Dienstag, 24. Mai 2022

Die Natur der Pflanzen, Blumen und Bäume sind tiefe Weisheit (Mujô seppô)

In diesem Kapitel untersucht Dôgen die Bedeutung, das Zusamme-Wirken und lebende Einheit der Natur mit den Menschen und der authentischen Buddha-Lehre. Die Natur wird hier als „nicht-empfindende Wesen“ bezeichnet, dazu gehören Bäume, Blumen, Hecken, Büsche usw. Es handelt sich dabei auch um die lebende Natur. Demgegenüber sind die empfindenden Wesen Menschen und Tiere. Die Natur ist im Buddhismus von sehr großer Bedeutung und im Shôbôgenzô gibt es mehrere Kapitel, die diese „nicht-empfindende Natur“ und den Buddha-Dharma direkt untersuchen und beschreiben, also in enge Verbindung bringen. So wird überzeugend berichtet, dass mehrere alte Meister das große Erwachen mit der Natur erlebten.

Eine ganz besondere Bedeutung für die nicht empfinden Wesen hat im chinesischen Zen-Buddhismus die aus fünf Blättern bestehende Blüte des Pflaumenbaumes. Und im gesamten Buddhismus ist die Lotosblume seit der Zeit Gautama Buddhas ein poetisches und wunderbares Symbol des heilsamen Dharma und der menschlichen Wahrheit ohne Leiden.

Was bedeutet bei Dôgen das Wort „nicht-empfindend“? Seine vielfältigen Schichten, Wechselwirkungen, Schattierungen und Bedeutungsebenen sollen im Folgenden erläutert werden. Zum einen geht es um die Verwirklichung des das ruhige Gleichgewichts oder der Kraft des Mittleren Weges als Ausdruck des Buddhismus. Eine solche Balance wird dann weder durch galoppierende Gedanken noch durch aufgewühlte Emotionen gestört, denn sie ist stabil auch bei äußeren und inneren Störungen. Beide sind beim Menschen bekanntlich oft miteinander gekoppelt, ohne dass dieses immer bewusst ist. Dadurch können gefährliche geistige und psychische Turbulenzen und extreme unheilsame Zustände entstehen. Demgegenüber hat die Natur in ihrer Reinheit und Schönheit eine tiefe, ausgleichende Wirkung auf den Menschen. Auch wenn man verunsichert, beunruhigt, geängstigt ist oder von endlosen Gedanken-Zirkeln umgetrieben wird, kann man sich für die erhabene Schönheit, Ruhe und den Frieden der Natur öffnen und findet zum inneren Frieden zurück. Die nicht-empfindenden Wesen wie die Blumen, Pflanzen und Bäume sind daher durchaus das Leitbild für ein ausgeglichenes menschliches Leben. Der Mensch findet zur Ruhe und Ausgeglichenheit zurück, wenn er die Natur ganz in sich aufnimmt. Dadurch entstehen neue Klarheit, neuer Lebensmut und neue Kreativität in unserem Leben.

Der natürliche Zustand und die Schönheit der Pflanzen kann daher ein sehr aussagekräftiges Symbol für das Gleichgewicht des Menschen in der Zazen-Praxis und im täglichen Handeln sein. Die nicht-empfindende Natur kann uns sehr viel geben und hat einen starken, eigentlich immer positiven Einfluss auf den Zustand von Körper und Geist. Der japanische Begriff Mujô im Titel dieses Kapitels wird daher besonders für diesen Zustand des Gleichgewichts verwendet. Im Gegensatz dazu zerstören die durch Gier und Hass erzeugten Gedanken und Gefühle das Gleichgewicht und treiben den Menschen in unheilsame Extreme, die vom Buddha-Dharma wegführt und ihn ins Unglück laufen lässt. Dôgen sagt hierzu:

„Den Dharma (Lehre) im Dharma (Gleichgewicht) selbst zu lehren, ist das verwirklichte Universum, das die früheren Buddhas und Vorfahren an die nachfolgenden weitergegeben haben. Den Dharma auf diese Weise zu lehren bedeutet, dass der Dharma selbst lehrt.“ Und weiter: „Der nicht-empfindende Dharma offenbart sich, wenn die Buddhas sich versammeln. Wenn sich die große Wahrheit vollkommen verwirklicht, verwirklicht sich auch vollkommen das Lehren des Dharma.“

