wir einen Tatbestand untersuchen und genügend Gründe und Beweise vorliegen, müssen wir ihn als Wirklichkeit anerkennen; selbst wenn dies einer wörtlichen Auslegung der Schriften, die über Jahrhunderte Gültigkeit besaßen oder einer tiefen Überzeugung oder (historischen) Sichtweise widerspricht.“

Das scheint mir besonders wichtig: die traditionellen Überzeugungen und Sichtweisen müssen gründlich überprüft werden. Das gilt selbstverständlich gerade und besonders für das MMK. Und weiter

„Der Buddhismus bedient sich also ebenfalls der Methode logischen Schließens; ähnlich dem Modell (des Philosophen und Physikers) Carl-Friedrich von Weizsäckers.“

Das heißt jeder einzelne Schritt muss logisch und überzeugend nachvollzogen werden. Die war auch die unumstößliche Lebens-Philosophie meines Lehrers Nishijima Roshi.

Nun zurück zum Gehirn: Wir wissen heute, dass unser Gehirn gewaltige Kräfte und Potentiale besitzt, die dem Bewusstsein nur teilweise oder überhaupt nicht zugänglich sind, die wir aber sehr wirkungsvoll trainieren können, z. B. bei den Zen-Künsten des Bogenschießens, der Bambusflöte, Shakuhachi, der Kalligraphie und anderen Künsten. Und vor Allem: Wir gewinnen Klarheit und Energie durch die Praxis der Meditation, wie es im Zen heißt:

Körper und Geist fallen lassen“ und
Denken aus dem Nicht-Denken

Wir alle haben große, ja praktisch unendliche, geistige und psychische oft ungenutzte Potentiale. Was sagt die Gehirnforschung dazu? Denn: Ohne Gehirn gibt es keinen Geist und ohne Geist gibt es keinen Buddhismus. Welche wichtigen und gesicherten Erkenntnisse gibt uns die neue Gehirnforschung und was können wir daraus für unser Leben nutzen?

Gehirnforschung und unsere Entwicklungs-Phasen
Die Lernphase des Menschen ist eng mit der Entwicklung des Gehirns verbunden, das von der Geburt bis zur vollen Reife etwa 21 Jahre benötigt. Diese Entwicklung ist wesentlich länger als bei allen anderen Lebewesen. Warum? Weil wir viel mehr lernen und aus unserem Leben machen können als alle anderen Lebewesen. Während bei Pflanzen die gesamte genetische Information im Samen enthalten ist und sich nach dem Keimen genau diejenige Pflanze oder derjenige Baum entwickelt, der genetisch gespeichert ist, ist unsere Gehirnstruktur wegen der großen Lernfähigkeit des Menschen fundamental anders aufgebaut. Es wird deutlich, dass das Modell von Samen und Pflanze zur Beschreibung der menschlichen Entwicklung wirklich ungeeignet ist. Ähnliches gilt für Tiere, deren Instinkte ebenfalls genetisch weitgehend, wenn auch nicht vollständig, festgelegt sind. Tiere entwickeln sich daher überwiegend gemäß ihrer Instinkte, die unmittelbar nach der Geburt wirksam werden.

Es kommt bei ihnen natürlich zu gewissen sozialen Lernprozessen besonders im engen Kontakt zum Muttertier, sodass die veränderlichen Bereiche des Gehirns weiter geprägt und ausgebildet werden. Eine solche Lernmöglichkeit gibt es natürlich vor allem für Primaten und für andere Tiere, die sozial in Gruppen zusammenleben wie z. B. frei lebende Elefanten. Es gibt dabei durchaus erstaunliche Lernpotentiale vor allem in den Tier-Gruppen, bei denen sich Rollen für die verschiedenen soziale Aufgaben und Funktionen herausbilden. Beispielsweise führt eine alte „weise“ Kuh eine Elefanten-Herde, die im höheren Alter auf ihre lebenslangen Erfahrungen vertrauen kann und dadurch die Gruppe auch in schwierigen Situationen sinnvoll leitet. Bei Gefahren bildet die Elefantengruppe einen Ring, in deren Mitte die schwächsten und jüngsten Elefanten von den Anderen wirkungsvoll geschützt werden. Dabei gibt es durchaus umfangreiche soziale Lernprozesse. Die Elefantenbullen sind bekanntlich nicht Teil der Herde, sondern leben allein und paaren sich mit den jüngeren Elefantenkühen der Herde.

Die moderne Gehirnforschung hat durch neue bildgebende Verfahren in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht und ganz neue präzise Unersuchungen ermöglicht. Allerdings sollte man sich vor unrealistischen Spekulationen hüten, denn auch Gehirnforscher sind keine allwissenden Weisen, obgleich sich manche vielleicht gern eine solche Rolle aneignen möchten.

Grundsätzlich gilt, dass das menschliche Gehirn eine hohe Plastizität hat, sich also viel stärker als früher angenommen durch Aktivitäten und Lernen verändern lässt. Der bekannte Gehirnforscher Manfred Spitzer sagt daher, das Gehirn ist das was es macht. Im Umkehrschluss kann man sagen, das Gehirn ist nicht das, was es nicht macht. Wenn wir unser Gehirn nicht nutzen und trainieren, verschwinden die erlernten Fähigkeiten und es kommen keine neuen hinzu. Das Gehirn ist mindestens so trainierbar wie unsere Muskeln. Und jeder weiß, wie die Muskeln verkümmern, wenn man sie nicht benutzt: Erinnern Sie sich noch wie z.B. der Arm verkümmert war, als der Gips nach einem Bruch abgenommen wurde?

Wir wollen nun in einigen Eckpunkten die Entwicklung des menschlichen Gehirns nach dem heutigen gesicherten Stand wiedergeben und Verbindungen zur buddhistischen Lehre herstellen, die sich m. E. seit 2500 Jahren ausgezeichnet in Praxis und Theorie bewährt hat.

Im Wesentlichen besteht unser neuronales Netz, also das Gehirn, aus drei verschiedenen Elementen: den Neuronenzellen, den Gehirnfasern als Leitungsverbindungen und den vernetzten Synapsen, die wesentliche Steuerungsprozesse übernehmen und maßgeblich für unsere Lernfähigkeiten sind. Je intensiver und vielfältiger die Wechselwirkungen in unserem Gehirn ablaufen, desto leistungsfähiger ist es.

