(Meister Nishijima, aus "Begegnung mit dem wahren Drachen")
Ich denke, wir haben fast das Ende unserer Darstellung des Buddhismus erreicht. Wir sind den Spuren der buddhistischen Lehre vom Ideal des mittleren Weges über das logische System der zwölfgliedrigen Kette von Ursache und Wirkung gefolgt und haben schließlich die Lehre des Handelns und die Erfahrung eines im Augenblick entstehenden Universums behandelt. An diesem Punkt haben wir erfahren, dass Theorie und Philosophie nicht genug sind. Wenn wir dem wirklichen Buddhismus begegnen wollen, müssen wir die Theorie und das Denken überschreiten und um dies zu tun, müssen wir im Hier und Jetzt handeln. Wir müssen Zazen praktizieren. Zazen zu praktizieren bedeutet, den Buddha zu treffen oder – wie in der alten asiatischen Geschichte – dem wahren Drachen wirklich zu begegnen, von Angesicht zu Angesicht und wir dürfen nicht weglaufen. Denn die Wirklichkeit ist die gesuchte Wahrheit.
Zazen ist der ganze Buddhismus. Eigentlich gibt es dann gar nichts
mehr zu sagen. Oder doch? In der Tat gibt es viel zu tun und viel zu sagen. Es
gibt viele Ideen, Theorien und Probleme, die noch erörtert und untersuchen
werden sollten, was aber im Rahmen dieses Buches leider nicht möglich ist. Ein
tief gehendes und grundsätzliches Verständnis des Buddhismus erfordert einige
Jahre der Übungspraxis und des Studiums und viel Erfahrung im wirklichen Leben.
Mein ursprüngliches Ziel, warum ich dieses Buch geschrieben habe, war eine
klare Grundlage und einen Rahmen zu geben, die ein besseres Verständnis möglich
machen. Ich wollte die grundlegenden Lehren und Ideen des Buddhismus so
vorstellen, dass die innere Logik der buddhistischen Lehre dabei sichtbar wird.
Es ist mein fester Glaube, dass die Menschen der modernen Welt auf diese Weise
neue Einsichten in die Wurzeln ihrer eigenen Persönlichkeit mit all ihren
Verwirrungen erhalten und auch ein besseres Verständnis von anderen Menschen
gewinnen werden. Es ist auch mein fester Glaube, dass die Menschen der modernen
Welt durch den Buddhismus neue Werkzeuge in die Hand bekommen, um ihre
persönlichen Konflikte und Schwierigkeiten zu verstehen und viel besser zu
lösen.
Das System des buddhistischen Denkens besteht aus den vier
wichtigen Lehren, die ich „Lebensphilosophien“ nennen möchte. Schon bevor ich
Buddhismus studiert habe, hatte ich ein gewisses intuitives Verständnis der
grundsätzlichen Verhaltensweisen und Sichtweisen der Menschen. Dieses
Verständnis hat sich direkt aus meinen eigenen Erfahrungen entwickelt. Aber
erst, nachdem ich dem Werk von Meister Dogen begegnet war, begann sich in
meinem Geist die wirkliche Logik des Lebens zu klären. Es erscheint mir daher
sinnvoll, dieses Buch mit einer kurzen Erläuterung der Zeilen am Anfang dieses
"Königs" aller buddhistischen Bücher abzuschließen: dem Shobogenzo von Meister Dogen:
Es gibt heute mehrere Ausgaben des Shobogenzo mit unterschiedlicher Anzahl
und Anordnung der einzelnen Kapitel. Die älteste Ausgabe hat 75 Kapitel, dessen
erstes Kapitel „Genjo Koan“ – „das verwirklichte Universum“ bedeutet. Ich
möchte den Anfang dieses Kapitels hier gern wiedergeben. Ich glaube, dass dies
ein ganz wichtiger Schlüssel zur buddhistischen Logik ist, die Meister Dogen in
allen Kapiteln des Shobogenzo
anwendet:
„(1)
Wenn alle Dharmas als der Buddha-Dharma (, also die Buddha-Lehre gesehen
werden), dann gibt es Täuschung und Verwirklichung, gibt es Praxis, gibt es
Leben und Tod, gibt es Buddhas und gewöhnliche Wesen.
(2) Wenn die unendlich vielen Dharmas
alle nicht von dem Selbst sind, gibt es keine Täuschung und keine Verwirklichung,
keine Buddhas und keine gewöhnlichen Wesen, kein Leben und keinen Tod.