Es gibt in jeder Religion wesentliche Aussagen und Gleichnisse dazu, dass Gott sich in der Natur, in den Blumen, Bäumen und anderen Pflanzen verwirklicht und sich Gottes Natur in ihrer Schönheit und Klarheit für den Menschen öffnet oder öffnen kann. Im Buddhismus hat diese Natur eine ganz besonders hohe Bedeutung und auch der Begriff „nicht-empfindend“ darf keineswegs so verstanden werden, dass es ein Mangel wäre, wenn es keine menschlichen Empfindungen gäbe. Wir alle kennen die persönlichen Dramen und Katastrophen, die durch die Gier nach Macht, Ruhm, Geld und Ich-Stolz verursacht werden. Dabei entstehen überstarke, egoistische und „blinde“ Empfindungen und psychische Kräfte, die großes Unheil anrichten können. Die Ethik wird dann ganz ausgeschaltet oder tiefgreifend verzerrt. In ähnlicher Weise erzeugen verhärtete Ideologien ein Übermaß an einseitigem extremen Denken und Fühlen, die das Mitfühlen für andere Menschen und Lebewesen vollständig aushebeln. Derartige aggressive, unfreundliche Verhaltensweisen sind der Natur, die hier als „nicht-empfindend“ bezeichnet wird, völlig fremd. Sicher ist dies auch ein wesentliches Motiv der modernen Naturschutz- und Ökologie-Bewegung.

I einem anderen Kapitel wird die Geschichte der Dharma-Übertragung von Gautama Buddha auf Mahâkâshyapa berichtet, die beim Hochhalten einer Blume erfolgte. Bei der Dharma-Übertragung kommt der Blume, die hier als nicht-empfindendes Wesen gekennzeichnet wird, höchste Bedeutung zu und sie löst bei Mahâkâshyapa das große Erwachen und die unmittelbare Dharma-Übertragung aus. Dôgen zitiert Gautama Buddha aus dem Lotos-Sûtra:

„In derselben Weise, wie die Buddhas der drei Zeiten den Dharma lehren, so lehre auch ich jetzt die Wahrheit des Dharma, der jenseits des gewöhnlichen Denkens ist.“

Damit wird klar, dass wir im Buddhismus nicht daran glauben, dass sich nur durch Denken und den unterscheidenden Geist das Erwachen und das Glück im Leben ereignen können, sondern dass dies immer in einer wechsel-wirkenden Einheit von Körper, Geist und Natur vor sich geht. Die nicht-empfindenden Wesen haben nach unserer Vorstellung weder Intellekt noch Denken und sie bilden doch mit uns eine lebendige Einheit. Und sie haben ein genetisch kluges System der Steuerung von Hormonen, sonst könnten sie nicht überleben und sich dauernd an ihre Umwelt anpassen.

Abstraktes Denken unterscheidet, trennt, vergleicht und bewertet und zerteilt oft die Einheit mit der Natur. Dies mag für bestimmte Situationen des Lebens durchaus nützlich sein. Der Buddhismus lehnt keinesfalls die Vernunft und das Denken grundsätzlich ab, er weist aber auf deren Grenzen der Leistungsfähigkeit hin. Das Denken ist danach ein geeignetes Werkzeug, das uns hilft, bestimmte Lebensaufgaben sinnvoll zu meistern, Genauigkeit zu erreichen und wichtige Zusammenhänge zu erkennen. Für existentielle Fragen des Menschen und die Überwindung des Leidens reicht jedoch ein solches unterscheidendes und bewertendes Denken nicht aus, da es nicht die Gesamtheit von Körper und Geist umfasst. Insofern stimmen Buddhismus und Psychotherapie weitgehend überein.

