Donnerstag, 5. Januar 2017

Neuer Kommentar: Das Geheimnis des Herz-Sutra

(Von Yudo J. Seggelke Roshi, überarbeitete Fassung vom 29.Februar 2020)


Neue Klarheit beim Herz-Sûtra durch Nâgârjûnas Mittleren Weg
Um es vorweg zu sagen: Zum Verständnis und zur Interpretation des geheimnisvollen und für viele verwirrenden Herz-Sutra ist es aus meiner Sicht ein neuer Ansatz erforderlich. Ich halte es für sinnvoll, ja notwendig, die Aussagen Nâgârjunas aus seinem großen Werk des Mittleren Weges (MMK) heranzuziehen. Denn dadurch lassen sich scheinbare Paradoxien und Unklarheiten weitgehend auflösen. In ähnlicher Weise gehen Kazuaki Tanahashi und Joan Halifax in dem großartigen und umfassenden  Buch "The Heart Sutra" und dessen Übersetzung ins Englische vor. Auch Karl Brunnhölzl geht in seinem wertvollem Buch: "Das Herz Infarkt Sutra. Ein neuer Kommentar des Herz-Sûtra" spannende neue Wege zum Verständnis dieses von Geheimnissen umgebenen Sûtras auf der Grundlage des tibetischen Buddhismus. Er schafft bisher nicht gekannte Detaillierungen und Klarstellungen durch das tibetische Verständnis der Leerheit und den vielfältigen Negationen des Sûtra. Es wäre  dabei aus meiner Sicht sicher weiterführend, auch eine Beziehung zu Nagarunas Weg der Mitte auszuarbeiten. Dies umso mehr, da Nagarjunas Werk auch im tibetischen Buddhismus fundamentale Bedeutung hat.

Was könnte der Grund sein, dass Nâgârjunas Werk  des MMK bisher zu wenig für das Verständnis Herz-Sutra herangezogen wird? 

Die Antwort lautet aus meiner Sicht: Das MMK ist sicher eines der schwierigsten buddhistischen Werke. Es gab gerade beim MMK viele Missverständnisse und fatale Fehlinterpretationen. Dieses Werk wurde bis vor wenigen Jahrzehnten als Nihilismus, und als total neue Lehre des Buddhismus und der Leerheit verstanden. Das ist nicht zu halten. Mein Lehrer Nishijima Roshi fand einen neuen Schlüssel durch die enge Beziehung zum Zen-Buddhismus und besonders zu Dogens Shobogenzo. Wissenschaftlich haben die Arbeiten von Kalupahana und Garfield eine neues konstruktives Verständnis erarbeitet. Denn es geht Nâgârjuna gerade darum, den authentischen Buddhismus von Erstarrungen und Dogmatisierungen durch das absolute Substanz-Denken und durch das Trennen und "Zerhacken" in unverbundene getrennte Momente (Momentanismus) zu befreien. Auf diesen Grundlage habe ich weiter gearbeitet und zusammen mit der Indologin Elisabeth Steinbrückner eine ganz neue Basis-Übersetzung erstellt. Nun möchte die Ergebnisse kurz darstellen. Mit den Doktrinen des Substantialismus und Momentanismus könnte es nämlich bei genauer Analyse weder Veränderungen, Lernprozesse, Fließ-Energien und Kreativität  noch die Überwindung des Leidens geben. Das wäre in der Tat für den Buddhismus absurd.