(3)
Buddhas Wahrheit überschreitet von Anfang an Überfluss und Mangel (also
Bewertungen) und daher gibt es (als Wirklichkeit) Leben und Tod, Täuschung und
Verwirklichung, gewöhnliche Wesen und Buddhas.
(4) Und obgleich dies so ist, wie es ist,
geschieht es nur, dass Blüten fallen, obwohl sie geliebt werden und Unkraut
wuchert, obwohl es nicht geliebt wird.“
Der erste Satz in diesem Zitat erklärt das Universum, wenn man es
aus der Sicht des Subjekts oder des Selbst betrachtet. Wenn da ein Subjekt ist,
werden alle Dinge in Beziehung zu diesem Subjekt gesehen und alle Dinge haben
eine Bedeutung im Verhältnis zum Ich, das denkt. Dabei werden einige Dinge als
gut, andere als schlecht angesehen und damit beurteilt. Einige Dinge werden als
wertvoll eingeschätzt, andere als wertlos oder es wird festgestellt, dass sie
einen negativen Wert für das Subjekt haben. In dieser Dimension gibt es daher
Täuschung, die schlecht ist und Erwachen, das gut ist. Es gibt das Leben, das
wertvoll ist und den Tod, der ohne Wert ist. Es gibt Buddhas, die großartig
sind und normale Menschen und Lebewesen, die nur durchschnittlich sind. Dies
ist mit anderen Worten der Standpunkt des Idealismus. Idealisten sind vor allem
besorgt über den Wert, über die Bedeutung und über Ideen und Vorstellungen, die
es ihnen ermöglichen, die äußere Welt mit dem Maßstab ihrer eigenen, inneren
Welt zu verstehen, zu ordnen und zu bewerten. Dies ist also eine begrenzte relativistische
Sicht des Lebens aus dem Blickwinkel des Idealismus.
Im nächsten Satz finden wir bei Meister Dogen eine Sichtweise, die
den idealistischen Standpunkt scheinbar vollständig zurückweist. Diese
Sichtweise lehnt also den subjektiven Standpunkt ab. Es ist das Weltbild des
Materialismus oder Objektivismus und dazu gehören heute auch Naturwissenschaft
und Technik. Wenn man das Universum aus dieser Sicht betrachtet, müssen
subjektive Werte und spirituelle Bedeutungen abgelehnt werden zugunsten von
Erklärungen, wie die dingliche, materielle Welt funktioniert. Die Bedeutung des
Lebens wird darin gesehen, dass es in die
Naturgesetze eingebettet ist und damit durch die Naturwissenschaften
vollständig erklärt werden kann. Bei dieser mechanistischen und materialistischen
Sichtweise gibt es keinen Raum für subjektive Vorstellungen und Bewertungen.
Aus objektiver Sicht ist das Leben ein komplexes System von Beziehungen
zwischen materiellen und energetischen Komponenten des Universums. Es gibt
keine Erleuchtung, die das Gegenteil von Illusion und Täuschung ist, es gibt
keine Buddhas, die etwas anderes als gewöhnliche Menschen sind. Es gibt keinen
absoluten Unterschied zwischen Leben und dem Tod, weil nur die Materie, die
Moleküle und Atome zählen. All diese Unterschiede haben nur strukturelle
Bedeutung, es gibt keine Unterschiede in der grundsätzlichen Natur der Materie.
Der materialistische Standpunkt erscheint auf den ersten Blick
eine Sichtweise des klaren Realismus zu sein. Er scheint die Ich-Bezogenheit
und Relativität des Idealismus zu überschreiten, also objektiv zu sein, aber in
Wirklichkeit tut er das nicht. Die Existenz der Welt und der Materie beruht auf
der Existenz eines Menschen, der sie wahrnimmt. Ohne ein Subjekt, das die
sinnlichen Eindrücke der äußeren Welt empfängt, kann die äußere Welt gar nicht
vorhanden sein. Daher ist der materialistische Standpunkt ebenfalls nur von
relativer und begrenzter Bedeutung. Er beruht auf der Unterteilung zwischen
Subjekt und Objekt, also auf der Dualität. Der Relativismus des Idealismus
beruht auf der Unterteilung zwischen dem Subjekt, das denkt und dem Objekt, das
gedacht wird. Der Relativismus des Materialismus beruht auf der Unterteilung
zwischen dem Subjekt, das wahrnimmt oder empfindet, und dem Objekt, das wahrgenommen
wird. Der grundsätzliche Unterschied beider Sichtweisen ergibt sich einfach
daraus, auf was der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit gelegt wird. Im Falle des
Idealismus liegt der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf dem Ich: „Ich denke,
dass ...; ich glaube, dass ...“ Im Falle des Materialismus ist die ganze
Aufmerksamkeit auf die äußere Welt gerichtet: auf Tatsachen, Dinge und
Ereignisse in der äußeren Welt, die aber ebenfalls von dem Ich wahrgenommen
werden.