Dass wir Menschen Teil der Natur sind, wird niemand ernsthaft bestreiten. In der Tat ist es wunderbar, oder besser gesagt mysteriös, warum wir eine so tiefe Verbindung zu den Blumen, Bäumen, Bergen, Seen, Flüssen usw. haben. Vor allem den Blumen kommt in unserem Leben im Einklang mit ihrer Schönheit eine sehr hohe symbolische Bedeutung zu und sie vermitteln uns ein tiefes Gefühl der Verbundenheit. Nicht zufällig schenken wir Blumen als Zeichen der Liebe und Verbundenheit. Es muss also bei der Verbindung des Menschen mit der Natur um ganz tiefe Schichten unserer Erfahrung und unseres menschlichen Erlebens gehen, die wir mit Worten und Denken nicht voll erfassen können.

Zu diesem Kapitel hat Nishijima Roshi wesentliche Erklärungen gegeben: Für ihn sind Natur und Universum die Wahrheit und Wirklichkeit selbst. Danach gibt es zwischen der buddhistischen Wahrheit einerseits und der Natur andererseits überhaupt keinen Unterschied und keine Trennung, sondern im Gegenteil, es besteht eine umfassende lebendige Einheit. Nach seiner Erfahrung und seinem Denken sind das Universum und die Natur sogar mit Gott identisch. Dies hat er kürzlich auch in der Dôgen-Sangha in beeindruckender Weise erläutert. Er sagt einfach und klar, dass Gott nicht kleiner als das Universum sein könne. Man würde Gott nämlich unterschätzen, ihn klein reden oder klein denken, wenn man annimmt, dass er kleiner als das Universum sei. Umgekehrt ist es nicht vorstellbar, dass Gott größer als das Universum und die Natur ist, weil dann eine Trennung von Gott und Universum behauptet würde; dies könne aber nicht sein. Damit ist für Nishijima Roshi ganz klar, dass die Natur und das Universum die göttliche Wahrheit selbst sind. Wir können dies hören, sehen und erfahren, wenn wir die Natur hören, sehen und erfahren. Wir dürfen uns dabei jedoch nicht nur auf die äußerliche Wahrnehmung beschränken, weil damit wesentliche umfassende Bereiche der Wahrheit und Natur verdeckt werden. Die sinnliche Wahrnehmung stellt aber laut Nishijima Roshi eine der vier Lebensphilosophien dar, nämlich die materielle Sichtweise, die durch die Sinnesorgane zugänglich ist. Aber sie ist nich das Ganze.

Das Universum baut sich nach Dôgen vor allem auf dem Handeln und Verändern im Hier und Jetzt auf und dieses Handeln ist sozusagen das lebendige Element der Welt und der Wirklichkeit. Der Dharma, den uns die Natur lehrt, entspricht der umfassenden Lebensphilosophie des Erwachens und der Befreiung. Sie schließt zum Beispiel die Moral und Ethik, das Bodhisattva-Handeln, die Liebe und das Mitgefühl selbstverständlich und natürlich mit ein. In dieser Lebensphilosophie und Lebenspraxis der umfassenden und höchsten intuitiven Wahrheit sind wir im wunderbaren Gleichgewicht von Körper und Geist. Wir haben nach Nishijima Roshi auch das Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems verwirklich. In einer nur emotional gesteuerten Situation wäre abweichend davon das parasympathische Nervensystem zu sehr aktiv, sodass das Gleichgewicht nicht erreicht werden kann.

Damit wird der tiefgreifende  Inhalt dieses Kapitels klar ausgedrückt: Die Natur und das ganze Universum sind der Dharma und die Wahrheit selbst. Wir können sie wirklich hören, wenn wir uns im Gleichgewicht von Körper und Geist befinden. Dieses Hören geht über die Wahrnehmung im engen, naturwissenschaftlichen, materiellen Sinne hinaus. Damit wird Dôgens Aussage verständlich, dass man die Natur mit den Augen hören kann, wenn sie die Dharma.Wahrheit lehrt. Mit den Augen zu hören bedeutet, über das enge materialistische Weltbild der sinnlichen Wahrnehmung und der äußeren Form hinauszugehen und im Hier und Jetzt des Augenblicks das Gleichgewicht von Körper und Geist sowie die ethische Natürlichkeit zu erlangen.