Von zentraler Bedeutung ist das Verständnis der Wirklichkeit Buddhas und Nâgârjunas als wechsel-wirkendes gemeinsames Entstehen (pratitya samutpada), das bisher meist zu eng und nicht  exakt als abhängiges Entstehen übersetzt wurde. Genau diese Wechsel-Wirkung  der Natur wird von Nâgârjunas mit  Leerheit 
bezeichnet. Denn die Natur ist leer von Doktrinen, Ideologien und noch so intelligenten Konstrukten . Es geht um vernetzte und rückgekoppelte Prozesse und Veränderungen in der Natur und damit auch beim Menschen. Damit ist auch die Fließ-Energie der Natur und des Menschen einbezogen, die chinesisch als Chi bezeichnet wird und zentral für den Chan-Buddhismus ist. Diese Energie kann geradezu als Lebens-Energie bezeichnet werden. Wie kann man überhaupt eine buddhistische Philosophie und Praxis postulieren, die eine solche Lebens-Energie verneint? Genau da setzt das Herz-Sutra an. Schon unser Atmen ist Lebens-Energie, Leben ist niemals Statik und schon gar nicht Erstarrung.  Und wie ist die Verbindung mit der Leerheit?  Für viele von uns ist die Bedeutung und Relevanz der Leerheit schwer zu verstehen. Bei deren falschem Verständnis wird die Leerheit  nach Nâgârjuna zu einer gefährlichen "giftigen Schlange", die man keinesfall ergreifen sollte. Leerheit der Natur bedeutet schlicht, dass sie leer von Täuschungen und Illusionen ist, die von Menschen bewusst oder unbewusst hinzugesetzt werden. Leerheit der Natur und ders Menschen heißt, dass die Natur so ist, so wie wie sie wirklich ist und wie sie wirklich fließt und vernetzt ist. Ohne etwas hinzuzusetzen oder wegzulassen. Wer das verwirklich, ist erwacht und erleuchtet. Das ist das natürliche Entstehen in Wechsel-Wirkung in der Wirklichkeit und kann ohne jede Mystifizierung verstanden werden. Wie geht das?

Verkürzt kann man m. E. sagen, dass das Herz-Sutra als Zusammenfassung der sehr umfangreichen Mahayana- und Madyamika-Schriften als Kurzfassung des Mittleren Weges Nâgârjunas zu verstehen  ist. Daher wird vor allem materialistisches und doktrinäres Denken  abgelehnt. Dadurch kommt die authentische Botschaft Buddhas  des lebendigen und wechselwiekenden Weges klar zum Ausdruck. Wir sollten also das Werk Nâgârjunas studieren und auf dies Weise auch den wahren Sinn das Herz-Sutra klären. Das ist m. E. bisher nicht konsequent genug geschehen.


Ohne das obige Verständnis der lebenden vernetzten Wirklichkeit und der fließenden Energie der Natur kann nach Nâgârjuna die Befreiungs-Lehre Buddhas weder verstanden noch verwirklicht werden. Derer weiter führende WEG wäre dann blockiert und auch durch manche geradezu  abenteuerliche Vorstellungen der Leerheit versperrt oder sogar vergiftet.



Dann bliebe die großartige Wahrheit des Herz-Sutra verborgen und dieses Mantra wäre verwirrend und damit wirkungslos - um es freundlich auszudrücken. Gläubige Naivität, fehlende Reflektion und Verwirrungen sind nach Nâgârjunas gerade nicht das Anliegen des Buddhismus. Dann ist wäre schon besser, das Herz-Sûtra in Japanisch, Chinesisch, Sanskrit,Tibetisch oder auch Deutsch nur zu rezitieren und die Bedeutung ganz beiseite zu lassen. Dann hätte man wenigstens die Energien der Laute und des Rezitierens gerettet. Aber ist das wirklich die Lösung des Problems? Wohl kaum.

Kurze Zusammenfassung des Mittleren Weges (MMK) von Nârgâjuna
Im ersten Teil der Präambel des MMK werden acht wichtige buddhistische Begriffe negiert, z. B. „Nicht-Entstehen“, und "Nicht-Vergehen", sowie "Nicht-Abbrechen" und "Nicht-Andauern" usw.. Das sind übrigens genau die selben Begriffe wie in den sechs Negationen im Herz-Sutra. Damit fordert Nâgârjuna uns auf, die nur oberflächlich verstandenen Begriffe in Frage zu stellen, die nicht selten dogmatisch verhärtet und zu doktrinären Worthülsen verkommen sind. Sie sollen entschlackt und zu neuer Kraft und zu neuem Leben erweckt werden. Das mag für Viele zunächst ein Schock sein, wie auch Brunnhölzl beschreibt. Es geht aber keineswegs um deren vollständige Verneinung, wie nihilistische Interpreten behauptet haben. Nihilismus ist nämlich eine extreme Philosophie, die nach dem Mittleren Weg falsch, gefährlich und abzulehnen ist. Wir dürfen auch nicht nur die mathematische Logik des Exklusiven-Oders (Ja oder Nein) anwenden, das ist nicht die "Weisheit jenseits der Weisheit" (Tanahashi).

