Montag, 5. Oktober 2020

Die vier Lebensphilosophien des Buddhismus

 (Meister Nishijima, aus "Begegnung mit dem wahren Drachen")

Ich denke, wir haben fast das Ende unserer Darstellung des Buddhismus erreicht. Wir sind den Spuren der buddhistischen Lehre vom Ideal des mittleren Weges über das logische System der zwölfgliedrigen Kette von Ursache und Wirkung gefolgt und haben schließlich die Lehre des Handelns und die Erfahrung eines im Augenblick entstehenden Universums behandelt. An diesem Punkt haben wir erfahren, dass Theorie und Philosophie nicht genug sind. Wenn wir dem wirklichen Buddhismus begegnen wollen, müssen wir die Theorie und das Denken überschreiten und um dies zu tun, müssen wir im Hier und Jetzt handeln. Wir müssen Zazen praktizieren. Zazen zu praktizieren bedeutet, den Buddha zu treffen oder – wie in der alten asiatischen Geschichte – dem wahren Drachen wirklich zu begegnen, von Angesicht zu Angesicht und wir dürfen nicht weglaufen. Denn die Wirklichkeit ist die gesuchte Wahrheit.

Zazen ist der ganze Buddhismus. Eigentlich gibt es dann gar nichts mehr zu sagen. Oder doch? In der Tat gibt es viel zu tun und viel zu sagen. Es gibt viele Ideen, Theorien und Probleme, die noch erörtert und untersuchen werden sollten, was aber im Rahmen dieses Buches leider nicht möglich ist. Ein tief gehendes und grundsätzliches Verständnis des Buddhismus erfordert einige Jahre der Übungspraxis und des Studiums und viel Erfahrung im wirklichen Leben. Mein ursprüngliches Ziel, warum ich dieses Buch geschrieben habe, war eine klare Grundlage und einen Rahmen zu geben, die ein besseres Verständnis möglich machen. Ich wollte die grundlegenden Lehren und Ideen des Buddhismus so vorstellen, dass die innere Logik der buddhistischen Lehre dabei sichtbar wird. Es ist mein fester Glaube, dass die Menschen der modernen Welt auf diese Weise neue Einsichten in die Wurzeln ihrer eigenen Persönlichkeit mit all ihren Verwirrungen erhalten und auch ein besseres Verständnis von anderen Menschen gewinnen werden. Es ist auch mein fester Glaube, dass die Menschen der modernen Welt durch den Buddhismus neue Werkzeuge in die Hand bekommen, um ihre persönlichen Konflikte und Schwierigkeiten zu verstehen und viel besser zu lösen.

Das System des buddhistischen Denkens besteht aus den vier wichtigen Lehren, die ich „Lebensphilosophien“ nennen möchte. Schon bevor ich Buddhismus studiert habe, hatte ich ein gewisses intuitives Verständnis der grundsätzlichen Verhaltensweisen und Sichtweisen der Menschen. Dieses Verständnis hat sich direkt aus meinen eigenen Erfahrungen entwickelt. Aber erst, nachdem ich dem Werk von Meister Dogen begegnet war, begann sich in meinem Geist die wirkliche Logik des Lebens zu klären. Es erscheint mir daher sinnvoll, dieses Buch mit einer kurzen Erläuterung der Zeilen am Anfang dieses "Königs" aller buddhistischen Bücher abzuschließen: dem Shobogenzo von Meister Dogen:

Es gibt heute mehrere Ausgaben des Shobogenzo mit unterschiedlicher Anzahl und Anordnung der einzelnen Kapitel. Die älteste Ausgabe hat 75 Kapitel, dessen erstes Kapitel „Genjo Koan“ – „das verwirklichte Universum“ bedeutet. Ich möchte den Anfang dieses Kapitels hier gern wiedergeben. Ich glaube, dass dies ein ganz wichtiger Schlüssel zur buddhistischen Logik ist, die Meister Dogen in allen Kapiteln des Shobogenzo anwendet:

„(1) Wenn alle Dharmas als der Buddha-Dharma (, also die Buddha-Lehre gesehen werden), dann gibt es Täuschung und Verwirklichung, gibt es Praxis, gibt es Leben und Tod, gibt es Buddhas und gewöhnliche Wesen.

(2) Wenn die unendlich vielen Dharmas alle nicht von dem Selbst sind, gibt es keine Täuschung und keine Verwirklichung, keine Buddhas und keine gewöhnlichen Wesen, kein Leben und keinen Tod.