Im dritten Satz des Zitats drückt Meister Dogen die
wirklichkeitsbezogene buddhistische Sicht gegenüber dem Leben aus. Er sagt,
dass buddhistisches Handeln die Dualität und den Relativismus übersteigt.
Buddhisten sind nicht so sehr daran interessiert, die Dinge mit dem Verstand zu
vergleichen und zu beurteilen, sie sind auch nicht so sehr mit dem relativen
Wert von Dingen und Ideen befasst. Im Handeln, also indem man im gegenwärtigen
Augenblick etwas tut, überschreiten sie das Denken von Überfluss, Knappheit und
Bewertung. Befreit von derartigen Unterscheidungen und Bewertungen können sie
die wirkliche Welt im gegenwärtigen Augenblick finden und erfahren, so wie sie
ist. Dies ist die buddhistische Lehre des Lebens, eine Philosophie der
Wirklichkeit.
Eine solche Philosophie der Wirklichkeit ist jedoch nicht die
Wirklichkeit selbst, sondern sie gehört immer noch in den Bereich des Denkens.
Dies ist der Inhalt des vierten Satzes. Wenn man darüber redet, den Überfluss
und die Knappheit zu überschreiten, ist das nicht dasselbe, als wenn man diese
gedachten Vorstellungen und Begriffe durch das Handeln selbst wirklich hinter
sich lässt, so dass sie dann von selbst verschwinden. Wenn man mit Worten die
Existenz aller Dinge beschreibt, ist das etwas ganz anderes, als wenn man die
Welt wirklich annimmt, die ganz aus dem gegenwärtigen Augenblick im Hier und
Jetzt kommt. Die Wirklichkeit ist jenseits von Theorie und Denken, jenseits von
Diskussionen. Sie ist etwas, das nicht erschöpfend gedacht und mit Worten
ausgedrückt oder beschrieben werden kann. Daher spricht Meister Dogen im
letzten Teil des Absatzes über das Gefühl der Menschen gegenüber dem
Unfassbaren – dies ist etwas, das wir Wirklichkeit nennen. Er sagt: „Selbst
wenn dies alles so ist ...“ Wir können diese Welt also nicht wirklich mit dem
Verstand begreifen. Sie hat eine heilige Qualität, eine Qualität, die sich
jedem Versuch, sie vollständig zu erfassen, zu verstehen und zu ändern,
widersetzt. Sie ist nur da, wie fallende Blütenblätter oder das angeblich
unnütze Unkraut. Sie existiert, wie sie ist – ob wir es mögen oder nicht und
auch ob wir es lieben oder hassen.
Fragen und Antworten
Kritisiert der Buddhismus nur die
idealistische und materialistische Sichtweise oder benutzt er diese auch? Mir
scheint, dass in der buddhistischen Lehre vieles zur Erklärung des
Unterschiedes zwischen normalen Menschen und Buddhas gesagt und geschrieben
würde.
Ja, das ist richtig. In der buddhistische Lehre erörtern wir oft
Probleme der Bedeutung und des Wertes von Buddhas und gewöhnlichen Menschen.
Wir treffen Unterscheidungen auf der Grundlage abstrakter Ideen usw. Solche
Diskussionen gehören in den Bereich der buddhistischen Lehre und in diesem
Bereich können wir zwischen Illusion und Erleuchtung, Buddhas und normalen
Menschen oder Leben und Tod unterscheiden. Die Lehre geht dann aber weiter zur
nächsten Phase oder zum Bereich der objektiven Untersuchungen über die Vielfalt
der beobachtbaren Welt. Dies ist die zweite Lebensphilosophie Wenn wir die Welt
objektiv, also auf der Grundlage der Wahrnehmung untersuchen, können wir nichts
als Form, Materie und Energie finden. In der Welt der Materie und Energie ist
es schwierig, irgendeine rationale Grundlage für den Glauben an jene abstrakten
Ideen, Theorien und Ideale der Lehre zu finden, die wir so oft als
selbstverständlich hinnehmen. Es ist für uns sehr schmerzhaft, unsere lang
gehegten Glaubensvorstellungen mit der harten Wirklichkeit des
materialistischen, rationalen Denkens zu vergleichen und ihr
gegenüberzustellen. Aber ohne einen solchen objektiven Standpunkt ist es
schwierig, die ausufernden Bilder und Ideen des idealistischen Geistes
einzugrenzen und zu überprüfen.
