Kausalität, Wechselwirkung, Wirkkraft
und Frucht des Handelns
Hinführung
Gautama
Buddha hat als einer der Ersten in der menschlichen Kultur konsequent die
Möglichkeiten und Chancen jedes einzelnen Menschen aufgezeigt, durch
psychologische Vernunft, eigene Initiative und eigenes Handeln aus seinen
Schwierigkeiten, Problemen und Leiden herauszukommen und eine befreiende
Entwicklung zu realisieren. Dabei werden keine höheren übernatürlichen
göttlichen, mystischen oder absoluten Kräfte angerufen, so
ndern es geht um die
selbst gestaltete Befreiung und Emanzipation des Menschen. Daher ist im
Buddhismus die Kausalität von Verursachung und Wirkung – oder wie es oft heißt
der Früchte – ganz zentral. Entsprechend sind die Schwerpunkte von Buddhas
Lehre und Praxis Entwicklungsprozesse, das Abbauen von Blockaden und Hemmnissen
und die großartige Möglichkeit, Erleuchtung durch eigene Kräfte und in
Wechselwirkung mit anderen Faktoren zu erlangen. Das bedeutet, alle
wesentlichen Hindernisse klar zu analysieren, Interaktionen zu erkennen und die
Widerstände des Denkens, Fühlens und Handelns zu überwinden und aufzulösen,
wobei der Kausalität von wirklichen Ursachen und Wirkungen in der jeweiligen Situation eine fundamentale Bedeutung
zukommt. Wir müssen dabei von wechselwirkenden Beziehungen ausgehen, die in der
Präambel bereits kurz, aber präzise formuliert sind. Bei solchen komplexeren rückgekoppelten
und vernetzten Prozessen sind Spekulationen
über Ursachen und Zusammenhänge
genauso wie dogmatische Behauptungen ausgesprochen gefährlich, man denke nur an
den Geistesterror der Nationalsozialisten und des „Islamischen Staates“.
Außerdem
muss klar zwischen sprachlichen Begriffen und Texten einerseits und der
Wirklichkeit andererseits unterschieden werden: Begriffe deuten im besten Fall
auf die Wirklichkeit hin, aber sie sind
nicht die Wirklichkeit – so wie der Finger auf den Mond zeigt, aber nicht
die Wirklichkeit des Mondes ist. Häufig suggerieren Begriffe sogar eine
Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. Dann zeigt der „Begriffsfinger“ auf gar
nichts oder etwas Falsches, ist ohne Bedeutung, hat keine Relevanz und hat sich
verselbstständigt und von der Wirklichkeit isoliert. Er ist nur hohle Pose ohne
Bedeutung, verbreitet also Fake News. Dieses Phänomen von Scheinwelten zeigt
sich zum Beispiel in der Politik von Diktatoren, die die Presse und Medien
ihres Landes beherrschen. Aber auch religiöse Machteliten neigen immer wieder
zu einer solchen, manchmal dubiosen, Informationspolitik, sei es bewusst oder
nicht. Gerade bei der Analyse von Kausalitäten und Ergebnissen ist daher
Vorsicht geboten, aber sie ist von zentraler Bedeutung für verlässliche
philosophische Aussagen.
An
dieser Stelle ist auf ein schwerwiegendes philosophisches Problem hinzuweisen:
Unsere westlichen und auch die vorbuddhistischen Weltanschauungen und Sprachen
suggerieren oft, dass die Dinge und Phänomene der Welt eine wahre absolute Ur-Bedeutung wie einen Ur-Kern,
ein Ur-Wesen, eine Ur-Idee, eine Ur-Substanz oder einen Ur-Grund
haben, die schon immer da waren und sich dann später in der konkreten Welt
manifestieren. Sie seien dann erst durch erkennbare Merkmale in die sichtbare
Realität eingetreten. Die Vernunft habe daher zu fragen, ob auch die Merkmale
als unabhängige Entitäten schon immer da waren, um sich später mit dem Ur-Wesen
zu verbinden. Die Ur-Wesen und Ur-Ideen bzw. Ur-Substanzen seien also das
Primäre, Wesentliche und Wahre, während die materielle sichtbare Welt sekundär
und zudem unzuverlässig sei. Buddha und Nāgārjuna weisen solche Spekulationen
und Ideologien entschieden zurück, da sie für Befreiungsprozesse eher schädlich sind, weil sie von den zentralen
Problemen ablenken. Solche Anschauungen sind meist offen oder latent
fundamentalistisch.
Nāgārjunas
Untersuchungen und De-Konstruktionen enttarnen im MMK häufig ontologische,
absolute und doktrinäre Unterstellungen im Hinblick auf die zentrale
buddhistische Lehre und deren Begriffe. Wir sind dabei allerdings auch an
unsere Sprache gebunden, an Worte, Sätze und Texte und können nicht einfach aus
der Sprache „aussteigen“, auch und gerade wenn wir uns von ontologischen Fälschungen
lösen wollen. Das geht nur mit Sorgfalt und Achtsamkeit, wenn die
„Ummantelungen“ durch Begriffe mit falschen oder ungenauen Vorstellungen einer fiktiven inneren Substanz entfernt
werden.
Es
gibt auf der Erde kein sozialeres Wesen als den Menschen. Dafür sind Empathie
und Unabhängigkeit von Dogmen ausgesprochen wichtig. Einsamkeit und Isolation
sind dagegen ein wesentlicher Grund für Leiden, Elend und Schmerzen. Sie führen
zu Depressivität und tief greifender Unzufriedenheit im Leben. Das Gefühl der
Einsamkeit entsteht nach Erkenntnissen der Gehirnforschung in demselben
Teilsystem des Gehirns, das für physische Schmerzen zuständig ist, nämlich dem
Schmerzzentrum.[i]
Mit
dem gemeinsamen Entstehen in Wechselwirkung (pratitya
samutpada) und der Vermeidung von Extremen präzisiert Nāgārjuna in sehr markanter Weise den Kern der
buddhistischen Lehre. In diesem ersten Kapitel des MMK untersucht er die Lehre
der notwendigen oder hinreichenden Bedingungen der Kausalitäten mit dem Ansatz
von pratitya samutpada, der in der
Präambel als Fundament der folgenden
Analysen vorgestellt wird. Ohne ein Mindestmaß an Klarheit über die kausalen
Zusammenhänge des Leidens, deren Beobachtung und Achtsamkeit, ist die
Überwindung des Leidens nicht möglich. Das Gleiche gilt umgekehrt für die
Freude.
Ein
weiteres Thema ist Nāgārjunas Kritik an einem absoluten und statischen
Weltbild, das vom Glauben an unveränderliche, isolierte und ewige Entitäten, die
fiktiven Substanzen, geprägt war. Die Vertreter eines solchen Substantialismus
wurden Sarvastivadins genannt. Diese
Bezeichnung enthält die Sanskrit-Begriffe sarva
für „alles“ und asti für „existiert“
oder „ist“. Kurz gesagt heißt das: Alles existiert angeblich dauerhaft in Form von abgegrenzten substanzhaften
Entitäten. Danach bestehen die Dharmas auf Dauer und unveränderlich bis in die
Ewigkeit, und wie aus Bausteinen sollte sich aus ihnen alles zusammensetzen.