(3) Buddhas Wahrheit überschreitet von Anfang an Überfluss und Mangel (also Bewertungen) und daher gibt es (als Wirklichkeit) Leben und Tod, Täuschung und Verwirklichung, gewöhnliche Wesen und Buddhas.

(4) Und obgleich dies so ist, wie es ist, geschieht es nur, dass Blüten fallen, obwohl sie geliebt werden und Unkraut wuchert, obwohl es nicht geliebt wird.“

Der erste Satz in diesem Zitat erklärt das Universum, wenn man es aus der Sicht des Subjekts oder des Selbst betrachtet. Wenn da ein Subjekt ist, werden alle Dinge in Beziehung zu diesem Subjekt gesehen und alle Dinge haben eine Bedeutung im Verhältnis zum Ich, das denkt. Dabei werden einige Dinge als gut, andere als schlecht angesehen und damit beurteilt. Einige Dinge werden als wertvoll eingeschätzt, andere als wertlos oder es wird festgestellt, dass sie einen negativen Wert für das Subjekt haben. In dieser Dimension gibt es daher Täuschung, die schlecht ist und Erwachen, das gut ist. Es gibt das Leben, das wertvoll ist und den Tod, der ohne Wert ist. Es gibt Buddhas, die großartig sind und normale Menschen und Lebewesen, die nur durchschnittlich sind. Dies ist mit anderen Worten der Standpunkt des Idealismus. Idealisten sind vor allem besorgt über den Wert, über die Bedeutung und über Ideen und Vorstellungen, die es ihnen ermöglichen, die äußere Welt mit dem Maßstab ihrer eigenen, inneren Welt zu verstehen, zu ordnen und zu bewerten. Dies ist also eine begrenzte relativistische Sicht des Lebens aus dem Blickwinkel des Idealismus.

Im nächsten Satz finden wir bei Meister Dogen eine Sichtweise, die den idealistischen Standpunkt scheinbar vollständig zurückweist. Diese Sichtweise lehnt also den subjektiven Standpunkt ab. Es ist das Weltbild des Materialismus oder Objektivismus und dazu gehören heute auch Naturwissenschaft und Technik. Wenn man das Universum aus dieser Sicht betrachtet, müssen subjektive Werte und spirituelle Bedeutungen abgelehnt werden zugunsten von Erklärungen, wie die dingliche, materielle Welt funktioniert. Die Bedeutung des Lebens wird darin gesehen, dass es in die  Naturgesetze eingebettet ist und damit durch die Naturwissenschaften vollständig erklärt werden kann. Bei dieser mechanistischen und materialistischen Sichtweise gibt es keinen Raum für subjektive Vorstellungen und Bewertungen. Aus objektiver Sicht ist das Leben ein komplexes System von Beziehungen zwischen materiellen und energetischen Komponenten des Universums. Es gibt keine Erleuchtung, die das Gegenteil von Illusion und Täuschung ist, es gibt keine Buddhas, die etwas anderes als gewöhnliche Menschen sind. Es gibt keinen absoluten Unterschied zwischen Leben und dem Tod, weil nur die Materie, die Moleküle und Atome zählen. All diese Unterschiede haben nur strukturelle Bedeutung, es gibt keine Unterschiede in der grundsätzlichen Natur der Materie.

Der materialistische Standpunkt erscheint auf den ersten Blick eine Sichtweise des klaren Realismus zu sein. Er scheint die Ich-Bezogenheit und Relativität des Idealismus zu überschreiten, also objektiv zu sein, aber in Wirklichkeit tut er das nicht. Die Existenz der Welt und der Materie beruht auf der Existenz eines Menschen, der sie wahrnimmt. Ohne ein Subjekt, das die sinnlichen Eindrücke der äußeren Welt empfängt, kann die äußere Welt gar nicht vorhanden sein. Daher ist der materialistische Standpunkt ebenfalls nur von relativer und begrenzter Bedeutung. Er beruht auf der Unterteilung zwischen Subjekt und Objekt, also auf der Dualität. Der Relativismus des Idealismus beruht auf der Unterteilung zwischen dem Subjekt, das denkt und dem Objekt, das gedacht wird. Der Relativismus des Materialismus beruht auf der Unterteilung zwischen dem Subjekt, das wahrnimmt oder empfindet, und dem Objekt, das wahrgenommen wird. Der grundsätzliche Unterschied beider Sichtweisen ergibt sich einfach daraus, auf was der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit gelegt wird. Im Falle des Idealismus liegt der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf dem Ich: „Ich denke, dass ...; ich glaube, dass ...“ Im Falle des Materialismus ist die ganze Aufmerksamkeit auf die äußere Welt gerichtet: auf Tatsachen, Dinge und Ereignisse in der äußeren Welt, die aber ebenfalls von dem Ich wahrgenommen werden.