Es ist heute unbestritten, dass unser Gehirn sich in relativ klaren Phasen entwickelt und nicht alle Fähigkeiten unmittelbar nach der Geburt vorhanden sind, wie das bei manchen Tieren der Fall ist. Pro Neuronenzelle gibt es im Durchschnitt etwa zehntausend Vernetzungen, also Verbindungen der Nervenfasern zu anderen Neuronenzellen, wobei die lernfähige Steuerung vor Allem durch die Synapsen geleistet wird, die jeweils zwischen die Neuronen geschaltet sind.

Wie fängt alles beim Kind an?
Zu allererst entwickeln sich automatische Reflexe und Reaktionen, indem zum Beispiel die Motorik von Gehirn, Nerven, Muskeln und Sehnen bestimmte reflexartige Bewegungen auslöst und steuert. Diese Lernprozesse beginnen bekanntlich bereits vor der Geburt, wenn der Embryo strampelt, sich bewegt und damit bereits erste Lernprozesse für die Bewegungsabläufe im Gehirn auslöst.

Obgleich bei der Geburt praktisch bereits die volle Anzahl der Neuronenzellen, Nervenfasern und verbindenden Synapsen vorliegt, arbeitet zunächst jedoch nur ein kleiner Teil des Gehirns mit seiner vollen Funktionsfähigkeit und das sind die einfachen Reflexe. Woher kommt das? Warum wächst der Kopf eines Kindes während der ersten Lebensjahre, obgleich die Anzahl der Nervenzellen, Nervenfasern und Synapsen weitgehend konstant ist und sich fast gar nicht vermehrt? Was passiert im Gehirn, wenn wir aufwachsen und lernen zu stehen, zu gehen, Sprache zu verstehen und selbst zu sprechen, ja uns zu unterhalten usw.?

Wesentlich für die Vergrößerung des Gehirn-Volumens unseres Gehirns sind die elektrisch isolierenden Ummantelungen der Nervenfasern, die in den ersten Lebensjahren immer weiter Schicht für Schicht weiterentwickeln. Kurz gesagt werden durch diese Isolationen, die aus einem fetthaltigen Gewebe bestehen, erst Schritt für Schritt die volle Funktionsfähigkeit und Leitfähigkeit des Gehirns ermöglicht. Ein ganz junges Gehirn hat nur sehr wenige Bereiche, die bereits diese funktionsfähige Isolationsschicht aufweist, die so entscheident für unsere Lern- und Funktionsfähigkeit ist. Zunächst werden vor allem die motorischen Bereiche der Bewegung, der Koordinierung der verschiedenen Gliedmaßen usw. entwickelt. Zum Beispiel müssen wir beim Stehen und noch mehr beim Gehen lernen, unser Gleichgewicht zu halten und die Bewegungen flüssig auszuführen. Das erfordert geniale Programmsteuerungen, die ein Roboter mit den leistungsfähigsten Computern wohl niemals leisten wird. In dieser Zeit ist noch kein Ich-Bewusstsein und kein Reflektieren über die Welt und sich selbst ausgebildet.

In den folgenden Jahren werden immer weitere Bereiche des Gehirns durch diese langsam wachsende Isolationsschicht zur vollen Funktionsfähigkeit gebracht und im Zusammenhang damit können die Entwicklungs- und Lernprozess des jungen Menschen ablaufen. In einem recht späten Stadium werden dann die höheren Bereiche des Gehirns ausgebildet, die mit unserer ethischen Selbststeuerung zusammenhängen; das geschieht etwa im 16. und 17. Lebensjahr. Wir können also vereinfacht sagen, dass die ethische Selbststeuerung eines Menschen früher überhaupt nicht möglich ist, weil die entsprechenden Bereiche des Gehirns noch nicht voll ausgebildet sind. Bis dahin ist eine überzeugende ethische Außensteuerung vor allem durch die Eltern und ältere Vertrauenspersonen notwendig. Das vollzieht sich im Wesentlichen durch ethisch Richtungs-weisendes Handeln, aber kaum durch Verbote und schon gar nicht durch Erniedrigung. Falls sich wirkliches Handeln und verbale Informationen der Erwachsenen und Eltern diametral widersprechen, was auch als double-bind bezeichnet wird, entstehen beim Kind schwere psychische Schäden.

Schichten der Gehirn-Entwicklung
Die Entwicklung des Gehirns kann man sich in Form von Schichten vorstellen: Die frühesten Schichten umfassen Reflexe und schnelle motorische Reaktionen auf die entsprechende Reize. Sie werden am Anfang trainiert und ausgebildet, wenn die entsprechenden Gehirnteile funktionsfähig sind. In verschiedenen Schichten werden dann im zeitlichen Ablauf immer mehr Bereiche des Gehirns durch die fortschreitende Isolierung der Nervenfasern funktionsfähig und genau dann sind sie voll lernfähig. Und wie wird gelernt? Durch Benutzung, am besten mit positiver Motivation. Wenn das Gehirn in diesen Entwicklungsphasen nicht benutzt und trainiert wird, entstehen Defizite, die später nur schwer zu beseitigen sind.

In den Entwicklungsprozessen bilden sich dann Teilnetzwerke im Gehirn, die in der Lage sind, bestimmte Funktionen zu übernehmen. Von großer Bedeutung ist dabei das Teilsystem des Sehens, das etwa ein Drittel des gesamten Gehirns ausmacht. Ein zweites großes Teilsystem ist die Motorik, die ebenfalls etwa ein Drittel ausmacht. In der Gehirnforschung werden heute etwa 700 Teilsysteme, unterschieden, die einerseits spezialisiert auf bestimmte Funktionen sind, und andererseits wesentlich in Wechselwirkung und Vernetzung mit anderen Teilsystemen unsere Lebensmöglichkeiten überhaupt erst erschaffen. So gibt es bekanntlich Teilsysteme für Hören, für Sprache und Worte usw. Vereinfacht kann man zum Beispiel sagen, dass sich bei einem Musiker ein bestimmtes Teilsystem der Motorik besonders differenziert herausbildet und in einer hohen Vernetzungs-Dichte mit anderen Teilsystemen wie zum Beispiel Hören, Noten-Lesen, Erinnern usw verbunden ist.