Zudem sollten diese Dharmas oder die aus ihnen zusammengesetzten Dinge und
Phänomene allein aus sich selbst
entstanden sein. Das alles ist laut Nāgārjuna jedoch nicht beobachtbar, daher nicht
evident und wurde deshalb von ihm als Illusion, Fiktion und Täuschung
destruiert. Ein solches Weltbild verstand sich zwar als Buddhismus, war aber
nach seiner Überzeugung grundsätzlich davon abgewichen, weil es die
Entwicklungs- und Lernprozesse des Menschen nach dem Kausalprinzip nicht
berücksichtigte und Wechselwirkungen und
Interaktionen mit anderen Dharmas und zwischen den Menschen vernachlässigte
oder ganz ausblendete.
Die
Lehre des Substantialismus hat markante Ähnlichkeiten mit der alten
griechischen Vorstellung von den Atomen, die unteilbar seien und aus denen sich
alles Materielle der Welt zusammensetzen würde. Heute wissen wir, dass dies
naturwissenschaftlich nicht haltbar ist, weil auch der subatomare Bereich immer
weiter unterteilt werden kann, je weiter die Forschung voranschreitet. Man
gelangt zu immer kleineren Elementarteilchen, die aber im eigentlichen Sinne
gar keine materiellen Teilchen sind, sondern eher als kurze Energie-Prozesse oder Schwingungen verstanden werden können.
Der bekannte Physiker Hans Peter Dürr sprach daher lieber von
„Elementar-Prozesschen“ als von Teilchen.[ii]
Eine
weitere von Nāgārjuna kritisierte Lehrmeinung nahm an, dass es ein plötzliches
radikales Beenden und plötzliches
neues Beginnen der Dharmas in Form
von Ereignissen aus dem Nichts geben würde. Die Vertreter dieser Richtung des
Momentanismus hießen Sautrantikas. Aber abruptes zeitloses Beenden oder Beginnen ist mit
fortlaufenden wechselwirkenden Prozessen der Wirklichkeit nicht vereinbar,
sondern abstrakter unwirklicher Intellektualismus. Es handelt sich ebenfalls um
Fiktionen, Täuschungen und nicht reale Abstraktionen.
Der
wichtige Begriff Dharma hat im
Buddhismus vielfältige Bedeutungen, von denen drei fundamental sind. Sie werden
in den verschiedenen buddhistischen Schulen und Sekten teils recht
unterschiedlich interpretiert:
1)
wahre Lehre (Buddha-Dharma),
2)
die Wirklichkeit selbst,
3)
elementare Dinge und Phänomene (Bausteine der Welt).
In
den folgenden Versen analysiert Nāgārjuna zentrale Fragen des Buddhismus in
Abgrenzung zu den beschriebenen spekulativen Weltbildern und Fiktionen:
Entstehen und Vergehen, Kausalität, wechselwirkende Faktoren, Wirkkräfte und
schließlich die Frage nach den „Früchten“ buddhistischen Handelns und dessen
Ethik.
Übersetzung und Erläuterung der Verse
Vers 1.1
Es wird kein Seiendes (Ding, Phänomen) überhaupt
irgendwo gefunden, das total aus sich selbst oder total aus etwas anderem
heraus entstanden ist. Es wird auch nicht etwas gefunden, das sowohl total aus
sich selbst als auch total aus einem anderen entstanden ist.
Auch wird nichts irgendwo gefunden, das ohne
Veranlassung und ohne Kausalität entstanden ist.
Damit falsifiziert Nāgārjuna die Doktrin des
Substantialismus, die der altindischen Philosophie der Veden sehr ähnlich ist;
ihre Grundlage bildet die unveränderliche Dauerhaftigkeit von Dingen,
Phänomenen und fiktiven Substanzen. Zuerst geht er auf die alte und in seiner
Zeit wieder neu erstarkte Metaphysik ein, dass etwas ganz aus sich entstanden
sei. Dies sollte vor allem auf den Gott Brahman am Anfang der Welt zutreffen.
Diese metaphysische Ideologie war in der vorbuddhistischen Zeit in Indien weit
verbreitet.[iii] Alles,
was wir in der Wirklichkeit finden und wahrnehmen, entsteht und vergeht aber in
der Welt mit Veranlassung und damit durch
Kausalität – meist Ursache genannt – im
Rahmen der Wechselwirkung. Die Welt ist in Wechselwirkung entstanden.
Aus sich selbst entstandene, isolierte,
unveränderliche und dauerhaft existierende Entitäten und Substanzen sind in
unserer Welt laut Nāgārjuna nicht zu finden. Entsprechend gibt es auch kein
Entstehen aus etwas anderem und kein Entstehen isoliert aus sich selbst und
zugleich aus einem anderen. Das ist die Theorie der totalen Identität und
Differenz[iv]
isolierter Entitäten, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Eine
Außenverursachung wurde in der vorbuddhistischen Zeit von dogmatischen Materialisten
vertreten, die eine totale Determination durch absolute Naturgesetze
behaupteten, denen sogar die Götter unterliegen sollten.[v] Buddha und Nāgārjuna warnen eindringlich vor
derartigen spekulativen metaphysischen Philosophien, weil sie realitätsfremd
sind und letztlich viel Leiden und Elend erzeugen.
Gegenwärtig kursieren in manchen esoterischen Gruppen
wieder solche angeblichen ewigen Wahrheiten
und Weltanschauungen. Viele glauben an das eigene Ur-Ich, das sich aus sich
selbst entwickelt und vielleicht durch die Umwelt nur gestört und verzerrt
wird. Außerdem gäbe es kosmische, einseitig von außen wirkende Ur-Kräfte, die
die Dinge und Phänomene dieser Welt erzeugen würden und von uns nicht
beeinflusst werden könnten, denen wir einfach ausgeliefert seien. Im Sinne von
Buddha und Nāgārjuna sind solche Spekulationen und Fiktionen nicht wahr, sie
sind gefährliche Täuschungen.
Nishijima Roshi interpretiert diesen Vers in
Übereinstimmung mit Meister Dōgen als die Ablehnung des rein Subjektiven, des angeblich aus sich
selbst agierenden Menschen, und außerdem als Ablehnung des rein materiell Objektiven, also dessen, was
unabhängig vom Menschen materiell vorhanden ist. Er verwendet dafür die
Begriffe Idealismus und Materialismus. Nach Nishijima Roshi ist
die Befreiung und Zufriedenheit der Menschen weder durch einseitigen Idealismus
noch durch deterministischen Materialismus zu erreichen. Auch eine Kombination
beider führt nicht weiter. Daher müssen Zufriedenheit beim Handeln im Augenblick und die eigene Emanzipation hinzukommen. Dem
folge ich ausdrücklich.
Am Ende des Verses betont Nāgārjuna, dass es in
unserer Welt für alles Seiende immer eine wechselwirkende Veranlassung und
Kausalität gibt. Scheinbar statische und isolierte Dinge und Phänomene sind
nicht zu erkennen und ohne validen Bezug zur Wirklichkeit. Die fundamentale buddhistische Lehre der
Kausalität in der Vernetzung kann nämlich
nicht für isolierte Entitäten gelten, sondern nur für wechselwirkendes
gemeinsames Entstehen und Vergehen.