Was sagt nun Nâgârjuna positiv zu diesem Thema?
Die Präambel des Mittleren Weges (MMK) beschreibt in sehr kompakter Form dessen Kern-Aussagen. Sie lenkt unseren Geist und unser Leben auf das große Anliegen Nâgârjuna , eine belastbare Grundlage für den authentischen Buddhismus zurückzugewinnen und gleichzeitig die philosophische Entwicklung in Indien seit Buddha einzubeziehen und zu nutzen. Dies Klarstellung war dann wichtiges Fundament des späteren Chan- und Zen-Buddhismus.

Damit wird das Tor für die weite Verbreitung der korrekten buddhistischen Lehre und Praxis über Indien, China, Japan usw. bis hin zur Moderne im Westen geöffnet. Was sind nun die Kern-Aussagen der Präambel, die in den folgenden 27 Kapiteln des MMK im Einzelnen bearbeitet und philosophisch zwingend analysiert werden?

Nâgârjuna  will ganz klar zwischen den Vorstellungen, Doktrinen und Dogmen in unserem Gehirn und der Realität des Fließens und der Entstehens in Wechsel-Wirkung unterscheiden. Dabei wird besonders die Doktrin Lehre Sarvastivadins falsifiziert, die eine dauerhaften Existenz der Dharmas postuliert. Und diese Realität bezeichnet er als Leerheit! Nämlich als Leerheit von Wirklichkeits-fremden Doktrinen und verzerrenden Ideologien. Sie entstehen nicht zuletzt durch den Glauben an die absolute Wahrheit von Begriffen und überhaupt von Sprache. Es geht ihm darum, wann und wo solche Vorstellungen und Dogmen sich in unserem Gehirn verselbständigt und isoliert haben, z.  B. der Glaube an eine isolierte unsichtbare Substanz in der Welt und in der Natur. Dann haben solche Doktrinen den Bezug zur Wirklichkeit verloren, sind Täuschungen und es gibt keine fruchtbare Wechsel-Wirkung von Realität und unserem Geist. Das erzeugt gerade das Leiden1 Es ist für mich undenkbar, dass Entstehen und Vergehen usw. der Natur und des Menschen abgelehnt werden, denn das wäre die Ablehnung von Veränderung, Lernen und Emanzipation. Das ist aber die zentrale Lehre des Buddha-Dharma, der Vier Edlen Wahrheiten, des Achtfachen Pfades und der Zwölffachen Kette usw.. Das Gegenteil ist also richtig. Die Zwölffache Kette führt in einer Folge von fatalen Kausalitäten zwingend ins Leiden, wenn unser Geist von dem Glauben an die  Extremen der Existenz und Nicht-Existenz besetzt ist. Aber sie führt zur Freiheit, wenn wir ganzheitlich dem Mittleren Weg folgen Buddhas und Nâgârjunas (Kaccana sutta). 

Dann kommt die zentrale Botschaft des MMK:
Die Realität der Welt und des Lebens kann durch das „wechsel-wirkende gemeinsame Entstehen“ (pratitya samutpada) treffend verstanden werden. Diese Wechsel-Wirkung ist die wirklich belastbare Grundlage für unseren eigenen Weg der Befreiung, Emanzipation und Weiter-Entwicklung, also der Überwindung des Leidens und die Realisierung des Erwachens. Sie ist gleichzeitig der Schlüssel zu dem Begriff der Leerheit, der diese Wechselwirkung der Natur bezeichnet, (MMK, Kap. 24, Vers 18 und 19). Damit werden mythologischen Bedeutungen der Ontologie und Metaphysik abgelehnt und destruiert. Sie sind Hemmnisse auf dem Weg der Befreiung. Die obigen Negationen des MMK und des Herz-Sutra ist daher das falsche Weltverständnis einer Wirklichkeit, die keine Wechsel-Wirkung und damit keine Leerheit von Doktrinen kennt und gerade nicht mit dem authentischen Buddhismus übereinstimmt. Das berühmte Herz-Sutra stimmt also gerade mit dem MMK und den obigen Aussagen fast wörtlich überein. Damit wird die authentische Theorie und Praxis des Buddhismus von Unklarheiten und Fälschungen befreit.

Auf dem buddhistischem Weg kommen vielfache Fehlentwicklungen unseres Leben zur Ruhe und vergehen, die uns häufig hemmen und verwirren. Sonst würde unser fast unbegrenztes menschliches Potential ungenutzt bleiben, z. B. unseres Geistes: Wir würden solche Möglichkeiten und Chancen schlicht vergeuden.