Der Geist eines halben Gehirns
Das Gehirn hat eine unglaubliche Fähigkeit sich zu verändern, wenn es z. B. bei Beschädigungen eines Teils und diese Funktionen in andere Bereiche des Gehirns verlagert. Es gibt verlässliche Informationen über ein holländische Mädchen, deren Gehirn wegen einer schweren Krankheit zur Hälfte entfernt werden musste, dem man aber im normalen Leben später fast nichts anmerken konnte und das fließend Holländisch und Türkisch sprechen konnte. Das verbliebene Gehirn hatte nämlich die notwendigen Funktionen übernommen und ausgebildet. Daraus wird klar, wie viel wir selbst mit unserem ganzen Gehirn leisten könnten!

Grundsätzlich entwickelt sich das Gehirn also in Stufen, oder wenn man so will in Schichten, wobei jeweils die vorherige Schicht maßgeblich dafür ist, ob die folgende sich voll und solide entwickeln kann. Wenn demnach bei einem Kind in der frühen Phase die Motorik nicht voll ausgebildet und trainiert wurde, gibt es in späteren Phasen erhebliche Schwierigkeiten höhere geistige Fähigkeiten auszubilden. Wenn die Basis gewissermaßen labil und nicht voll entwickelt ist, können sich die späteren Schichten nicht darauf aufbauen. Den Menschen fehlen später wichtige Fähigkeiten zum Leben.

Die frühen Lernprozesse hängen maßgeblich davon ab, dass möglichst alle Sinneskanäle und die bereits ausgebildeten Bereiche des Gehirns in Wechselwirkung sind und sich weiter entwickeln können. Ein Kind kann also nur richtig lernen, wenn die verschiedenen Sinnesmodalitäten wie Sehen, Hören, Riechen, Tasten usw. im Kontakt mit lebenden Menschen einbezogen sind und sich dadurch weiter differenzieren und ausbilden. Die einzelnen Sinnes-Fähigkeiten verstärken sich dabei in Wechselwirkung und Vernetzung.

Damit wird deutlich, dass durch die  digitalen Medien große Gefahren für Kinder entstehen, weil dann die elementaren motorischen Fähigkeiten der Kinder unterentwickelt sind. Der bekannte Gehirnforscher Manfred Spitzer spricht daher von digitaler Demenz, weil das Gehirn sich durch die digitalen Schäden in der Kindheit nicht richtig entwickeln kann. Leider ist diese fundamentale Tatsache der Gehirnentwicklung bislang nicht allgemein bekannt, sonst würden die Eltern mit großer Entschiedenheit verhindern, dass ihre kleinen Kinder mehr als eine halbe Stunde pro Tag fernsehen oder mit digitalen Spielprogrammen vom wirklichen Spielen und der Entwicklung motorischer Fähigkeiten abgehalten werden. Kinder lernen diese Form von Basis-Intelligenz vor allen Dingen beim Spielen mit anderen und das bildet die Grundlage für alle späteren Fähigkeiten und Leistungen des Gehirns.

Mit dem Wachsen der Fähigkeiten des Gehirns werden immer neue Bereiche des Lebens in Wechselwirkung mit der Umwelt vor allem anderen Menschen entwickelt. Diesen Lernprozessen kommt eine zentrale Bedeutung zu. Wir wissen heute, dass dabei vor allem Freude und positive Motivation wichtig ist, und umgekehrt kann man vereinfacht sagen: Angst macht dumm. Hierarchischer Druck erzeugt Angst und hat geringes Selbstwert-Gefühl zur Folge und verhindert ´zuverlässig´ gute Gehirn-Fähigkeiten. Leider sind derartige pädagogische Fehlentwicklungen vor allem in der Mathematik festzustellen, sodass viele Kinder aus dem mathematischen Lernprozess aussteigen, weil ihnen Angst und Minderwertigkeitsgefühle anerzogen werden. Mathematik ist lernbar wie jedes andere Fach und es ist keinesfalls so, dass man entweder sprachlich oder mathematisch begabt ist. Die Unterschiede entstehen vor allem durch Angst und Stress vor Versagen. Manfred Spitzer spricht daher von einer „flächendeckenden Demotivation“ zur Mathematik in deutschen Schulen. Und er fügt hinzu, dass selbst erfolgreiche Männer und Frauen im erwachsenen Alter bei mathematischen Konfrontationen immer wieder unter Angst und Stress geraten, die sie in der Schule dauerhaft gelernt haben. Dies spricht sicherlich nicht gerade für die pädagogischen Fähigkeiten der Mathematiklehrer und –Lehrerinnen in Deutschland.

Die Wolfsmädchen aus Indien
Im vorigen Jahrhundert wurden in einem abgelegenen Gebiet in Indien zwei Wolfsmädchen von einer Missionarsfamilie gefunden, die in einem Wolfrudel also einer Wolfsfamilie aufgewachsen waren und später fundmentale grundsätzliche Probleme hatten, sich in eine menschliche Gesellschaft einzugliedern. Das eine Mädchen war etwa acht Jahre alt und das Andere etwa zwölf. Beide liefen auf allen Vieren und ernährten sich am liebsten von rohem Fleisch. Sie kannten keine menschliche Kommunikation durch die Sprache, bevor sie in die Obhut der Missionarsfamilie kamen. Es war dann ein sehr mühsamer Lernprozess, dass sie überhaupt einige Worte und einige wenige Sätze lernten und dass sie aufrecht gehen konnten.

 Aber selbst nach längerer Zeit liefen sie wie in alten Zeiten bei den Wölfen auf allen Vieren und zwar immer dann, wenn sie es eilig hatten und wenn es schnell gehen musste. Die Menschen um sie herum hatten immer ein starkes Gefühl der Fremdheit diesen beiden Mädchen gegenüber, so als ob sie eigentlich keine richtigen Menschen sind. Umgekehrt fühlten sich diese beiden Mädchen eher zu Hunden und Wölfen hingezogen, aßen am liebsten aus dem Napf vom Boden wie die Hunde und fühlten sich durchaus isoliert und fremd innerhalb der menschlichen Gesellschaft. Wir können dabei sicher annehmen, dass die christliche Missionarsfamilie mit großer Geduld und Liebe versuchte, aus diesen beiden Mädchen richtige Menschen zu machen.