Vers 1.2
Es gibt vier wechselwirkende Faktoren:
– Veranlassung oder Kausalität,
– Stütze, zum Beispiel die äußere materielle
Umgebung,
– Abfolge, also ein fortlaufendes zeitliches
Nacheinander,
– und etwas Übergeordnetes.
Ein fünfter wechselwirkender Faktor existiert nicht.
Nāgārjuna
beschreibt die Wirklichkeit in unserer Welt durch vier verlässliche
wechselwirkende Faktoren und nimmt damit Bezug zum Entstehen in Wechselwirkung,
das er in der Präambel behandelt. Nach der Falsifizierung des Entstehens aus
sich selbst oder aus dem anderen in Vers 1.1 erklärt Nāgārjuna in diesen
Zeilen, dass bestimmte Zusammenhänge in der Wirklichkeit vorliegen, ohne die es
keine Veranlassung oder Verursachung
in der wechselwirkenden Welt und beim Menschen geben kann. Jeder Prozess und
jede Vernetzung bedarf einer gewissen Umgebung oder einer Situation, die er als
Stütze bezeichnet.
Schließlich laufen in der sich ständig verändernden
Welt zeitliche Prozesse unaufhaltsam und ohne Unterbrechung nacheinander ab.
Das ist mit Abfolge gemeint. Außerdem
nennt Nāgārjuna übergeordnete Bedingungen
und Einflüsse, die zum Beispiel in der modernen Sozialwissenschaft mit dem
Begriff Sinn bezeichnet werden.[vi] In
jeder Gruppe und bei jedem Menschen sind derartige übergeordnete Richtlinien,
Regeln und Bedingungen zu finden. Besonders deutlich ist dies bei religiösen
Menschen und Gruppen, die einem bestimmten Glauben folgen.
Obgleich in verschiedenen buddhistischen Theorien,
die im späteren Abidharma philosophisch vielschichtig analysiert und
systematisiert sind, erheblich mehr Faktoren und Bedingungen, nämlich bis zu
100 und mehr, aufgeführt werden, sagt Nāgārjuna eindeutig, dass es für ihn
keinen fünften Faktor gibt. Nishijima Roshi bezeichnet die Faktoren in diesem
Sinne richtigerweise als verlässliche Tatsachen der Wirklichkeit (reliable facts).
Vers 1.3
Denn ein isoliertes, nur aus sich selbst heraus gewordenes Seiendes wird für die wechselwirkenden Faktoren in der Welt nicht gefunden.
Ein total aus sich selbst gewordenes Seiendes ist
also nicht auffindbar und nicht evident. Es wird auch nicht ein Seiendes
gefunden, das nur von einem anderen
isolierten Seienden existiert.
Hier
wird das Grundprinzip des ersten Verses auf die Elemente der Welt, die Dharmas,
angewendet: Total isolierte unveränderliche Dharmas ohne Wechselwirkung und
kausale Verknüpfung sind laut Nāgārjuna nicht auffindbar. Er benutzt den
Sanskrit-Begriff svabhāva, dessen
wörtliche Übersetzung „aus sich selbst heraus gewordenes
Seiendes“ lautet. Das entspricht nach Nāgārjuna einer fiktiven täuschenden Substanz.
Ich bezeichne sie als (fiktive) Eigen-Substanz. Dieses Seiende wurde statisch und
isoliert, ja sogar absolut verstanden und steht in der gesamten Lehre des MMK
für ein falsches Verständnis des Buddhismus. Wir haben im Deutschen dafür
keinen direkt entsprechenden Begriff, das heißt, dass es sich für uns um eine
neue Bedeutung handelt. Deshalb sind bei der Interpretation große Sorgfalt und
Vorsicht geboten, sonst können wir wichtige Aussagen des MMK überhaupt nicht
oder nicht richtig verstehen.
Nāgārjuna bezeichnet mit svabhāva etwas in dieser Welt, das zwar in irgendeiner Weise
geworden und entstanden ist, aber ganz auf sich selbst bezogen, isoliert und
auf sich begrenzt ist. Dieses Etwas hat demnach keine Wechselwirkung, sondern Statik, Unbeweglichkeit und
Dauerhaftigkeit. Auf der Suche nach einer semantisch angemessenen deutschen
Bezeichnung für dieses Etwas könnte man den Ausdruck „unabhängiges
selbst-gewordenes Seiendes“ verwenden. Das ist aber eine sehr sperrige Formulierung,
obgleich sie die Semantik von svabhāva
recht genau treffen würde. Ich verwende daher verkürzt für dieses „unsichtbare
substanzhafte Seiende“ den Begriff Eigen-Substanz.
Nāgārjuna macht hier ganz deutlich, dass ein solches
unabhängiges Substanz-Seiendes in der Wirklichkeit nicht evident ist und nicht gefunden
werden kann, es sei fiktiv und schädlich für das Verständnis der realen Welt.
Es würde dem gemeinsamen Entstehen in Wechselwirkung und generell Buddhas Lehre
der Veränderung und Emanzipation des Erkennbaren radikal widersprechen. Bereits in der Präambel wird eindeutig gesagt,
dass alles in der Wirklichkeit gemeinsam in Wechselwirkung entsteht. Wenn
dagegen alle Entitäten isoliert aus sich selbst vorhanden wären, könnte es
überhaupt keine Beziehungen der Entitäten untereinander geben, sodass die
Wechselwirkung ausgeschlossen wäre. Dann wäre unser Leben unveränderlich, und
die Überwindung von Leiden, Elend und Schmerzen sowie die Befreiung und
Emanzipation wären nicht möglich. Es gäbe dann auch kein Erwachen, keine
Erleuchtung und keine Transformation der menschlichen Persönlichkeit.
Vers 1.4
Handlungen
und Wirkkräfte sind einerseits nicht total mit wechselwirkenden
Faktoren ausgestattet. Andererseits sind die Handlungen und Wirkkräfte aber
mit wechselwirkenden Faktoren ausgestattet, wenn auch nicht total.
Wechselwirkende
Faktoren existieren so einerseits
ausgestattet mit Wirkkräften und
Handlungen. Und sie sind andererseits nicht mit Wirkkräften und Handlungen ausgestattet. Beides gilt jeweils nicht in Totalität.
Das
heißt, dass Wirkkräfte des Handelns die wechselwirkenden Faktoren beeinflussen
können, aber nicht mit ihnen identisch sind. Beide haben also eine gewisse
Unabhängigkeit, es besteht keine totale Differenz und keine totale Identität:
Wir können durch unser Handeln aktiv auf vernetzte Systeme der Selbststeuerung
einwirken, damit steuern wir selbst unseren Buddha-Weg.
Nur auf den den ersten Blick scheint der Vers in sich
widersprüchlich zu sein: Handeln sei weder total mit noch ohne
Wechselwirkung kausal gebunden. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass das
nicht der Fall ist, denn unser Handeln ist gerade auch unsere mögliche Freiheit
der Selbststeuerung. Nāgārjuna behandelt die Frage, wie aktives Handeln und
geistige Aktivitäten mit dem bisher Dargestellten und den wechselwirkenden
Faktoren zusammenhängen. Die Formulierung, dass die Kausalität der Wirkkräfte
mit wechselwirkenden Faktoren sowohl besteht als auch nicht besteht, bedeutet
meines Erachtens, dass die Kausalität über eine Eigenständigkeit verfügt, also
nicht durch das System der wechselwirkenden Faktoren total determiniert ist,
ganz gleich ob sie im Gleichgewicht sind oder nicht. Die Extreme der absoluten
Freiheit und der absoluten Determiniertheit werden von Nāgārjuna demnach
ausgeschlossen. Unsere Wirkkräfte treten in Wechselwirkung mit den vernetzten
Systemen der Welt und können Ergebnisse und schlechte
oder gute „Früchte“ erzeugen, zum Beispiel die Überwindung des Leidens
und die Emanzipation von falschen Bindungen.