Im dritten Satz des Zitats drückt Meister Dogen die wirklichkeitsbezogene buddhistische Sicht gegenüber dem Leben aus. Er sagt, dass buddhistisches Handeln die Dualität und den Relativismus übersteigt. Buddhisten sind nicht so sehr daran interessiert, die Dinge mit dem Verstand zu vergleichen und zu beurteilen, sie sind auch nicht so sehr mit dem relativen Wert von Dingen und Ideen befasst. Im Handeln, also indem man im gegenwärtigen Augenblick etwas tut, überschreiten sie das Denken von Überfluss, Knappheit und Bewertung. Befreit von derartigen Unterscheidungen und Bewertungen können sie die wirkliche Welt im gegenwärtigen Augenblick finden und erfahren, so wie sie ist. Dies ist die buddhistische Lehre des Lebens, eine Philosophie der Wirklichkeit.

Eine solche Philosophie der Wirklichkeit ist jedoch nicht die Wirklichkeit selbst, sondern sie gehört immer noch in den Bereich des Denkens. Dies ist der Inhalt des vierten Satzes. Wenn man darüber redet, den Überfluss und die Knappheit zu überschreiten, ist das nicht dasselbe, als wenn man diese gedachten Vorstellungen und Begriffe durch das Handeln selbst wirklich hinter sich lässt, so dass sie dann von selbst verschwinden. Wenn man mit Worten die Existenz aller Dinge beschreibt, ist das etwas ganz anderes, als wenn man die Welt wirklich annimmt, die ganz aus dem gegenwärtigen Augenblick im Hier und Jetzt kommt. Die Wirklichkeit ist jenseits von Theorie und Denken, jenseits von Diskussionen. Sie ist etwas, das nicht erschöpfend gedacht und mit Worten ausgedrückt oder beschrieben werden kann. Daher spricht Meister Dogen im letzten Teil des Absatzes über das Gefühl der Menschen gegenüber dem Unfassbaren – dies ist etwas, das wir Wirklichkeit nennen. Er sagt: „Selbst wenn dies alles so ist ...“ Wir können diese Welt also nicht wirklich mit dem Verstand begreifen. Sie hat eine heilige Qualität, eine Qualität, die sich jedem Versuch, sie vollständig zu erfassen, zu verstehen und zu ändern, widersetzt. Sie ist nur da, wie fallende Blütenblätter oder das angeblich unnütze Unkraut. Sie existiert, wie sie ist – ob wir es mögen oder nicht und auch ob wir es lieben oder hassen.

Fragen und Antworten

Kritisiert der Buddhismus nur die idealistische und materialistische Sichtweise oder benutzt er diese auch? Mir scheint, dass in der buddhistischen Lehre vieles zur Erklärung des Unterschiedes zwischen normalen Menschen und Buddhas gesagt und geschrieben würde.

Ja, das ist richtig. In der buddhistische Lehre erörtern wir oft Probleme der Bedeutung und des Wertes von Buddhas und gewöhnlichen Menschen. Wir treffen Unterscheidungen auf der Grundlage abstrakter Ideen usw. Solche Diskussionen gehören in den Bereich der buddhistischen Lehre und in diesem Bereich können wir zwischen Illusion und Erleuchtung, Buddhas und normalen Menschen oder Leben und Tod unterscheiden. Die Lehre geht dann aber weiter zur nächsten Phase oder zum Bereich der objektiven Untersuchungen über die Vielfalt der beobachtbaren Welt. Dies ist die zweite Lebensphilosophie Wenn wir die Welt objektiv, also auf der Grundlage der Wahrnehmung untersuchen, können wir nichts als Form, Materie und Energie finden. In der Welt der Materie und Energie ist es schwierig, irgendeine rationale Grundlage für den Glauben an jene abstrakten Ideen, Theorien und Ideale der Lehre zu finden, die wir so oft als selbstverständlich hinnehmen. Es ist für uns sehr schmerzhaft, unsere lang gehegten Glaubensvorstellungen mit der harten Wirklichkeit des materialistischen, rationalen Denkens zu vergleichen und ihr gegenüberzustellen. Aber ohne einen solchen objektiven Standpunkt ist es schwierig, die ausufernden Bilder und Ideen des idealistischen Geistes einzugrenzen und zu überprüfen.