Was ist die wesentliche Aussage dieser durch Fotos belegten und dokumentierten Situation der Wolfsmädchen, wenn wir an die Ausbildung des Gehirns denken? In den entsprechenden Phasen der Entwicklung des Laufens und noch mehr des Sprechens waren zwar die Potentiale im Gehirn grundsätzlich vorhanden, aber sie wurden nicht durch Benutzung entwickelt und trainiert. Daher der Satz der Gehirnforscher:

Das Gehirn ist genau das, was es macht.
Durch die wachsende grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Gehirns werden bestimmte Fähigkeiten in den entsprechenden Phasen erlernt, und zwar in der positiven sozialen Interaktion vor allem mit Erwachsenen und in der Familie. Diese Phasen konnten sich jedoch durch die Integration in die Wolfsfamilie bei den Mädchen nicht wie bei ´normalen´ Menschen entwickeln.

Geistige Entwicklungen und Fehler
Ein zweiter wichtiger Bereich des Lernens ist die Wiederholung. Manfred Spitzer erzählt gern, dass ein Kind, das in frühem Alter lernen will zu stehen, immer wieder aufsteht und wieder auf den Po fällt, weil das Gesamtsystem aus Gleichgewicht, Motorik, Steuerung usw. noch nicht voll ausgebildet und geschult ist. Aber es wäre völlig falsch zu sagen, dass das vergebliche Aufstehen und Hinunter-Fallen ein Misserfolg sei. Ganz im Gegenteil: die gesamte Folge dieser sog. Misserfolge ist genau das notwendige Trainingsprogramm, das überhaupt erst das spätere Stehen ermöglicht. Und jeder einzelne Schritt in diesem Lernprozess, den wir von außen als Misserfolg ansehen, ist ein Schritt vorwärts in der Entwicklung, bei dem immer weitere Bereiche des Gehirns trainiert und miteinander verknüpft werden. Es ist ja sicher kein Geheimnis, dass die menschlichen Fähigkeiten zum Stehen und Gehen außerordentlich komplex sind und eben nicht von Natur aus alleine vorhanden sind, sondern erlernt werden, wie das Beispiel der Wolfsmädchen zeigt.

Wir können also feststellen, dass die Lernfähigkeit oder Plastizität des Menschen und insbesondere des neuronalen Netzes viel größer ist, als früher angenommen wurde. Denn wirkliche Begabungen zeigen sich ohnehin erst, wenn die Menschen ausgebildet und austrainiert sind und nicht früher, wenn überhaupt noch keine Trainingsprozesse durchlaufen sind. Die Grenzen der Begabung und damit das Potential der Gene zeigen sich also erst deutlich im späteren Lernprozess und nicht am Anfang. Und aktive geistige Entwicklungs-Prozesse sind in unserem Leben nie zu Ende und reduzieren die Gefahr von Demenz und Alzheimer im Alter ganz wesentlich.

Genetische und karmische Grundlagen sind m. E. nur die Ausgangssituationen und Grundbedingungen für fortlaufende Entwicklungs-Prozesse, die allen Menschen offen stehen. Und sie determinieren uns viel weniger als früher angenommen wurde. Die von Buddha genannten fünf Hemmnisse können wirkungsvoll ausgeschaltet und stattdessen die sieben Zweige der Erleuchtung aktiviert werden.

Menschen unterscheiden sich grundsätzlich von dem genetischen System der Pflanzen: Samen-Pflanze-Blüte-Frucht-Samen. Das gleiche gilt für die instinktiven Automatismen durch genetischen Steuerung bei Tieren, die ebenfalls weitgehend festgelegt sind und nur in einem gewissen Umfang durch Schulungs-Prozesse verändert werden können. Tiere habe leistungsfähige Instinkte, die ihr Überleben im Laufe der Evolutions-Geschichte ermöglicht haben, während Menschen lebenslang erstaunlich lernfähig sind, sie haben durch ihr Gehirn und ihre Lernfähigkeit überlebt und erfolgreich die ganze Welt besiedelt.

Lebenslange Entwicklung
Früher wurde angenommen, dass die Schulungs- und Lern-Fähigkeit des Gehirns mit dem Alter von Anfang oder Mitte Zwanzig weitgehend zu Ende geht und dann immer weiter abnimmt. Wir wissen heute, dass eine solche Meinung grundlegend falsch ist. Aber für einen Erwachsenen sind aktive Impulse zur Weiter-Entwicklung maßgeblich und können bis ins hohe Alter große Flexibilität ermöglichen und neue Bereiche erschließen. Mein Lehrer Nishijima Roshi hat zum Beispiel mit Ende Sechzig die altindische Sprache Sanskrit erlernt, um den Urtext des großen indischen Meisters Nâgârjuna zum Mittleren Weg im Originaltext studieren zu können.

Als er 75 war, bin ich ihm das erste Mal in Tokio begegnet: Er arbeitete intensiv an der Übersetzung dieses Hauptwerkes Nâgârjunas zum Mittleren Weg und zur Leerheit und hat später die Ergebnisse zusammen mit dem bekannten Zen-Meister Brad Warner als Buch veröffentlich. Ich selbst habe mit Anfang 60 angefangen, die japanische Meditations-Flöte Shakuhachi zu erlernen. Sicher werde ich kein virtuoser Solist dieses Instruments mehr werden, aber die Meditation mit der Bambusflöte ist ein wesentlicher Teil meines Tagesablaufes geworden, der viel Freude macht und neue wichtige Bereiche erschließt. Ich muss hinzufügen, dass ich mich seit der Kindheit gegen das Flöten-Spielen gesperrt habe und diese gerade nicht lernen wollte; vermutlich weil die Qualität der damaligen Blockflöten so schlecht war, dass sie bei mir Aversionen und negative Gefühle hervorriefen. Aber das hat sich durch den japanischen Shakuhachi-Meister Hanada fundamental geändert.

Nach meiner festen Überzeugung ist die wesentliche Botschaft Gautama Buddhas, dass wir große Entwicklungs-Kräfte und Lernfähigkeiten haben, sodass wir Leiden und Schwierigkeiten überwinden können und darüber hinaus durch weitere Enntwicklung unseres Lebens das Erwachen von geistig-psychischen Barrieren und die Erleuchtung erlangen können. Gautama Buddha sagt klipp und klar: Jeder Mensch kann Erleuchtung erlangen und jeder kann die Buddha-Natur durch Handeln und Geist in sich entwickeln und verwirklichen, denn die Buddha-Natur ist der Lebens-Prozess der Verwirklichung: Entstehen in Wechselwirkung, pratitya samutpada. Jeder kann sich und sein Gehirn vor allem durch Tun und Übung entwickeln: Wir sind genau das, was wir machen.