Es besteht eine
relative, aber nicht totale Unabhängigkeit, aber auch eine relative Verbindung
zwischen aktivem Handeln und dem in sich vernetzten und wechselwirkenden
System. Durch unsere eigene Einwirkung
mit Handeln und gewollten Veränderungen ergibt sich für uns ein „gemeinsames
Gelingen in Wechselwirkung“ – und damit ein gutes Leben. Dieser Zusammenhang
ist ein zentraler Schlüssel des Buddhismus: Wir Menschen haben eine
relative Freiheit und Möglichkeit zur Emanzipation unseres Körper-und-Geistes
durch unser Handeln und können zum Beispiel Heilvolles bewirken und
Unheilvolles verhindern. Aber wir können nicht unsere gesamte Umwelt
schlagartig verändern, sondern haben das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung
zu beachten. Nāgārjuna vertieft diese wichtigen Erkenntnisse an mehreren
Stellen im MMK.
Besonders stark ist diese Thematik im Zen-Buddhismus
ausgeprägt, bei dem das Handeln im
Augenblick das zentrale Moment des Lebens auf dem Weg zur Wahrheit ist.
Reden, Schreiben und Denken kann man vieles, das utopisch, illusionär oder
ideologisch sein kann, aber das Handeln im Augenblick ist eine sehr hohe Stufe
der Wirklichkeit und der Freiheit. Dabei ist die Trennung von Subjekt und
Objekt unwirksam und aufgehoben; das ist die Überwindung des Dualismus. Es
besteht dann eine relative Unabhängigkeit von den Bedingungen des Lebens, und
genau dies ist die Freiheit und Aufgabe des Menschen. Ein erleuchteter Mensch
hat diesen Freiheitsraum zu einem Maximum erweitert. Wenn das Leben durch
andere Menschen oder Gegebenheiten vollständig determiniert und festgelegt ist,
kann man sich nicht entwickeln und ist unfrei. Dies führt immer zu Schmerzen
und Leiden.
Allerdings gibt es weder die absolute Freiheit noch
die totale Abhängigkeit im Leben, aber immer gibt es kreative Momente der
Freiheit und Entscheidung, um den Mittleren Weg zu gehen. Wir sollten die Kraft
zur Selbststeuerung mit Ausdauer entwickeln und die Befreiung verwirklichen.
Darauf kommt Nāgārjuna in den folgenden Kapiteln des MMK immer wieder zu
sprechen.
Vers 1.5
Es heißt: „Wechselwirkend mit den Faktoren entsteht
etwas.“ Diese genannten wechselwirkenden Faktoren sind gewiss solche des
Entstehens.
Solange aber nichts entsteht, gibt es auch keine
wechselwirkenden Faktoren.
Wie ist das zu verstehen?
Die
genannten Faktoren sind keine isolierten, unabhängigen Entitäten, also fiktive
Substanzen, sondern kennzeichnen die Interaktion und Wechselwirkung im Prozess
des Entstehens.
Nāgārjuna
setzt in diesem Vers seine Argumentation aus der Präambel fort, dass Entstehen
und Werden charakteristisch für die Wirklichkeit sind. Dabei wirken die
einzelnen Faktoren zusammen und gerade dadurch wird komplexes Entstehen
möglich. Wenn man dagegen von einem statischen Weltbild ausgeht, in dem nichts
entsteht, ist es auch sinnlos, von wechselwirkenden Faktoren und Bedingungen zu
sprechen. Diese Doktrin eines statischen Weltbildes wurde von Nāgārjuna bereits
destruiert. Mit diesem Vers hat er eine Kernaussage für das gesamte MMK
geleistet und sich in aller Klarheit von einem statischen, erstarrten und
spekulativ-metaphysisch geprägten Weltbild des Buddhismus distanziert.
Abschließend fordert er uns mit seiner Frage auf, eigenständig und reflektierend
seinen Ausführungen nachzugehen.
Der Philosoph Gadamer hat darauf hingewiesen, dass
kein wahres Gespräch entsteht und
auch nicht von der Gegenwart in die Zukunft offen ist, wenn die Ergebnisse
vorher festgelegt sind. Dann gäbe es keine Wechselwirkung, keine Freiheit und
keine Kreativität. Es sollte auch zeitlich möglichst nicht begrenzt sein. In
der Tat ist ein gutes Gespräch das beste Beispiel für gelungene Wechselwirkung
und Empathie. Durch Machtansprüche, Überheblichkeit, Stolz, Ich-Bezogenheit und
Egoismus, aber auch und gerade durch dogmatische statische Weltanschauungen und
Doktrinen würde es unmöglich gemacht werden.
Vers 1.6
Ein wechselwirkender Faktor passt eben weder für ein
bereits dauerhaft existierendes und unabhängiges Ziel noch für ein nicht-existierendes
Ziel.
Wer sollte den wechselwirkenden Faktor für ein
nicht-existierendes Ziel haben? Und wozu sollte es einen solchen Faktor für ein
bereits existierendes Ziel geben?
Zwecke
und Ziele, die wir uns setzen, sind ebenfalls keine isolierten unabhängigen
Entitäten, sondern machen nur durch Wechselwirkung und kausale Beziehungen
Sinn. Sie sollten nicht unveränderlich, absolut und statisch, sondern zusammen
mit der tatsächlichen konkreten Situation flexibel sein.
Nāgārjuna greift nun die wichtige Frage nach Zielen,
Zwecken und Ergebnissen in unserem Leben auf, also auch nach unserem eigenen
Sinn des Lebens und unserem Lebenszweck. Es geht dabei außerdem um den Willen,
das Leben zu planen, zu gestalten und zu verändern. Aber er lehnt es ab, dass
es irgendein isoliertes angestrebtes Ergebnis ohne Zusammenhang mit uns selbst
und mit der Umwelt geben würde.
Wenn alle Dinge und Phänomene nach einer absoluten
statischen Philosophie dauerhaft und unveränderlich existieren würden und aus
sich selbst heraus festgelegt wären, müsste dies auch für Ziele und Ergebnisse
gelten. Daraus ergibt sich die eigenartige Schlussfolgerung, dass Ergebnisse
und Ziele isoliert, dauerhaft, unveränderlich und unsichtbar vorhanden sein
müssten, also nicht durch Beobachtung erkennbar wären (Doktrin des
Substantialismus). Sie müssten in irgendeiner Weise als fertige Entitäten und
Substanzen zu den wechselwirkenden Faktoren hinzukommen oder bereits in ihnen
enthalten sein. Das ist nicht überzeugend und würde die Determiniertheit des
Lebens auf Dauer verfestigen.