Daher benutzt der Buddhismus sowohl idealistische Ideen und Werte als auch die materialistische Objektivität, um das Universum zu erklären. Er benutzt diese beiden Standpunkte als Sprungbrett zu der eigenen, einzigartigen und umfassenden Sicht der Welt.

Bedeutet die Zeile über die fallenden Blätter und das wachsende Unkraut, dass die Wirklichkeit die menschlichen Gefühle einschließt und sie ganz wichtig findet oder dass unsere menschlichen Gefühle irgendwie unwichtig sind in Bezug auf das, was wirklich existiert?

Ich glaube, das zweite Verständnis ist richtiger, dass nämlich die Gefühle nicht überschätzt werden dürfen. In diesem Satz spricht Meister Dogen darüber, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Er spricht darüber, wie wir das oft hart erscheinende einfache Gesicht der vorhandenen Wirklichkeit erkennen können. Blüten fallen und das Unkraut wächst. Wir müssen dabei weder übergroße Freude noch drückende Sorgen empfinden. Dies ist genau die Art, wie die Dinge sind. Dies ist Wahrheit und Wirklichkeit.

Die Worte von Meister Dogen erscheinen ziemlich kalt und unpersönlich. Es ist für mich schwierig, die Verbindung zwischen diesen kühlen verstandesmäßigen Erklärungen und der Praxis meines Lebens zu sehen.

Ja, die Erklärung von Meister Dogen ist hier eher philosophisch und sehr präzis und analytisch. Aber ich glaube, wir benötigen solche präzisen Erklärungen. Wir benötigen diese Erklärungen, weil es ohne sie sehr schwierig ist, die wahre Bedeutung des Buddhismus und die wahre buddhistische Einstellung zum Leben zu erkennen. Wenn man die Worte von Meister Dogen studiert, kann man seine Sichtweise und seine Art des Denkens Schritt für Schritt nachvollziehen. Im Laufe der Zeit können wir dabei unsere eigene buddhistische Haltung entwickeln und dann werden diese etwas trockenen und theoretischen Aussagen eine direkte und sehr persönliche lebendige Bedeutung und Kraft in unserem Leben bekommen.

Das mag richtig sein – für die Zukunft, aber für jetzt finde ich Ihre praktischen Erklärungen viel hilfreicher und befriedigender. Können Sie bitte noch einmal erklären, wie sich die vier philosophischen Sichtweisen in unserem Leben entwickeln.

Wenn wir jung sind, ist es ganz natürlich zu träumen. Wir haben viele Ideen, Ideale und Ziele. Wir möchten diese Ziele gern erreichen, und die Träume verwirklichen und haben entsprechenden Ehrgeiz und Antrieb. Viele Träume und idealistischen Gedanken über das Leben zu haben ist wunderbar romantisch und schön. Aber wenn solche Ideen und Träume unsere Aufmerksamkeit und Kraft zu sehr in Anspruch nehmen, wird es schwierig, die wirkliche Welt zu sehen, in der wir leben. Wir können die Grenze dann nicht mehr klar erkennen, die die wirkliche Welt von den Ideen und Träumen trennt und daher laufen wir immer wieder gegen Wände und haben große Probleme im Alltag. Wir stoßen uns den Kopf und holen uns bei unseren Anstrengungen immer wieder eine blutige Nase, wenn wir die utopischen Ziele erreichen wollen, die nur in unserem Geist bestehen. Dadurch entsteht viel Leiden. Daher empfiehlt uns der Buddhismus, die illusionäre Natur von Träumen, Ideen und Gedanken klar zu erkennen und zu überwinden. Er rät uns, eine vorsichtige Einstellung zum idealistischen Denken einzunehmen. Dies bedeutet, dass wir zu bestimmten Zeiten unsere Träume vergessen müssen. Zu bestimmten Zeiten müssen wir unsere romantischen Ideen vom Leben klar zurückweisen und uns der Wirklichkeit stellen, nur so können wir lernen und uns weiter entwickeln.