Typisches Beispiel dafür ist der Achtfache Pfad zur Überwindung des Leidens, der die wesentlichen Eckpunkte des Entwicklungs-Prozesses zusammenfasst. Er sagt eindeutig, dass vieles Leiden gerade nicht Natur-gegeben ist und überwunden werden kann, obgleich Leiden und Schmerzen, wie wir wissen, in der Welt weit verbreitet sind. Das müssen wir an den Flüchtlingen wieder erleben: häufig durch andere Mensch verursacht. Aber die Flüchtlinge haben ihr Schicksal in die eigene Hände genommen, wir müssen ihnen dabei helfen.

Wie arbeitet unser Gehirn?
Was geschieht nun bei Entwicklungs-Prozessen in unserem neuronalen Netz? Ganz kurz gesagt werden durch Benutzung die jeweiligen Synapsen die Verbindungen von Nervenzellen und Neuronen im Netz trainiert, sodass sie immer durchlässiger für die entsprechenden Informationen werden. Das Ganze muss man sich als hoch leistungsfähiges Netzwerk vorstellen, das sich selbst-lernend genau so entwickelt wie es benutzt wird: im Guten und im Bösen.

Beim Lernprozess sind selbstverständlich immer unsere Emotionen wirksam. Wir wissen, dass durch Ablehnung und negative Emotionen die Lernprozesse erheblich erschwert wenn nicht unmöglich gemacht werden. Umgekehrt stärkt Freude und Glück die damit verbundenen geistigen Prozesse und vor allen Dingen das Lernen außerordentlich. Es ist sicher naheliegend, dass ein Erleuchtungserlebnis einen starken Lern-Turbo auslöst, bei dem viele Teilsysteme des Gehirns, die vorher wenig miteinander in Wechselwirkung waren, schnell und effizient verbunden werden. Dadurch werden auch wesentliche Zusammenhänge dem Bewusstsein zugänglich, die vorher unklar oder unbewusst waren. Wir wissen heute zudem, dass Menschen, die meditieren, eine bessere interne Vernetzung ihrer verschiedenen Gehirnregionen haben und daher geistig sowohl einen besseren Überblick haben als auch die Details genauer sehen, denken und beschreiben können.

Die Entwicklung unserer menschlichen Gehirne verläuft zusammengefasst also wie folgt: Das zunächst eher reflexhafte Handeln des Kleinkindes wird zunehmend bewusster, und es entwickeln sich die Fähigkeiten der Wahrnehmung wie Sehen, Hören, Schmecken, Tasten usw.  zusammen mit der Ausbildung der entsprechenden Teilsysteme des Gehirns, die in jungen Jahren Schritt für Schritt leistungsfähiger werden und in den Gesamtprozess des Gehirns integriert werden. Durch die fortschreitende Verbesserung der Isolation der Nervenfasern ist das grundsätzliche Potential des Gehirns etwa mit 16 bis 17 Jahren voll entwickelt. Im Einklang damit können die entsprechenden Lernprozesse des Geistes und der Ethik vor allem der Selbst-Reflexion und der Selbst-Steuerung stattfinden. Aber die Lernprozesse sind natürlich in diesem Alter nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Es sind ja erst die Voraussetzungen für die wesentlichen Lebens- und Erfahrungsprozesse des späteren Lebens ausgebildet und gewissermaßen bereitgestellt.

Die Zwölf Phasen bei Meister Nagarjuna
Nach meinem Verständnis hat Gautama Buddha zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Entwicklungs- und Lernprozesse des Menschen in den Mittelpunkt einer Lebensphilosophie gestellt. Das bedeutet in einfachen Worten, dass wir lernen können, unser Leiden zu überwinden und dass wir ein gutes gelungenes Leben entwickeln, dessen wesentliches Ziel die Erleuchtung ist oder wie es Gautama Buddha bezeichnet, das Erwachen. Aber wir müssen unsere Lebens-Ziele vielleicht gar nicht zu hochschrauben: Wie gelingt es uns ganz schlicht, unser Leben zu verbessern, ein sinnvolles Leben zu führen, glücklicher zu leben und weniger Angst zu haben?

Fast alles hängt von den Entwicklungs- und Trainingsprozessen unsere Potentiale ab, die uns ja erst an die Grenzen unserer Begabung heranführen und im Allgemeinen viel wichtiger und leistungsfähiger sind, als man bisher in der Pädagogik und auch beim sog. gesunden Menschenverstand angenommen hat.

Vielleicht noch ein aufschlussreiches Beispiel aus dem tibetischen Buddhismus, bei dem der Glaube an Wiedergeburt und Karma besonders ausgeprägt ist. Im Zen-Buddhismus geht es dem gegenüber eher um die existentielle Klarheit im Augenblick, oder genauer gesagt: um die Einheit von Handeln, Denken, Fühlen und Körper im Augenblick, nicht zuletzt in der Meditation des Zazen.


Kurz gesagt werden die großen buddhistischen spirituellen Führer in Tibet in deren Kindheit von anderen erwachsenen Weisen erkannt und als Wiedergeburt früherer großer Weisen und buddhistischen Meistern identifiziert. Sie besitzen also gemäß dieses buddhistischen Glaubens ein besonders gutes Karma aus früheren Leben. Die Ausbildung und Schulung dieser besonderen Kinder wird mit größter Sorgfalt und den besten Lehrern durchgeführt. Denn ohne eine solche sorgfältige Ausbildung dürfte das gute Karma in diesem jetzigen Leben kaum richtig zum Zuge kommen. Man zieht sich keinesfalls aus der Fortbildung dieser jungen Menschen zurück, mit dem Argument, sie hätten ja alles schon im früheren Leben erlernt und dies sei alles schon durch das gute Karma wunderbar festgelegt. Wenn das zuträfe, wäre die sorgfältige Ausbildung und Schulung durch die besten verfügbaren Lehrer und Meister ja überflüssig, aber das ist sie gerade nicht.