Wer tragende Entscheidungen in seinem Leben treffen
will, muss selbstverständlich Ziele haben und zu guten Ergebnissen kommen. Die
Ziele dürfen allerdings weder dogmatisch sein noch im
krassen Widerspruch zueinander stehen, weil das zu Verunsicherungen und
Handlungsunfähigkeit führt. Sie dürfen auch nicht vordergründig, ohne Ethik und
nur zum eigenen Vorteil bestimmt sein, und wir sollten uns nicht voreilig auf
unklare und unerreichbare Ziele festlegen, denn das führt zu herben
Enttäuschungen.
Je grundsätzlicher die eigenen Veränderungs- und
Lernprozesse angelegt werden, desto weniger lassen sich enge, zu konkrete Ziele
und deren Ergebnisse bestimmen. Ziele und Ergebnisse werden bewusst oder unbewusst
von uns selbst gesetzt, sie sind keine vorher existenten Fakten in der
Wirklichkeit. Meist geht es eher um eine Richtung, in die wir uns entwickeln
wollen. Ein typisches negatives Beispiel wäre die übermäßig starke Fixierung
auf das Ziel der Erleuchtung, was
häufig zu illusionären vordergründigen Erwartungen führt. Das Ziel stimmt dann
gerade nicht mit dem wirklichen Erleben der Erleuchtung überein, weil man
vorher noch nicht die notwendige Klarheit und keine Erfahrung haben kann.
Erleuchtung ist anders, als man sie sich romantisch erträumt. Darauf hat
Nishijima zu Recht nachdrücklich hingewiesen.
Dōgen sieht das Hauptziel des Lebens in der Suche nach der Wahrheit und deren
Verwirklichung. Er meint aber keine
absolute Wahrheit, sondern das Gegenteil von Verblendung, Dumpfheit und
falscher Sichtweise. Ein solches Ziel ist in der Tat eher allgemein gehalten,
aber dadurch auch leistungsfähig, um sich in verschiedensten Lebenssituationen
gut entwickeln und bewegen zu können. Dann gibt es auch keine Rückschläge,
Misserfolge und Fehlleistungen, sondern gute Lernprozesse auf dem Weg der
Mitte, der nicht linear und unidirektional verläuft. Wir haben laut Buddha das
Potenzial zum Erwachen und zur Erleuchtung, aber ein Potenzial ist kein Ding
und keine Entität, sondern die Verwirklichung
je im Augenblick. Die Erleuchtung ereignet sich, wenn die wechselwirkenden
Faktoren genauso im Augenblick da und wirksam sind.
Vers 1.7
Was bedeutet es, wenn sich weder ein existierendes,
noch ein nicht-existierendes Dharma (Ding oder Phänomen) entfaltet? Und wie
entfaltet sich ein zugleich existierendes und zugleich
nicht-existierendes Dharma?
Wie passt das zusammen mit einer solchen sich
entfaltenden Kausalität, die auf diese Weise existiert?
Wenn
man annimmt, dass Dinge und Phänomene als Entitäten oder Substanzen dauerhaft
und unveränderlich existieren, macht eine einwirkende Veranlassung oder
Kausalität keinen Sinn. Das gilt für alle vier
logisch möglichen Alternativen der Dharmas.
In diesem Vers geht es zunächst um die Frage, wie
sich ein Dharma, also ein Ding oder Phänomen, entfalten kann und wirklich
entfaltet. Nāgārjuna stellt fest, dass alle möglichen logischen Varianten der
Existenz des Dharma sich nicht entfalten, das heißt, dass die Dharmas nicht
fähig zur Veränderung und Entfaltung sind. Damit bezieht er sich auf die
Doktrin eines unveränderlichen und statischen Weltbildes (Substantialismus).
Der zweite Teil behandelt die Frage, wie auf solche
Dharmas eingewirkt werden kann, welche Beziehung zu einem Ereignis der
Veranlassung und Kausalität besteht und welcher Zusammenhang der Dharmas mit
den Funktionen von Veranlassung, Verursachung und Kausalität zu beobachten ist.
Dass es zu einem nicht-existierenden Dharma keine Beziehung der Kausalität
geben kann, leuchtet sicher jedem ein. Aber auch bei einem existierenden,
jedoch absoluten unveränderlichen Dharma ist dies nicht möglich.
Die Kausalität und der Zusammenhang von Ursachen und
Wirkungen gehören zu den zentralen Lehren des Buddhismus, für eine Doktrin der
unveränderlichen Dharmas sind sie nicht gültig. Nāgārjuna widerlegt in seiner
Argumentation absolute Ur-Einheiten und die isolierte Existenz der Dharmas. Sie
können sich in der Wirklichkeit gar nicht entfalten und sind in der wirklichen
Welt nicht vorzufinden. Verändernde und verursachende Faktoren hätten überhaupt
keinen Einfluss auf solche Dharmas. Daraus folgert er, dass es sie nicht geben
kann und dass eine solche Vorstellung für die buddhistische Befreiungslehre
kontraproduktiv wäre.
Vers 1.8
Es wird aufgezeigt, dass ein so unveränderliches
existierendes Dharma, Ding oder Phänomen, keine Stütze als wechselwirkenden
Faktor hat.
Woher soll wiederum eine Stütze kommen, wenn das
Dharma keiner Stütze bedarf, also isoliert und unveränderlich ist?
In diesem Vers wird die sogenannte stützende
Bedingung der Umgebung und Umwelt behandelt. Nāgārjuna knüpft hier an den
zweiten Vers an und untersucht die wechselwirkenden Faktoren sowie deren
Bedingungen und Funktionen eingehender. Wenn die Dharmas wie in der bereits von
ihm falsifizierten Doktrin des Substantialismus
als absolut existierend, unveränderlich, isoliert und aus sich selbst
entstanden gedacht werden, sind
stützende Faktoren bedeutungslos. Sie machen nur Sinn, wenn die Dharmas als
veränderlich und wechselwirkend verstanden und erfahren werden. Stütze und
Dharma sind wechselseitig verbunden. Ein isoliertes Dharma bedarf keiner Stütze.
Nishijima Roshi interpretiert dies hauptsächlich als Ideologie des
Materialismus.
Vers 1.9
Es ist nicht möglich, dass die Dharmas zur Ruhe
kommen, wenn sie gar nicht entstanden sind.
Entstehen und Zur-Ruhe-Kommen haben keinen trennenden
Zwischenraum, sondern sind verbunden.
Und welchen wechselwirkenden Faktor gibt es in etwas,
das zur Ruhe gekommen ist?
Wenn
etwas zur Ruhe gekommen ist, hat die Wechselwirkung des Entstehens und
Vergehens keine Bedeutung mehr. Aber zwischen Entstehen und Zur-Ruhe-Kommen
gibt es ein Andauern und damit eine Verbindung. Entstehen und Zur-Ruhe-Kommen
folgen nicht direkt aufeinander, sind aber indirekt verbunden. In diesem Vers
steht der bedingende wechselwirkende Faktor der prozesshaften Folge von Ereignissen, die keine
Unterbrechungen haben, im Mittelpunkt.
Wenn
die Dharmas als schon immer existent gedacht werden, kann ein Zusammenhang zu
prozesshaften Veränderungen nicht hergestellt werden, es kann dann keine zeitlich zusammenhängende Abfolge
von ihnen geben. Wer derartige statische Eigenschaften dieser Welt und des
Menschen annimmt, kann keine praktische Lebensphilosophie der Befreiung, der
Weiterentwicklung oder gar der Erleuchtung begründen und steht nicht zuletzt in
krassem Widerspruch zu dem, was beobachtet werden kann.