Die Präambel des MMK sagt zum Shluss: "Gautama Buddha zeigte uns als vollkommen Erwachter diesen Weg der Befreiung." Nâgârjunas verehrt ihn als den größten Lehrer und den „besten der Sprechende".


Zurück zum Herz-Sûtra:
Alle Extreme sind nach dem Mittleren Weg gerade kein brauchbares Verständnis der Wirklichkeit. Deshalb sind Nicht-Existenz, absolute Negationen und Nihilismus mit dem Buddhismus nicht vereinbar (Quelle: Kaccana sutta und MMK). Gegenfrage: Aber im Herz-Sûtra gibt es doch so viele Negationen. Wie soll man diese verstehen?

Alle Doktrinen ohne wechsel-wirkendes gemeinsames Entstehen und damit ohne Leerheit sind wie oben dargestellt unzureichend. Sie beschreiben eine unveränderliche, statische und erstarrte Welt von Gegenständen, Gegebenheiten und Substanzen, die es nicht gibt und nicht geben kann. Dann kann es z. B. kein Entstehen, kein Vergehen, keine Veränderungen, keine Emanzipation und keine Erleuchtung geben. Die verändernde und heilende Lebens-Energie und der Flow würden dabei vernachlässigt. Solche Doktrinen können überhaupt nicht als Grundlage für Buddhas praktischer Philosophie zum Erkennen und Überwindung des Leidens verwendet werden (MMK, Kap. 24). Es sind Doktrinen, die meist fälschlich von einer unsichtbaren Eigen-Substanz (svabhâva) der Dinge und Phänomene dieser Welt ausgehen, die isoliert, aus sich selbst und ohne Wechselwirkung entstanden sein sollen. Aber so Etwas ist nach Buddha Täuschung und gefährliche Illusion, das ist die Dogmatik der Substantialität und des âtman-Ego.

Solche falschen Ideologien hatten sich zur Zeit Nâgârjunas (und bis in die heutige Zeit) wieder im Buddhismus verbreitet und wurden von ihm einer präzisen De-Konstruktion (ähnlich beim französischen Philosophen Derridá) unterzogen (MMK, Kap. 1).

Schlussfolgerung:
Nach Nâgârjunâ kann man analog zum Mittleren Weg konkret zum Herz-Sûtra Folgendes sagen:
Der Bodhisattva ist ein voll Erleuchteter mit Körper, Geist und Handeln, der anderen tatkräftig hilft, ohne für sich selbst einen spirituellen Vorteil anzustreben. Er  hat das Höchste des möglichen Wissens und Handelns erreicht und ist frei von schädlichen Doktrinen und Vorurteilen, wie z. B. des Substantialismus und Momentanismus. Also vor allem der Behauptung einer ewigen, unveränderlichen Substanz wie beim âtman und auch des totalen Verschwindens im Nichts.

Die Komponenten des Menschen (skandhas) werden am Beispiel der Form, des nur scheinbar körperlich isoliertem und unveränderlichem Materiellen, in ihrer Wirklichkeit beschrieben (MMK, Kap. 4): Sie unterliegen dem  gemeinsamen Entstehen in Wechsel-Wirkung und der Vernetzung der Wirklichkeit (MMK, Präambel und Kap. 1), die Nâgârjuna als Leerheit bezeichnet. Daher sind die Form und die anderen skandhas leer von solcher Doktrin

Die wirkliche Form ist also in Wechsel-Wirkung und genau deswegen ist sie leer, leer von Erstarrung und Unveränderlichkeit, dem âtman oder einer unsichtbaren und total isolierten Eigen-Substanz. Die Komponenten des Menschen sind in der Wirklichkeit nicht voneinander getrennt und nicht isoliert, sondern vernetzt, in Wechsel-Wirkung und daher ohne isolierte Eigen-Substanz. Sie sind in Wechselwirkung und wirken dynamisch mit Lebens-Energie zusammen. Daher sind sie  nicht nur materiell zu verstehen, sondern gehen über Materielles hinaus. Sie übersteigen auch die Ebene der Sprache und Worte, der Intellektualität und der mathematischen Logik. Alle diese Behauptungen sind unwirkliche Doktrinen und Illusionen, die wie die des âtman ins Leiden und in Abhängigkeit führen. 
Brunnhölzl spricht sehr anschaulich von isolierten aufgeblasenen Luftballons, die platzen müssen.