Nishijima Roshi legt großen Wert darauf, dass wir Menschen des Westens mit unserer geschulten Vernunft an die buddhistische Lehre herangehen und uns nicht in esoterischen Paradoxien und Fantasien verlieren. Diese werden leider manchmal mit dem Zen-Buddhismus und den „Kôan-Rätseln“ gleichgesetzt. Er betont die fruchtbare Begegnung des authentisch übermittelten Buddhismus mit dem Westen und hat große Hoffnungen für eine umfassende Ethik und Lebensphilosophie der zukünftigen Menschheit. Dabei schätzt er besonders die lebendige Neugier und ehrliche Suche vieler Menschen aus dem Westen. Wenn diese mit einer guten Ausbildung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen wirken, kann eine neue Schwungkraft in die Welt eingebracht werden. Dies würde den Strom des Humanismus, der im antiken Griechenland seine Wurzeln hat, ganz neu beleben.

Eine unkontrollierte Emotionalität, die in diesem Kapitel von Dôgen negativ angesprochen wird, verhindert dann, dass wir die Dharma-Wahrheit der Natur wirklich hören können. Die nicht-empfindende Natur besitzt keine negative Emotionalität und hat kein Ungleichgewicht von Körper und Geist. Ideologische Verhärtungen und Verkrustungen, also ein falscher Idealismus, lassen die Lehre des Buddhismus durch die Natur ebenfalls verstummen.

Dôgen berichtet von einem alten Meister, der von einem Mönch gefragt wurde:

„Können die nicht-empfindenden Wesen den Dharma lehren oder nicht?“

Der Meister antwortete: „Sie lehren den Dharma immer kraftvoll und ohne Unterbrechung.“

In dem folgenden Gespräch zwischen dem Meister und dem Mönch wird dann herausgearbeitet, dass das rein physische Hören nicht ausreicht, um den Dharma der Natur und der nicht-empfindenden Wesen wirklich umfassend zu empfangen. Sowohl das Lehren als auch das Hören, so betont Dôgen, müssen frei von störenden Emotionen sein, sind also im Gleichgewicht. Die Lehrenden und die Hörenden müssen dabei ihre störenden und ablenkenden Emotionen aufgelöst haben. Ein solcher Zustand im Gleichgewicht übersteigt nach Dôgen sowohl die Fähigkeiten der gewöhnlichen Menschen als auch der Heiligen, aber die Buddhas und Vorfahren im Dharma können diese Lehre hören. Er wiederholt und erläutert die oben zitierte Antwort des alten Meisters,

dass die nicht-empfindenden Wesen „den Dharma immer kraftvoll und ohne Unterbrechung“ lehren.

Das „immer“ besteht dabei aus vielen einzelnen aber verbundenen Augenblicken und „ohne Unterbrechung“ bedeutet, dass sich ihr Lehren schon verwirklicht hat und sie daher ohne Unterbrechung und Trennung lehren.

Dôgen führt weiter aus, dass die Lehre des Buddha-Weges nicht „den Tönen und Stimmen gleicht, mit denen die empfindenden Wesen den Dharma lehren“. Es kommt also nicht nur auf die Töne, Worte und Sätze an, die gelehrt werden, sondern maßgeblich ist die Ausgeglichenheit, wie sie in der Natur zu finden ist. Man kann hinzufügen, dass die Schönheit, zum Beispiel der Lotosblüte, der Pflaumenblüten oder der Gräser, ganz wesentlich für uns Menschen ist. Die nur physikalisch und materiell gehörten Geräusche der sich bewegenden Blätter, der Flüsse und des Windes in den belaubten und unbelaubten Bäumen sind nicht gemeint, wenn es um die wahren Töne, die Laute und Stimmen der nicht-empfindenden Wesen in der Natur geht. Diese hörbaren Geräusche können gute Anregung für die wahren Töne sein, sind aber mit ihnen nicht identisch.