Ohne Prozesse und Wechselwirkungen gibt es auch keine Abfolge von
Zuständen, zum Beispiel bei der Interaktion und beim Dialog zwischen Menschen.
Bei der Weltanschauung des Momentanismus sind prozesshafte verbindende Vorgänge
ebenfalls ausgeschlossen, da er eine zeitliche Abfolge von Ereignissen ohne
Andauern der Dharmas behauptet. Dieses Problem wird in einem späteren Kapitel
noch genauer untersucht.
Der
Buddhismus lehrt in aller Klarheit eine Abfolge von Dharmas, die sich verändern
und nacheinander entstehen, bestehen bleiben und wieder vergehen.
Vers 1.10
Es wird keine unveränderliche Existenz des Seienden
in der Welt gefunden. Sie müsste nicht aus sich selbst entstanden sein, um
wirklich zu sein.
Dann ist aber Folgendes nicht möglich: „Wenn dieses unveränderlich existiert, dann wird
jenes“.
Etwas
unveränderlich Existierendes kann nicht werden und nicht entstehen. Die
Wirklichkeit von Dharmas, die aus sich selbst entstanden seien, wurde bereits
falsifiziert.
In diesem Vers stellt Nāgārjuna die Unmöglichkeit
dar, dass eine als absolut angenommene dauerhafte Existenz oder Substanz mit dem buddhistischen Ansatz des Entstehens,
Andauerns und Vergehens, also der Weiterentwicklung, zusammenpasst. Wie bereits
in der Präambel deutlich gemacht wird, entsteht und vergeht auf dieser Welt
alles gemeinsam und vernetzt in Wechselwirkung. Diese Grundannahme ist die
notwendige Voraussetzung für alle Lern-, Befreiungs- und Erleuchtungsprozesse.
Vers 1.11
Es existiert keine isolierte, unabhängige Frucht aus
den wechselwirkenden Faktoren, die getrennt oder verbunden sind.
Wie könnte aber aus wechselwirkenden Faktoren etwas
werden, das nicht schon als Entität in ihnen enthalten ist?
Das
wäre nur möglich, wenn man isolierte unveränderliche Entitäten annimmt, die
Früchte also als isolierte Substanzen versteht. Hier wird dagegen die zentrale
buddhistische Lehre der Ergebnisse und Früchte unseres Handelns angesprochen:
Gutes Handeln bringt gute Früchte, und schlechtes Handeln bringt schlechte
Früchte. Das Thema ist also die Verbindung zwischen Handeln, Ergebnis,
Verantwortung und Ethik.
Dazu gab es zur Zeit Nāgārjunas vor allem zwei fehlerhafte Doktrinen: Die Frucht sei schon vorher als Entität
fertig und identisch in den
bedingenden Faktoren enthalten, oder sie sei total getrennt und verschieden von
diesen Faktoren. Beide Doktrinen basieren auf der Vorstellung unveränderlicher
dinghafter Früchte und werden von Nāgārjuna verworfen. Solche Ur-Früchte wären
nicht mit dem Handeln verknüpft, und sie könnten weder entstehen, sich
verändern noch vergehen. Derartige Vorstellungen werden von ihm durch den
Ansatz der Wechselwirkung ersetzt. Dieser entspricht der beobachtbaren
Wirklichkeit, in der es isolierte unveränderliche Entitäten nicht gibt. Totale
Identität und totale Differenz sind Extreme, die mit der Realität nicht
übereinstimmen.
In der buddhistischen Lehre hat die Frucht auch eine
besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem Karma. In einem vereinfachten
volksbuddhistischen Modell der Wiedergeburt kommt dem Menschen die Frucht des
vorangegangenen Handelns wie eine Entität direkt
zugute oder sie belastet ihn. Es wird gelehrt, dass ein Mensch, der es in
diesem Leben gut hat und zum Beispiel wohlhabend und gesund ist, sich dieses
gute Karma in einem früheren Leben erarbeitet hat. Wer ein schweres Leben hat
und arm sei, habe ein schlechtes Karma und könne das kaum ändern. Entsprechend
gilt, wer in diesem Leben moralisch minderwertig handelt, wird danach im
nächsten Leben ein schlechtes Karma mitbringen und Probleme haben. Auch bei
dieser Vorstellung hat die Frucht etwas Dinghaftes. Nāgārjuna lehnt diese
simple Anschauung ab und wird ein klareres „Modell“ vorstellen.
Allerdings besteht bei der Frucht zweifellos eine
enge Verbindung zum Handeln und zur Ausgangslage, also zu den Bedingungen und
Wechselwirkungen der gesamten Situation. In diesem Vers stellt Nāgārjuna die
äußerst wichtige Frage, wie eine solche Verbindung und ein solcher Zusammenhang
wirken können. Er betont, dass in den vier wechselwirkenden Faktoren – sie
mögen einzeln oder miteinander kombiniert vorhanden sein – keine unveränderliche
Frucht als isolierte Substanz oder Entität existiert.
Auch Nishijima Roshi hat eine relativ kritische
Einstellung zum Konzept einer Frucht. Er sagt, das Handeln selbst sei das
Wichtige und die Wirklichkeit. Das Ergebnis, die Frucht, ergibt sich demnach
wie von selbst aus dem guten oder schlechten Handeln, und wer klar im Handeln
ist, benötigt keine Doktrin von einer konkreten verdinglichten oder gar vorher
existenten Frucht. Dadurch würde das angestrebte Ergebnis nur verschlechtert,
und es würde sich sogar die Frage stellen, ob es ein dinghaftes absolutes
Ergebnis überhaupt in der Wirklichkeit gibt. Das muss verneint werden. Überdies
entstehe die Vorstellung eines Ergebnisses oder einer Frucht im menschlichen
Denken als Vergleich mit einem vorherigen Zustand, insofern sei die Frucht
ebenfalls das Ergebnis des Denkens und keine Wirklichkeit. Ich folge ihm darin,
dass die Fixierung auf das Ergebnis, auf die Frucht, wenig sinnvoll ist und
sogar das Handeln selbst beeinträchtigt oder unmöglich machen kann.
Vers 1.12
Sodann müsste sich danach auch eine nicht
existierende und damit nicht wirkliche Frucht aus diesen wechselwirkenden
Faktoren entwickeln.
Weswegen setzt sich die Frucht nicht auch von nicht
wechselwirkenden Faktoren her in Gang?
Eine
Frucht oder ein Ergebnis ist ohne verursachende Kausalität und Wechselwirkung
nicht möglich. Und eine nicht existierende Frucht gibt es natürlich nicht.
Nāgārjunas Argumentation erscheint recht kompliziert
und schwer verständlich. Er spricht hier von einer Frucht, die sich wirklich
aus den einwirkenden Faktoren entwickelt, die also nicht im Sinne einer Doktrin
schon immer existiert haben soll. Denn auch für die Frucht gilt der erste Vers
dieses Kapitels, dass sie nicht aus sich selbst entstanden sein kann. Eine
Frucht entwickelt sich schlicht und einfach aus den wechselwirkenden Prozessen
und Faktoren, und ohne diese Faktoren kann es keine Frucht geben. Demgegenüber
ist eine als vorhandene oder nicht vorhandene Entität oder Substanz gedachte
Frucht ohne Bedeutung.