Die Negationen im Herz-Sutra bezeichnen also falsche Doktrinen, einer unsichtbaren Eigen-Substanz, ohne wechsel-wirkendes Entstehen und damit ohne Leerheit (MMK. Kap. 24). Mit ihnen verirren wir uns in eine imaginäre Scheinwelt, die unveränderlich, erstarrt und substantialistisch ist. Dann gibt es kein Entstehen und Vergehen (MMK, Kap. 7) und keine Entwicklung, Befreiung und Emanzipation des Menschen. Buddhas Befreiungs-Weg ist mit solchen Täuschungen und Illusionen obsolet. Die Negationen des Herz-Sûtra sind aber kein Nihilismus, der behauptet, dass es weder Augen, Ohren usw. in der Wirklichkeit gibt! Das Gegenteil ist richtig: Illusionen, Dogmen und Vorurteile werden durch unverstellte Wahrnehmung beiseite geräumt und dadurch kommt die Wirklichkeit und dynamische Schönheit erst voll zur Klarheit. Durch solche Täuschungen haben wir z. B. keine Augen, die Wirkliches und Wahres sehen können. Solche Augen gibt es in Wirklich keit nicht.

Mit der falschen Doktrin von unveränderlichen unsichtbaren Substanzen beim Menschen und der Welt gäbe es also keine wirkliche unverstellte sinnliche Wahrnehmung (MMK, Kap. 3), keine Organe des Menschen, usw.. Sie wären reine Illusionen und falscher gefährlicher Zauber. Gleiche Illusionen und Täuschungen gelten für abgehobene geistige und spirituelle Tätigkeiten, Wissen,  Ethik, Achtsamkeit, Meditation, Ziele des Erreichens, der Befreiung, Erleuchtung und die anderen Bereiche von Buddhas Lehre. Besonders die Ziele des Erreichens der buddhistischen Freiheit und das Erreichen selbst als Handeln werden durch erstarrte Dogmen, Selbstüberschätzung und andere Illusionen unmöglich gemacht. Daher heißt es im Herz-Sutra: Weil der Bodhisattva frei von solchen doktrinären Verirrungen und Illusionen ist und er lebt frei. Wörtlich heißt es im Herz-Sutra:  "Aus der Nicht-Existenz eines Geistes mit Hemmnissen ist er ohne Schrecken, hat das Gegenteil erklommen, ist gestützt und gegründet im Nirvana". Diese Befreiung ist das Erwachen im alltäglichen Leben, das Nirvana im Hier und Jetzt. Das ist ein Leben ohne Angst, die höchste Weisheit und "das andere Ufer".

Wir besitzen heute verlässliche wissenschaftliche Ergebnisse aus der Öko-Systemforschung und auch der Gehirnforschung, nämlich der Vernetzung, Plastizität, Bahnungen, Vernetzung, des modularen Aufbaus und der permanenten synaptischen Aktivitäten des Lernens und Veränderns. Sie haben keinen materiellen oder Kern etwa des âtman, sondern sind ein hervorragendes, innovatives und vernünftiges Ganzes, das im Gleichgewicht sehr gut funktioniert und von uns beeinflussbar ist. Dieses Ganze nennen wir im Einklang mit Buddha und Nâgârjuna Leerheit. Ist das nicht erstaunlich!

Die Schluss-Aussage des Herz-Sutra "gegangen" bedeutet, dass die falschen Doktrinen, Vorstellungen, Täuschungen und unrealistischen Konzepte verlassen wurden, die im Hauptteil des Herz-Sutras im Einzelnen aufgezählt und falsifiziert werden. Das ist der große Befreiungsweg! Denn es geht um die vernetzten unverstellte Wirklichkeit von Körper, Geist, Psyche, Handeln und Lebens-Energie des Hier und Jetzt. Das ist die Grundlage unsere Befreiung von Täuschungen, Illusionen, Vorurteilen absolutistischen Weltanschauungen  und erstarrten Doktrinen. Ein metaphysischer Glauben an ein jenseitiges illusionäres Nirvana ohne Entstehen, Vergehen und der Lebens-Energie ist nach Nâgârjunâ auch nicht erforderlich und führt meist zu Illusionen, Verwirrungen und zum Leiden.