Dôgen geht mit seinen Überlegungen zur Natur weiter, indem er hinterfragt, was überhaupt Emotion oder Emotionsfreiheit wirklich heißt. Er kommt zum Schluss, dass derartige Begriffe und Abgrenzungen letztlich der Unfassbarkeit des Buddha-Dharma nicht gerecht werden, und fasst zusammen:

„Es ist also unmöglich, klar zu unterscheiden, was empfindend und was nicht-empfindend ist.“

Die Lehre des Buddhismus beruht wesentlich auf dem Handeln als Wirklichkeit im Hier und Jetzt. Das Universum baut sich danach gewissermaßen vernetzt aus Handlungs-Elementen auf, also aus kleinen lebendigen Bausteinen des Handelns, und nicht aus unveränderlichen materiellen Elementen, die mit dem alten griechischen Wort „Atom“ gemeint sind. Solche unteilbaren festen Atome bilden aber die hauptsächliche Grundlage des westlichen materiellen Weltbildes. Auch die Ideen Platos und des Idealismus weisen erstaunliche Ähnlichkeiten mit derartigen ewigen Gedankenatomen auf. Dôgen führt hierzu aus:

„Ferner solltet ihr auch das Handeln erfahren und erforschen, denn es gleicht einer hell erleuchteten Straße in der Nacht und geht über das Gewöhnliche und Heilige hinaus.“

Beim Hören ist man in besonderer Gefahr, durch die Worte und Sätze, die für die Kommunikation notwendig sind, inhaltlich statisch und starr festgelegt zu werden. Die Worte werden dann fast zu materiellen Atomen der Lehre, die angeblich feststehend und klar definiert seien. Dôgen sagt hierzu, dass ein großer Meister

„bereits über das Gewöhnliche und Heilige hinausgegangen ist, weil er die Nester (der festen Vorstellungen und Ideologien) und die Begriffshöhlen des Gewöhnlichen und Heiligen zerstört hat“.

Damit macht er wiederholt auf die Gefahr einer falschen Fixierung durch Begriffe und Worte aufmerksam, die immer dann droht, wenn der Buddhismus mit Worten gelehrt wird. Wenn die Natur selbst ohne störende Emotionen den Dharma lehrt, kann diese Gefahr wirklich ausgeschlossen werden.

Ein anderer großer Meister führte ein ähnliches Gespräch mit seinem eigenen Lehrer, um herauszufinden, wie die emotionsfreie Natur den Dharma lehrt. Er verfasste dann das folgende Gedicht, das von Dôgen zitiert wird:

„Wie großartig und wunderbar, wie großartig und wunderbar,

Welch ein Geheimnis, dass die nicht-empfindenden Wesen den Dharma lehren.

Wenn wir ihn mit den Ohren hören, ist es letztlich schwer, ihn zu verstehen.

Wenn wir seine Stimmen aber durch (unsere) Augen hören,

können wir den Dharma genau erkennen.“

Gegen Ende des Kapitels kommt Dôgen auf den Bereich der Moral und Ethik der mitfühlenden Wesen zu sprechen, die vorsichtig mit ihren Worten umgehen sollten, um niemanden zu verletzen. Er gibt einen großen Meister wieder, der von einem Mönch gefragt wurde:

„Was ist dieses Nicht-Empfindende, das den Dharma lehrt?“

Der Meister antwortete darauf: „Keine üblen Worte und Beschimpfungen sagen.“

Für Dôgen bedeutet dies Folgendes:

„Sowohl den Dharma der Nicht-Empfindung zu lehren, als auch (anderen Menschen) den Dharma ohne eigene (übertriebene) Emotionen zu lehren.“

Eine solche Freiheit verzerrender Emotionen wird von den großen Meistern gelehrt und sie lehren ihre Schüler in einem solchen Zustand. Wer diese umfassende Lehre des Buddhismus richtig hören will, muss daher emotionsfrei, das heißt im Gleichgewicht, sein. Ohne eine solche Balance kann man also weder den Dharma lehren noch ihn hören. Ohne dieses Gleichgewichts redet man zwar mit Worten und hört die Worte. Aber diese allein sind nicht der Kern und das Wesentliche der buddhistischen Lehre, so wichtig Worte und Reden auch sein mögen.