Vers 1.13
Eine wahre Frucht ist aus den wechselwirkenden
Faktoren gemacht. Und diese Faktoren sind
nicht aus sich selbst gemacht.
Welche Frucht entwickelt sich überhaupt, die nicht aus sich selbst gemacht ist, also
wirklich ist. Wie ist diese Frucht aus wechselwirkenden Faktoren gemacht?
Das
heißt, dass bei rechter Sichtweise die Frucht in Wechselwirkung und durch
Kausalität entsteht und nicht isoliert aus sich selbst entstehen kann. Dann
sind auch die wechselwirkenden Faktoren wirklich.
Diese Aussagen stellen die Beziehung zwischen einer
realen Frucht und den realen wechselwirkenden Faktoren her. Sie sind als Fragen
an die Leser formuliert: Welche wirkliche Frucht kann es geben? Kann es eine
als Substanz isolierte, unveränderliche Frucht sein? Und welche wirklichen
wechselwirkenden Faktoren gibt es? Die unwirkliche Frucht und die unwirklichen
Faktoren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus sich selbst entstanden und
gemacht sein sollen. Wie schon im ersten Vers erklärt wird, ist das unmöglich.
Eine als unveränderlich gedachte isolierte und aus sich selbst gemachte Frucht
kann nicht aus wirklichen Faktoren entstehen. Eine solche Frucht ist in der
Wirklichkeit nicht zu finden. Nāgārjuna stellt fest, dass eine Frucht, wie sie
in der Wirklichkeit beobachtet werden kann, durchaus aus den wechselwirkenden
Faktoren entsteht, aber dann ist sie nicht isoliert, absolut und unveränderlich
wie eine Entität.
Damit kommt er zur zentralen Frage, die er im MMK von
verschiedenen Perspektiven aus behandelt: Welche Kausalität zwischen unserem
Handeln und dem, was es bewirkt, ist in der Wirklichkeit zu beobachten? Er wird
darauf zum Beispiel in den Kapiteln über Akteur und Handeln, über das Karma und
die Vier Edlen Wahrheiten, über die Leerheit und das Nirvāna noch ausführlicher
eingehen.
Vers 1.14
Deswegen wird keine isolierte absolute Frucht
erkannt, ganz gleich, ob sie aus wechselwirkenden realen Faktoren gemacht oder
nicht aus wechselwirkenden Faktoren gemacht ist.
Wenn aber eine Frucht etwas Nicht-Seiendes ist, fragt
sich: Woher gibt es dann überhaupt wechselwirkende Faktoren und das Gegenteil,
die nicht-wechselwirkenden Faktoren?
Eine
solche Frucht als substanzhaft Seiendes, als Eigen-Substanz, kann nicht erkannt
werden. Eine wirkliche Frucht ist unauflösbar mit wirklichen wechselwirkenden
Faktoren verbunden. Sie ist keine isolierte dauerhafte Entität, wie die
altindischen Veden besonders für die Folge der Wiedergeburten lehrten.
Nāgārjuna sagt hier, dass überhaupt keine isolierte
unveränderliche substanzhafte Frucht in der Welt erkannt werden kann.
Dementsprechend ist auch die Frage nach der Beziehung zu den vorhandenen oder
nicht vorhandenen wechselwirkenden Faktoren sinnlos. Damit kommt er zum Resümee
des ersten Kapitels, dass die buddhistischen Früchte, zum Beispiel die wirkliche Erleuchtung und die wirkliche Überwindung
des Leidens, in der lebenden Wechselwirkung entstehen und nicht in irgendeiner
Weise schon immer existieren oder in Zukunft unverändert existieren werden,
denn dann wären sie unveränderliche, unverbundene Entitäten, die nicht der
Wirklichkeit entsprechen und keinen Bezug zur Befreiung und Emanzipation des
Menschen haben. Das wären fiktive Eigen-Substanzen.
Die metaphysische absolute Weltanschauung, aus der
eine solche unveränderliche Ewigkeit der Früchte abgeleitet werden könnte, geht
von der angenommenen Wirklichkeit bereits vorhandener unveränderlichen
Ur-Ideen, Ur-Wesen bzw. Ur-Dharmas aus. Aus diesen unsichtbaren Substanzen
würden nach dieser Doktrin die sichtbaren konkreten Dinge und Phänomene dieser
Welt hervorgehen, sie wären als innere Substanz bereits in den verschiedenen
Manifestationen enthalten, aber das ist unmöglich.
Eine solche ontologische Weltanschauung mag zwar
intellektuell interessant sein für die philosophischen Fragen „Was ist?“ und
„Was existiert?“ oder das Gegenteil „Was ist nicht?“ und „Was existiert
nicht?“. Laut Buddha und Nāgārjuna hat dies für unseren Befreiungs- und
Emanzipationsprozess jedoch keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung. Es
handelt sich dabei sogar um Extreme, die weder Wichtiges über die erfahrbare
und beobachtbare Wirklichkeit aussagen, noch die Grundlage für Erweiterungs-
und Entwicklungsprozesse des Menschen sein können. Nach Buddhas Lehrrede für
Kaccāna (siehe Kapitel 2 des vorliegenden Buches) führt eine solche falsche
Sichtweise zur „ganzen Masse des Leidens“.
In seiner typischen Argumentationsweise stellt Nāgārjuna
abschließend fest, dass eine Frucht mit substanzhaftem, unveränderlichem
Charakter nicht erkannt werden kann. Dies sei unabhängig davon, ob es
wechselwirkende Faktoren gebe oder nicht, aus denen sie gemacht werden oder
sich entwickeln könnte. Obgleich es also die in der Wirklichkeit beobachtbaren
und erfahrbaren wechselwirkenden Faktoren gibt, kann es eine solche
substanzhafte und quasi dinghafte Frucht als Eigen-Substanz nicht geben. Vor diesem Hintergrund ist bei dem
Begriff „Frucht“ genau zu hinterfragen, ob er etwas dinghaft Abgegrenztes
suggeriert, das man isoliert transportieren und weitergeben kann, nachdem die
Frucht einmal gewachsen und gereift ist, und ob dies auf das Ergebnis des
menschlichen Handelns überhaupt zutrifft oder ein zu simples Modell ist.
Ergebnis
Für
unseren Weg der Befreiung benötigen wir verlässliche Fakten und Grundlagen über
die Wahrheit des Lebens, sonst folgen wir irgendwelchen spekulativen
Versprechen, die nicht einzulösen sind und werden enttäuscht. Diese Grundlagen
für Wahrheit und Ethik finden wir bei Buddha und Nāgārjuna. Sie verstehen die
Wirklichkeit als gemeinsames Entstehen in Wechselwirkung und bauen darauf den Weg des Menschen als
Prozess der Befreiung, Emanzipation und Weiterentwicklung auf. Dazu gehört auch
die Meditation, zum Beispiel des Zazen: die Entleerung des Geistes von
Störungen durch Denken, Gefühle, Willen und Planungen, also auch von
Verhärtungen, Vorurteilen und schädlichen Doktrinen.