Donnerstag, 13. August 2015

Was ist das Anliegen Nâgârjunâs beim berühmten Mittleren Weg


(Yudo J. Seggelke mit Elisabeth Steinbrückner)
(Aus meinem neuen Buch "Sternstunden des Buddhismus")

Im Einklang[1][2] mit einigen aber auch im Widerspruch zu anderen Autoren[3] des Mittleren Weges, MMK, sind wir der festen Überzeugung, dass Nâgârjunâ nicht eine neue buddhistische Lehre entwickeln ("Buddha 2"), sondern viel mehr den wahren Kern der authentischen Lehre Buddhas wieder herausarbeiten wollte. Diese authentische Lehre war in der Folgezeit von etwa 600 Jahren seit Buddha durch verschiedene zum Teil hoch komplexe Philosophien überwuchert und durch dogmatische Sekten-Ideologien verloren gegangen.

Zudem hatten die Upanishaden, also die vorbuddhistische Glaubensreligion des Brahmanismus, neue Kraft und Verbreitung erlangt und setzten den Buddhismus unter Erklärungs- und Theorie-Druck. Dies verstärkte sich in den folgenden Jahrhunderten weiter. Dabei wurden Teilbereiche der buddhistischen Weisheitslehre übernommen und integriert.

Nâgârjunâ sagt in der Präambel zum MMK ganz klar, dass er Gautama Buddha als den besten und höchsten aller Lehrer preist.:
"Den besten der Sprechenden (und Lehrenden) verehre ich, der als vollkommen Erwachter das wechsel-wirkende gemeinsame Entstehen (pratītya-samutpāda) und das angenehme Aufhören der wegführenden Fehlentwicklungen (und Verwirrungen, prapañca) aufzeigte".

Manche Autoren verstehen dies lediglich als eine Art Redewendung der Höflichkeit und Loyalität Gautama Buddha gegenüber. Wir gehen aber davon aus, dass damit ein zentrales Moment des gesamten MMK gekennzeichnet ist, das wechsel-wirkende gemeinsame Entstehen. Die Verfälschung der authentischen Lehre wird in der Präambel als Verwirrungen insbesondere sprachlich unnötiger Verkomplizierungen genannt und in den einzelnen Kapiteln sogar häufig als künstlicher Zauber, Täuschung und Illusionen bezeichnet, die wie eine illusionäre Stadt der Gandarven benannt wird. Diese erträumte Stadt hat z. B. keine Gefängnisse, weil es überhaupt keine Kriminelle gibt. Das wäre ja wirklich wunderbar! Aber die Realität unseres Lebens ist natürlich komplexer.

Die meisten Autoren des MMK haben sich ausgiebig mit den sog. Acht Negationen in Form von vier Wortpaaren der Präambel beschäftigt, die zentrale Begriffe des Buddhismus betreffen. In früheren Zeiten wurden diese häufig als Negationen der frühen buddhistischen Pali-Lehre interpretiert. Dem folgen wir nicht. In der Präambel gibt es zum Beispiel das Begriffspaar von Entstehen und zur Ruhe kommen/Vergehen, das an dieser Stelle negiert und falsifiziert wird. Da die Lehre Buddhas aber ganz zentral darauf abzielt, Falsches, Unheilsames und vor Allem Schmerzen und Leiden zur Ruhe kommen zu lassen und Richtiges und Heilsames entstehen zu lassen, erscheint es uns wenig überzeugend, dass diese maßgeblichen Inhalte des Befreiungsweges grundsätzlich von Nâgârjunâ abgelehnt und in Frage gestellt werden. Wozu auch? Die gesamte Lehre Buddhas ist nämlich prozess- und lern-orientiert, sie beschreibt den Befreiungsweg aus unnötigem Leiden und selbst gemachten Problemen.

Die negierten Begriffe und Begriffspaare werden m. E. teils falsifiziert und teils verifiziert, weil sie bei genauer Analyse der um sich greifenden verengten oder falschen Lehrmeinungen nicht mehr mit der authentischen Lehre Buddhas übereinstimmen und daher missverständlich geworden sind. Dies ist umso gravierender, weil sie recht ähnlich wie die authentischen Begriffe formuliert sind. Nâgârjunâ nennt folgende Begriffe und beweist im Hauptteil des MMK, warum sie von den falschen Lehren missverstanden werden:

"Nicht-Zur-Ruhe-Kommen (Vergehen), Nicht-Entstehen, 
Nicht-Abschneiden (kein plötzliches Beenden), Nicht-Dauerhaftigkeit (Nicht-Ewigkeit),
Nicht-ein-Ziel habend, Nicht-verschiedene-Ziele habend,
Nicht-Ankunft, Nicht-Fortgehen".

Nâgârjuna zählt daher am Anfang seiner Untersuchungen acht ihm zentral erscheinende Begriffe der buddhistischen Lehre auf, die er alle in der Negativ-Form schreibt und im Folgenden detailliert behandelt. Was will er damit sagen?

Aus unserer Sicht wurden sie vor Allem von zwei damaligen Schulen falsch verstanden, den sog. Sarvastivadins, die an dauerhafte ewige Bausteine der Welt glaubten (dann gäbe es "Nicht-Entstehen, Nicht-Vergehen"), und den Sautrantikas, die an ein zeitliches "Zerhacken",(dann gäbe es abruptes "Abschneiden") der Wirklichkeit glaubten. Diese irrige Lehre der Augenblicke darf nicht mit der tiefgründigen Lehre der Sein-Zeit des Handelns im Augenblick des Hier-und-Jetzt von Zen-Meister Dogen verwechselt werden[4].

Nâgârjunâ falsifiziert diese irrigen Philosophien im Laufe des MMK mit großer Präzision, er untersucht sie im Einzelnen und stellt sie richtig. Er will u. E. damit die buddhistische Lehre von falschen, irreführenden Vorstellungen und zu Dogmen erstarrten Begriffen befreien. Nicht zuletzt geht es ihm darum, ins Kraut geschossene Spekulationen, die als philosophische Theorien daher kommen, zu erkennen und aus den unbrauchbaren abgehobenen Abstraktionen auf die Realität des Lebens und der Welt herab zu holen. Damit will er u. E. Buddhas Befreiungs-Weg wieder klar herausarbeiten und zu neuer Kraft erwecken.

Die zentralen Grundlagen Buddhas sind ohne Zweifel:
Die Vier Edlen Wahrheiten zur Überwindung des Leidens mit dem Achtfachen Pfad der praktischen Verwirklichung,
die Fünf Hemmnisse der Befreiung,
die Sieben Glieder des Erwachens und
die Zwölf Schritte der Befreiung in unserem Leben.