Daher benutzt
der Buddhismus sowohl idealistische Ideen und Werte als auch die
materialistische Objektivität, um das Universum zu erklären. Er benutzt diese
beiden Standpunkte als Sprungbrett zu der eigenen, einzigartigen und
umfassenden Sicht der Welt.
Bedeutet die Zeile über die fallenden
Blätter und das wachsende Unkraut, dass die Wirklichkeit die menschlichen
Gefühle einschließt und sie ganz wichtig findet oder dass unsere menschlichen
Gefühle irgendwie unwichtig sind in Bezug auf das, was wirklich existiert?
Ich glaube, das zweite Verständnis ist richtiger, dass nämlich die
Gefühle nicht überschätzt werden dürfen. In diesem Satz spricht Meister Dogen
darüber, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Er spricht darüber, wie wir das oft
hart erscheinende einfache Gesicht der vorhandenen Wirklichkeit erkennen
können. Blüten fallen und das Unkraut wächst. Wir müssen dabei weder übergroße
Freude noch drückende Sorgen empfinden. Dies ist genau die Art, wie die Dinge
sind. Dies ist Wahrheit und Wirklichkeit.
Die Worte von Meister Dogen erscheinen
ziemlich kalt und unpersönlich. Es ist für mich schwierig, die Verbindung
zwischen diesen kühlen verstandesmäßigen Erklärungen und der Praxis meines
Lebens zu sehen.
Ja, die Erklärung von Meister Dogen ist hier eher philosophisch
und sehr präzis und analytisch. Aber ich glaube, wir benötigen solche präzisen
Erklärungen. Wir benötigen diese Erklärungen, weil es ohne sie sehr schwierig
ist, die wahre Bedeutung des Buddhismus und die wahre buddhistische Einstellung
zum Leben zu erkennen. Wenn man die Worte von Meister Dogen studiert, kann man
seine Sichtweise und seine Art des Denkens Schritt für Schritt nachvollziehen.
Im Laufe der Zeit können wir dabei unsere eigene buddhistische Haltung
entwickeln und dann werden diese etwas trockenen und theoretischen Aussagen
eine direkte und sehr persönliche lebendige Bedeutung und Kraft in unserem
Leben bekommen.
Das mag richtig sein – für die Zukunft,
aber für jetzt finde ich Ihre praktischen Erklärungen viel hilfreicher und
befriedigender. Können Sie bitte noch einmal erklären, wie sich die vier
philosophischen Sichtweisen in unserem Leben entwickeln.
Wenn wir jung sind, ist es ganz natürlich zu träumen. Wir haben
viele Ideen, Ideale und Ziele. Wir möchten diese Ziele gern erreichen, und die
Träume verwirklichen und haben entsprechenden Ehrgeiz und Antrieb. Viele Träume
und idealistischen Gedanken über das Leben zu haben ist wunderbar romantisch
und schön. Aber wenn solche Ideen und Träume unsere Aufmerksamkeit und Kraft zu
sehr in Anspruch nehmen, wird es schwierig, die wirkliche Welt zu sehen, in der
wir leben. Wir können die Grenze dann nicht mehr klar erkennen, die die
wirkliche Welt von den Ideen und Träumen trennt und daher laufen wir immer
wieder gegen Wände und haben große Probleme im Alltag. Wir stoßen uns den Kopf
und holen uns bei unseren Anstrengungen immer wieder eine blutige Nase, wenn
wir die utopischen Ziele erreichen wollen, die nur in unserem Geist bestehen.
Dadurch entsteht viel Leiden. Daher empfiehlt uns der Buddhismus, die
illusionäre Natur von Träumen, Ideen und Gedanken klar zu erkennen und zu
überwinden. Er rät uns, eine vorsichtige Einstellung zum idealistischen Denken
einzunehmen. Dies bedeutet, dass wir zu bestimmten Zeiten unsere Träume
vergessen müssen. Zu bestimmten Zeiten müssen wir unsere romantischen Ideen vom
Leben klar zurückweisen und uns der Wirklichkeit stellen, nur so können wir
lernen und uns weiter entwickeln.