Im
ersten Kapitel des MMK widerlegt Nāgārjuna überzeugend verschiedene
Dogmatisierungen, naiven Volksbuddhismus, Populismus und unnötige
intellektuelle Verwirrungen. Es bildet die Grundlage für seine folgenden
scharfsinnigen Analysen. Er möchte der doktrinären Erstarrung des Buddhismus
seiner Zeit entgegentreten, enttarnt mit großer Lebenserfahrung und präziser Gedankenführung
die Fehlentwicklungen und schafft Raum für neue fruchtbare Entwicklungen. Aus
meiner Sicht geht er dabei als De-Konstruktivist[vii] vor:
Er destruiert verzerrte und unklar gewordene Begriffe und Vorstellungen wie
eine fiktive Eigen-Substanz, um anschließend konstruktiv eine bereinigte und
klare buddhistische Lehre und Praxis vorzulegen. Dies war in seiner Zeit umso
wichtiger, weil ein wiedererstarkender absolutistischer Glaubens-Brahmanismus,
der von der authentischen Lehre der Befreiung und Emanzipation eklatant
abgewichen war, nach einer gewissen Integration von bestimmten buddhistischen
Elementen den Buddhismus selbst unter Druck setzte.
Der
falsche Glaube, dass irgendetwas in der Welt total aus sich selbst entstanden
sei, wird durch die Realität nicht bestätigt. Alles entsteht in Wechselwirkung
und ist miteinander vernetzt. Es gibt kein magisches Ur-Entstehen aus sich
selbst. Dies wird eindeutig durch die heutige Psychologie und Gehirnforschung
nachgewiesen. Zu den vier Faktoren dieser Wechselwirkungen zählen die kausale
Veranlassung, dass überhaupt etwas Bestimmtes passiert, Stützen (zum Beispiel
der materiellen Umgebung), die zeitliche Abfolge der Prozesse und etwas
Übergeordnetes, wie zum Beispiel der Sinn des Ganzen. Weitere Faktoren gibt es
nach Nāgārjuna nicht. Sie sind direkt nachvollziehbar und befinden sich im
Einklang mit der modernen Systemtheorie.
Durch
unseren eigenen Willen und unser eigenes Handeln, also durch unsere Kräfte und
Energien, können wir auf die genannten Faktoren in der Vernetzung einwirken.
Wir müssen also nicht alles passiv erdulden und hinnehmen, sondern können aktiv
mithilfe von Prozessen, die wir selbst steuern, eingreifen. Dabei sind gute
Lehrer besonders hilfreich, schlechte aber sehr gefährlich, wie auch Zen-Meister
Dōgen betont.
Wenn
bei uns selbst und in der Welt dagegen nichts
entsteht, also Statik oder Erstarrung vorherrscht, gibt es keine
Überwindung des Leidens und keine Veränderungen zum Guten. Wir wissen heute
auch, dass dadurch eine frühe Demenz eintreten kann. Dann verkümmern unser
Geist und unser neuronales Netz immer mehr. Das passiert, wenn man Doktrinen
nicht hinerfragt und nicht genau beobachtet, ob sie unser Leben verbessern,
unabhängig davon, ob sie uns als heilig verkündet werden oder nicht. Denn: Statische
Weltbilder und absolute Glaubenssätze werden nicht zuletzt von den jeweils
herrschenden Eliten behauptet, seien sie politischer, wirtschaftlicher oder
religiöser Art. Im alten Indien war eine solche Elite die Kaste der Brahmanen.
Sie wollten die eigenen Privilegien durch absolute Doktrinen einer
unveränderlichen Ewigkeit absichern.
In
diesem Kapitel geht es auch um die wichtigen Fragen, was wir in unserem Leben
realistisch erreichen und erzielen können, welche Ergebnisse wir
sinnvollerweise anstreben sollten und welche romantischen Utopien uns schaden. Dafür
wird in der Psychologie der Begriff Selbstwirksamkeit verwendet. Wir müssen uns
davor hüten zu glauben, dass ein erwünschtes Ergebnis ohne Veränderungen und
Wechselwirkungen gewissermaßen „vom Himmel fällt“, so als ob es schon fertig
irgendwo vorhanden wäre. Diese Vorstellung würde zeitliche Prozesse außer Acht
lassen und ein Ergebnis wie ein isoliertes unveränderliches Ding betrachten.
Das ist jedoch irreführend und realitätsfremd. Es ist die behauptete Scheinwelt
von weltlichen und religiösen Populisten,
die es leider auch im Buddhismus gibt.
In
der vorbuddhistischen indischen Philosophie wurde angenommen, dass die Welt aus
ewigen unveränderlichen Elementen aufgebaut sei. Nāgārjuna beweist in diesem
Kapitel jedoch, dass wir uns die Dharmas nicht als unveränderliche und
unteilbare Atome und Ideen vorstellen können. Eine solche absolute Philosophie
kann Wechselwirkungen, Prozesse und Veränderungen der Realität nicht sinnvoll erklären,
sie ist daher mit Buddhas Lehre und unserer Erfahrung der sich entwickelnden
Veränderungen nicht vereinbar. Solche Doktrinen sind für unsere geistigen und
psychischen Prozesse der wirklichen Befreiung, Emanzipation und Entwicklung
völlig unbrauchbar und sogar gefährlich.
Damit
legt Nāgārjuna die Grundlagen für die Lehre des Mittleren Weges der
Wechselwirkungen, Kausalitäten, Lebensziele und der realistischen Ergebnisse.
Er schildert, wie es möglich ist, ein gelungenes Leben zu führen und Befreiung
zu erlangen. Das ist das Kernstück des MMK. Leitlinie und Hintergrund des
Textes sind Buddhas authentische Schlüssellehren und -begriffe.
Im
Buddhismus geht es um positive Veränderungen, deren Ergebnisse auch als Früchte
bezeichnet werden. Im Volksbuddhismus gibt es zudem den Glauben und die
Hoffnung, dass diese Früchte einfach und unverändert von einem Leben durch die
Wiedergeburt zum nächsten weitergegeben werden. Dabei werden die Früchte als
isolierte Dinge (Entitäten) und Eigen-Substanzen beschrieben, auf die
Wechselwirkungen nicht zutreffen würden. Nāgārjuna destruiert einen solchen
simplen Glauben und warnt uns eindringlich davor, so etwas unreflektiert zu
übernehmen, da es nicht mit der erfahrbaren Wirklichkeit übereinstimmt und uns
letzten Endes schaden kann. Es führt dann zu Enttäuschungen und Stillstand, und
wir kommen auf dem Weg der Befreiung nicht voran. Nicht ein fernes isoliertes
und erträumtes Ergebnis ist der Mittlere Weg der Überwindung von Hindernissen
und Blockaden, sondern unser reales Handeln im konkreten Hier und Jetzt!
[i] Spitzer, Manfred; Bertram, Wulf: Hirnforschung für
Neu(ro)gierige
[ii]
Dürr, Hans-Peter: Geist, Kosmos und Physik
[iii] Kalupahana, David J.: Causality:
Central Philosophy of Buddhism
[iv] vgl. in der Philosophie: Derrida, Jacques: Die Schrift und die Differenz
[v] Kalupahana, David J.: Causality:
Central Philosophy of Buddhism
[vi] Luhmann, Niklas:
Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie
[vii]
Derrida, Jacques: Randgänge der Philosophie