Außerdem geht es Buddha um die Vermeidung von unheilsamen unvereinbaren Extremen, also um die praktikable und fruchtbare Weiterentwicklung des Menschen auf dem Mittleren Weg, indem er im Lebens-Prozess seine eigene Mitte findet und damit Glück und Zufriedenheit in dieser Welt und im Zusammen-Leben mit anderen Menschen erlangt. Philosophisch wird damit die Lehre von Existenz oder Nicht-Existenz oder vereinfacht gesagt von entweder Absolut-Richtig oder Absolut-Falsch abgelehnt.

Bei allen diesen Lehren geht es um lebende Prozesse der Erkennens, der Entscheidung zum rechten Weg, der Weiter-Entwicklung sowie der Befreiung und Erleuchtung in unserem Leben und das ist komplexer als absolut richtig oder absolut falsch. Keinesfalls geht es um abstrakte Theorien und Dogmen, um Wort-Gläubigkeit oder um das statische Weltbild eines ewigen Seienden und Seins. Es geht um unsere je eigene sich erweiternde und vertiefende Verwirklichung auf dem rechten Weg.

Die meisten der zum Teil recht kurz gehaltenen Kapitel des MMK dienen diesem Ziel der Falsifizierung irreführender buddhistischer Meinungen und Lehrtraditionen, die sich in den 600 Jahren nach Gautama Buddha in Indien entwickelt hatten. Es ist dabei spannend zu beobachten, dass alte Weltanschauungen und Vorstellungen der vorbuddhistischen Zeit unter dem Deckmantel buddhistischer Begriffe oft unbemerkt wieder auftauchen: unter Verwendung buddhistischer Begriffe werden subkutan alte vor-buddhistische Ideen und Ideologien wieder zum Leben erweckt, die Buddha gerade als unheilsam abgelehnt hatte. Dies ist sicher mehr oder minder bei allen Religionen und großen Weisheitslehren zu beobachten: Nach einer gewissen Zeit werden alte bequeme romantische und leichtgängige Ideen von Populisten unter Begriffe subsumiert, die von dem großen Weisheitslehrer gerade neu eingeführt wurden, um das alte Denken und den alten Geist zu überwinden.

In den großen Kapiteln gegen Ende des MMK schließt sich dann der Kreis der authentischen buddhistischen Lehre zur Präambel: Buddha Tathâgata, Vier Edle Wahrheiten, Nirvana und die Befreiung des Menschen in Zwölf Phasen. Das letzte Kapitel befasst sich mit den von Buddha abgelehnten unheilsamen oder sinnlosen Sichtweisen und Konzepten.

Wenn wir im Sinne der Hermeneutik von Gadamer die Texte Nâgârjunâs angemessen verstehen wollen, müssen wir uns auch in die damalige Zeit versetzen und die damaligen Lehrmeinungen in einem gewissen Umfang erkennen und darlegen. Uns erscheint es notwendig, dass nur dann ein brauchbares Verständnis als Grundlage für eine zeitgemäße Deutung und Interpretation geschaffen wird. Dies umso mehr weil das MMK bekanntlich in sehr kurzer Versform geschrieben wurde. Dadurch entstehen gegenüber einem Fließtext in Prosa ohnehin gewisse Verständnis-Schwierigkeiten; dies mag ein weiterer Grund dafür sein, dass manche Übersetzungen in Englisch und Deutsch kryptisch und verwirrend erscheinen.


Bei der Beschreibung der philosophischen Lehrmeinungen, die Nâgârjunâ in seiner Zeit vorgefunden hatte, möchte ich mich im Wesentlichen auf die Ausführungen des anerkannten Indologen und Nâgârjunâ-Kenners David J. Kalupahana beziehen[5]. Sie haben für mich ein gutes Maß an Glaubwürdigkeit. Da ich selbst kein Wissenschaftler der buddhistischen Zeit bin, möchte ich mich auf Kalupahanas Aussagen beziehen. Leider sind die meisten originalen und detaillierten Schriften in Sanskrit dieser Zeit verloren gegangen, sodass es gegenwärtig an umfassenden Quellen mangelt.

Seit kurzem ist eine intensive Übersetzungs- und Interpretations-Aktivität für die in Chinesisch erhaltenen Übersetzungen in Gang gekommen, die aber bisher noch nicht abgeschlossen und auch nicht öffentlich zugänglich sind. Diese Schriften sind zu einem erheblichen Teil verloren gegangen, nicht zu letzt nach der Eroberung durch den Islam in Indien und der oft radikalen Vernichtung der Sanskrit-Literatur und Dokumente[6]. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren einiges an authentischem Material zu diesen philosophisch buddhistischen Schriften in einer westlichen Sprache vor allem in Englisch erscheinen wird. Dadurch werden sich eventuell noch spätere Präzisierungen ergeben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir Kalupahana bei allen Interpretationen und Deutungen des MMK zwangsläufig folgen müssen. In diesem Sinne haben wir eigene neue Basis-Übersetzungen erstellt, die so genau wie möglich auf dem ursprünglichen Sanskrit-Text Nâgârjunâs aufsetzen, um danach Schritt für Schritt unsere Interpretationen zu entwickeln . Uns scheint es vor allem im Sinne der Hermeneutik Gadamers von zentraler Bedeutung, dass die alten Texte Nâgârjunâs anfangen zu uns zu sprechen, dass wir heutigen Menschen in eine lebendige Wechselwirkung mit ihnen kommen, sie mit Leben erfüllen und dass es nicht zuletzt zu Veränderungs-Prozessen bei uns selbst kommt. Damit könnte die angestrebte Wechselwirkung zwischen dem historisch übermittelten Text und uns selbst in der gegenwärtigen westlichen Kultur gelingen. Dadurch hoffen wir, einen Beitrag zum zeitgemäßen Verstehen des MMK zu leisten.