Wenn wir aber die idealistischen Haltungen dem Leben gegenüber
vollständig ablehnen, fallen wir in eine materialistische Hölle. Wir verlieren
dann unsere Ideale. Wir verachten ehrliche Anstrengungen, für ein Ideal zu
arbeiten und verurteilen dies als Zeitverschwendung. Wir verlieren uns in
körperlichen und sinnlichen Genüssen aller Art. Wir verlieren die Träume und
Ziele, die das Leben lebendig, sinnvoll und großartig machen. Dies ist
selbstverständlich keine glückliche Alternative zu einem idealistischen Leben
und wir sollten nicht wie Tiere ohne Ideale vegetieren. Wir sollten danach
streben, unsere Würde als menschliche Wesen zu behalten. Aber gleichzeitig
sollten wir keine romantischen Träumer sein, die niemals die einfachen
Tatsachen des Lebens sehen können und sehen wollen. Daher sollten wir in der
zweiten Phase jene Fakten des realen Lebens studieren und ernst nehmen. Wir
sollten die äußere Welt objektiv sehen und sie sozusagen auf wissenschaftliche
Art studieren. Dies ist eine wichtige Aufgabe und ist eine wichtige Phase für
unser Verständnis der Welt. Durch die rationale Analyse des Lebens können wir
zu einem realistischeren Engagement in der wirklichen Welt kommen.
Ein solches Engagement ist der Schwerpunkt der dritten Phase oder
Lebensphilosophie. Hierbei sollten wir die Welt des Handelns entdecken und
entwickeln. Wir sollten untersuchen, was Handeln ist und zwar durch das Handeln
selbst. In die Welt des Handelns vorzustoßen ist eine neue und manchmal
schwierige Erfahrung für einen Menschen, der sein Leben lang im Bereich der
Gedanken und der Empfindungen gelebt hat. In der Welt des Handelns verlieren
wir die lieb gewordenen und vertrauten Ideen und Vorstellungen, auf denen unser
früheres Leben beruhte. Das Leben mag dann eher hart und scheinbar unsicher erscheinen,
aber es verwirklicht sich im Augenblick, ist lebendig und manchmal gefährlich:
Es ist wirklich. In einer solchen Welt müssen unsere Handlungen
selbstverständlich wahrhaftig und ehrlich sein, aber leider werden sie nicht
immer richtig, sondern auch oft falsch sein. Wir machen einfach Fehler. Wir
„bauen immer wieder Mist“, aber wir können nicht aufgeben, wir können uns nicht
zurückziehen, wir müssen immer wieder unser ernsthaftes und schwieriges,
manchmal blutiges und gefährliches und oft wunderbares Leben des Handelns
fortsetzen. Dies geschieht auf der Grundlage von klarer Intuition und durch
eventuell schmerzhaft erworbenes Wissen nach dem Prinzip von Versuch und
Irrtum.
Schließlich müssen wir die Notwendigkeit einer geordneten
Lebensführung erkennen und müssen entsprechende Maßstäbe gewinnen. Wir möchten
zwar unser vibrierendes Leben in der Welt des Handelns fortsetzen, aber wir
haben genug davon, immer wieder an irgendetwas zu scheitern. Wir möchten einige
unserer bisherigen Fehler vermeiden und mehr Freude, Frieden und Ruhe erfahren.
Wir möchten einen vernünftigen geraden Weg gehen und ihn eine Weile
beibehalten, ohne immer wieder erneut alles prüfen zu müssen und ohne die
Furcht zu haben, dass wir falsch gehen. Aber wo können wir eine solche Führung
finden? Wo gibt es einen brauchbaren Maßstab für ein befriedigendes Leben? Seit
tausenden von Jahren haben die Menschen eine derartige letzte Führung in den
Grenzbereichen des Lebens für sich selbst gesucht. Sie haben den tiefsten Grund
und die höchste Wahrheit für ihr Leben gesucht. Wir haben dabei sehr viele,
weit entfernte Orte und Ideen besucht, um das wahre Ziel unseres Lebens zu
finden. Gautama Buddha rät uns, den Schwerpunkt unserer Suche zu verändern. Er
rät uns, das höchste Ziel des Lebens nicht fern am Horizont des Universums zu
suchen, sondern hier im Zentrum unserer selbst. Er empfiehlt uns, Zazen zu
praktizieren und dies ist die vierte Phase. Wenn wir Zazen praktizieren, können
wir diesen Führer in uns selbst finden. Wir können auf diese Weise mit
Sicherheit einen verlässlichen Maßstab für unser Leben finden. Wir können
unsere Ziele klar erkennen und wir können uns selbst finden. Und wenn wir uns
selbst in Zazen finden, werden wir entdecken, dass das Ziel und das Selbst ein
und dasselbe sind. Dann werden wir ein gutes, kraftvolles und erfülltes Leben
führen.