Wenn wir aber die idealistischen Haltungen dem Leben gegenüber vollständig ablehnen, fallen wir in eine materialistische Hölle. Wir verlieren dann unsere Ideale. Wir verachten ehrliche Anstrengungen, für ein Ideal zu arbeiten und verurteilen dies als Zeitverschwendung. Wir verlieren uns in körperlichen und sinnlichen Genüssen aller Art. Wir verlieren die Träume und Ziele, die das Leben lebendig, sinnvoll und großartig machen. Dies ist selbstverständlich keine glückliche Alternative zu einem idealistischen Leben und wir sollten nicht wie Tiere ohne Ideale vegetieren. Wir sollten danach streben, unsere Würde als menschliche Wesen zu behalten. Aber gleichzeitig sollten wir keine romantischen Träumer sein, die niemals die einfachen Tatsachen des Lebens sehen können und sehen wollen. Daher sollten wir in der zweiten Phase jene Fakten des realen Lebens studieren und ernst nehmen. Wir sollten die äußere Welt objektiv sehen und sie sozusagen auf wissenschaftliche Art studieren. Dies ist eine wichtige Aufgabe und ist eine wichtige Phase für unser Verständnis der Welt. Durch die rationale Analyse des Lebens können wir zu einem realistischeren Engagement in der wirklichen Welt kommen.

Ein solches Engagement ist der Schwerpunkt der dritten Phase oder Lebensphilosophie. Hierbei sollten wir die Welt des Handelns entdecken und entwickeln. Wir sollten untersuchen, was Handeln ist und zwar durch das Handeln selbst. In die Welt des Handelns vorzustoßen ist eine neue und manchmal schwierige Erfahrung für einen Menschen, der sein Leben lang im Bereich der Gedanken und der Empfindungen gelebt hat. In der Welt des Handelns verlieren wir die lieb gewordenen und vertrauten Ideen und Vorstellungen, auf denen unser früheres Leben beruhte. Das Leben mag dann eher hart und scheinbar unsicher erscheinen, aber es verwirklicht sich im Augenblick, ist lebendig und manchmal gefährlich: Es ist wirklich. In einer solchen Welt müssen unsere Handlungen selbstverständlich wahrhaftig und ehrlich sein, aber leider werden sie nicht immer richtig, sondern auch oft falsch sein. Wir machen einfach Fehler. Wir „bauen immer wieder Mist“, aber wir können nicht aufgeben, wir können uns nicht zurückziehen, wir müssen immer wieder unser ernsthaftes und schwieriges, manchmal blutiges und gefährliches und oft wunderbares Leben des Handelns fortsetzen. Dies geschieht auf der Grundlage von klarer Intuition und durch eventuell schmerzhaft erworbenes Wissen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum.

Schließlich müssen wir die Notwendigkeit einer geordneten Lebensführung erkennen und müssen entsprechende Maßstäbe gewinnen. Wir möchten zwar unser vibrierendes Leben in der Welt des Handelns fortsetzen, aber wir haben genug davon, immer wieder an irgendetwas zu scheitern. Wir möchten einige unserer bisherigen Fehler vermeiden und mehr Freude, Frieden und Ruhe erfahren. Wir möchten einen vernünftigen geraden Weg gehen und ihn eine Weile beibehalten, ohne immer wieder erneut alles prüfen zu müssen und ohne die Furcht zu haben, dass wir falsch gehen. Aber wo können wir eine solche Führung finden? Wo gibt es einen brauchbaren Maßstab für ein befriedigendes Leben? Seit tausenden von Jahren haben die Menschen eine derartige letzte Führung in den Grenzbereichen des Lebens für sich selbst gesucht. Sie haben den tiefsten Grund und die höchste Wahrheit für ihr Leben gesucht. Wir haben dabei sehr viele, weit entfernte Orte und Ideen besucht, um das wahre Ziel unseres Lebens zu finden. Gautama Buddha rät uns, den Schwerpunkt unserer Suche zu verändern. Er rät uns, das höchste Ziel des Lebens nicht fern am Horizont des Universums zu suchen, sondern hier im Zentrum unserer selbst. Er empfiehlt uns, Zazen zu praktizieren und dies ist die vierte Phase. Wenn wir Zazen praktizieren, können wir diesen Führer in uns selbst finden. Wir können auf diese Weise mit Sicherheit einen verlässlichen Maßstab für unser Leben finden. Wir können unsere Ziele klar erkennen und wir können uns selbst finden. Und wenn wir uns selbst in Zazen finden, werden wir entdecken, dass das Ziel und das Selbst ein und dasselbe sind. Dann werden wir ein gutes, kraftvolles und erfülltes Leben führen.