Von großer Bedeutung für jede menschliche Kommunikation ist die Empathie. Rogers beschreibt sie als „einfühlendes Verstehen“ und führt drei wesentliche Einstellungen auf: 1. Echtheit oder Kongruenz, 2. vollständiges und bedingungsfreies Akzeptieren, 3. sensibles und präzises einfühlendes Verstehen also Empathie im engeren Sinne [7]. Seine Ausführungen über die Heilungsprozesse der Patienten sind meines Erachtens universell für menschliche Kommunikation und menschliche Beziehungen anwendbar. Er sagt, die Begegnung findet

Augenblick zu Augenblick statt“ und „es ist ein unmittelbares Gespür im Hier und Jetzt für die innere Welt des Klienten mit ihren ganz privaten personalen Bedeutungen“.
Diese Aussagen könnten auch von Dôgen im Shôbôgenzô in ähnlicher Weise zum Beispiel im Kapitel der Sein-Zeit stammen[8]. Eine andere Formulierung sagt, dass der Therapeut „in die Haut des Klienten schlüpfen“ solle[9]. Dies erinnert mich an Bodhidharmas Aussagen zu seinen vier SchülerInnen: „Du hast meine Haut, du hast meine Knochen ...“[10] usw.

Rogers betont explizit, dass nur „oberflächliches Verstehen“ unzureichend ist und betont immer wieder, dass sich auch die Menschen zusammen entwickeln müssen und wechselseitig über sich selbst lernen. Auch diese zentralen, zwischenmenschlichen Verhaltensweisen sind ohne Zweifel allgemein für Kommunikation und Gespräch richtig und notwendig. Wir verstehen dies insbesondere unter wechsel-wirkendem Verstehen (pratītya-samutpāda) von Gautama Buddha und Nâgârjunâ.

Hier ist im Übrigen eine weitgehende Übereinstimmung mit Gadamers Ansatz der Hermeneutik bedeutsam. Er betont das Fließen[11] für unsere Verwirklichung in der Lebenswelt:

„Aber das heißt nicht, dass (man) nun ein für alle Mal etwas weiß und sich in diesem Wissen verhärtet, sondern, dass (man) für neue Erfahrungen offen ist. Wer erfahren ist, ist undogmatisch.“

Damit ist auch das Wesentliche der Arbeit am Text des MMK treffend bezeichnet. Die Wechselwirkung im Gespräch zwischen Menschen und Text braucht Offenheit für neue Erfahrungen und es braucht wirkliche Erfahrungsbereitschaft, nämlich die "Offenheit für den Wahrheitsanspruch“ der uns überlieferten Lehren. Es besteht sicher kein Zweifel, dass dies in ganz besonderer Weise für die großen buddhistischen Schriften gilt und dass es unsere Aufgabe sein muss, die hervorragenden Werke wie das MMK nicht nur zu verstehen und zu deuten, sondern auch in die offene eigene Erfahrung und Verwirklichung einzubringen. Fixierte beengte Ziele wie zum Beispiel das Streben nach Erleuchtung in seiner vordergründigen Form sind dabei oft eher hinderlich als förderlich. Sie verhindern eventuell die eigene fließende Entwicklung.

Schließlich kommt Gadamer[12] zu Schlussfolgerungen von großer Bedeutung: Sprache ist
keine Privatsprache. Wer eine Sprache spricht, die kein anderer versteht, spricht nicht. Sprechen heißt zu jemandem sprechen. Sprechen ist nicht etwas, das einzelnen Subjekten zugeordnet wäre. Die Sprache ist ein Wir, in dem wir einander zugeordnet sind und in dem der Einzelne keine festgelegten Grenzen hat“.

Daher ist es erforderlich im Dialog mit der Sprache „Grenzen zu überschreiten“. Er sagt dann diesen bedeutenden Satz: „Dass wir alle unsere Grenzen überschreiten müssen, damit wir verstehen". Dies geschieht im lebendigen Austausch mit dem Text und in Gesprächen. Wir meinen, dass damit der Kern des wechsel-wirkenden Entstehens und der Lernprozesse aus Erstarrung und damit aus Schmerz und Leiden in einer modernen westlichen Sprache gut ausgedrückt ist.

Aber zurück zur Arbeit am Text des MMK: zunächst geht es darum den Text möglichst im Sinne Nâgârjunâs und seiner Zeit zu verstehen. Dabei dürfen keine voreiligen Interpretationen behindern, sondern dies muss eng am Text ohne Verzerrungen und Weglassen erschlossen werden, was dieser große Meister wirklich gesagt hat. Dabei ist es zweifellos wichtig sich selbst kritisch zu überprüfen, ob nicht ein oberflächliches und voreiliges Verstehen Platz greift. Es ist sicher sinnvoll, das was man nicht versteht, entsprechend auszuweisen und sich selbst einzugestehen.

Dann geht es um Wechsel-Wirkungen zu den authentischen Texten des frühen Buddhismus und zu Aussagen und Erfahrungen des Zen-Buddhismus.
Schließlich sollen Beispiele und neue Erkenntnisse der Hermeneutik, Empathie, Systemtheorie und Gehirnforschung einbezogen werden, soweit sie uns vertraut sind.

Die Interpretation des MMK im Sinne der tibetischen Tradition wurde in beeindruckender Weise von Garfield geleistet[13]; sie ist in der Fachwelt allgemein anerkannt und wir weniger darauf eingehen.
Das sind die Leitlinien unserer Arbeit am MMK.






[1]Nagarjuna: Fundamental Wisdom of the Middle Way. Nagarjuna’s Mulamadhyamakakarika. Translation by Gudo Wafu Nishijima Nishijima
[2]Kalupahana, David J.: Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way, Mūlamadhyamakakārika
[3] Weber-Brosamer, B; Back, Dieter M: Die Philosophier der Leere, S. 2
[4] Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche Übersetzung: Ritsunen Gabriele Linnebach und Gudo Wafu Nishijima)
[5] Kalupahana, David J.: Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way, Mūlamadhyamakakārikā
[6] Persönliche Auskunft von Peter Gäng im Mai 2015
[7] Rogers, Carl R.: Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächstherapie, S. 23
[8]Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche Übersetzung: Ritsunen Gabriele Linnebach und Gudo Wafu Nishijima): Uji S. 135 ff.
[9] Rogers, Carl R.: Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächstherapie,  S. 24
[10] Seggelke, Yudo J:Zen Schatzkammer, Bd. 1, S. 148
[11] Dutt, Carsten (Hrsg.): Hans-Georg Gadamer im Gespräch, S. 31
[12] ebd, S. 36
[13] Nagarjuna:The Fundamental Wisdom of the Middle Way, Translation by Jay L. Garfield