Im Folgenden wird die authentische wörtliche Übersetzung des Textes des Zazen von Meister Dôgen (Fukan zazengi) wiedergegeben. Sie basiert auf der englischen Fassung von Nishijima Roshi [1]und auf der gemeinsam mit Ritsunen Linnebach Roshi [2] erarbeiteten deutschen Fassung. Außerdem wurde die englische Fassung des Shobogenzo zugezogen.[3]
Da es erhebliche Unklarheiten zur korrekten Methode der ZEN-Meditation gibt, also Zazen, hat diese genaue Beschreibung größte Bedeutung. Sie ist die genau Vorgabe für die erste Erleuchtung, wie Meister Nishijima es nannte. Verkürzt bedeutet diese Praxis "nichts als sitzen", shikantaza. Das heißt also, das unsere Gefühle, Gedanken und Wahrnehmung wie von selbst zur Ruhe kommen und wir einfach sitzen. Und genau dadurch entsteht die an ein Wunder grenzende Wirkung dieser einzigartigen Meditation. Nach meiner Einschätzung beruht die Wirkung vor allem auf dem Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems und dem guten Wirken der Faszien. Das bewusste Denken stört meist nur.
Dann sind nach Buddha die sieben Faktoren der Erleuchtung wirksam und die fünf Hemmnisse ausgeschaltet. Es wird verlässlich berichtet, dass Meister Dôgen in China genau dadurch tiefe Erleuchtung und große Befreiung erlangte.
Buddha hat bekanntlich selbst die damaligen Methoden der Erleuchtung bis zum Extrem erprobt, also die damaligen Meditations-Methoden und die Askese. Beides erwies sich sich als unbrauchbar, um Erleuchtung zu erlangen, wie damals allgemein geglaubt wurde. Da er sich sich selbst der härtesten dem Menschen überhaupt möglichen Prüfungen unterzogen hatte, können wir ihm vertrauen. Dagegen schreiben Wissenschaftler nur aus anderen Texten ab oder denken sich Theorien aus, sind also viel weniger verlässlich.
Auch Dôgen hat die Wirkung der Zazen-Meditation in China bei dem authentischen Meister Tendo Nyojo erlernt und gründlich praktiziert. Es ist verlässlich überliefert, dass er dadurch tiefe verlässlicher Erleuchtung erlangte. Wir können ihm also wirklich vertrauen. Ich selbst habe die Zazen-Methode schließlich bei meinem authentischen Lehrer Nishijima Roshi erlernt, der wiederum langjähriger Schüler des berühmten Meisters Kodo Sawaki war.
Fukan Zazengi:
„Allgemein gesagt ist die Wahrheit ursprünglich vorhanden und
durchdringt das ganze Universum, wenn wir sie wirklich untersuchen! Das
buddhistische Fahrzeug der Wirklichkeit ist ganz natürlich vorhanden. Warum ist
es für uns überhaupt sinnvoll und notwendig, dass wir manchmal auf der eigenen
Praxis aufbauen und manchmal vertrauensvoll auf die authentische Erfahrung
anderer setzen?
Den ganzen Körper gibt es jenseits von Staub und Schmutz der üblichen
Welt. Außerdem sind die Methoden überall vorhanden, die zum Verwirklichen der grundlegenden Prinzipien
des Buddhismus angewendet werden können. Warum ist es für uns eigentlich
notwendig, von der großen Anstrengung erschöpft zu werden, um diese Prinzipien
zu verwirklichen?[4]
Darüber
hinaus sollten wir als buddhistische Mönche doch schon bisher den weltlichen
Staub und Abfall vollständig abgeschüttelt haben. Warum ist es dann für irgendjemanden überhaupt zusätzlich
erforderlich, der Notwendigkeit dieser Praxis-Methode der Zazen-Meditation zu
vertrauen, um diesen Staub und Abfall wegzubürsten
und abzuwischen?
Grundsätzlich
können wir menschlichen Wesen unseren angemessenen Ort im Dharma nicht
verlassen. Warum ist es dann für uns notwendig, dass wir
einen Teil unserer Beine und Füße nur ein wenig für diesen Zweck
benutzen?
Wenn
aber nur irgendeine kleinste Abweichung (von Wahrheit und Praxis) da ist, dann wird diese Lücke der Abweichung (etwa durch
unheilsame Doktrinen) sehr viel breiter und übertrifft sogar den
ungeheuren Abstand zwischen Himmel und Erde. Wenn sich daher der kleinste
Unterschied irgendeiner Art und Weise (zwischen
Praxis und Lehre) ereignet, müssen wir wegen dieser Differenz unser
geistiges und körperliches Gleichgewicht vollständig verlieren.
Obgleich
wir doch stolz auf unser klares Verständnis und reich mit klugen Entscheidungen
ausgestattet sind, misslingt es uns dann vollkommen,
unseren Körper tatsächlich in den Bereich des wahren Handelns zu
bringen. Dies misslingt, obgleich wir noch
zusätzliches ausgezeichnetes Denken und die Wahrheit erlangen, obgleich
wir den Geist klären, den Willen ertüchtigen und den Himmel großartig
durchstoßen. Es misslingt sogar, obwohl wir
den Kopf in den Bereich des denkenden Handelns bringen. (Aber woran liegt das?)
Darüber hinaus können wir die historisch bleibenden und eindeutigen
Tatsachen des Genies Gauthama Buddha ansehen, der am Ort von Jetavana Anathapindikarama selbst sechs Jahre lang authentisch (im Zazen) saß. Der historische
Meister (Bodhidharma) im Shaolin-Tempel hat auch heute noch seine authentische
Ausstrahlung. Er brachte das zentrale Symbol des Buddhismus nach China und saß
neun Jahre meditierend vor der Wand. Weitere große alte Meister haben uns in
diesem Sinne hervorragende Beispiele gegeben.
Wie
kann es also angehen, dass wir, die heutigen Menschen, die Zeit verstreichen
lassen, ohne überhaupt Zazen zu praktizieren?
Daher
sollten wir die Anstrengungen beenden, nur verbale Begriffe zu suchen und nur theoretisch zu verstehen. Es ist
für uns notwendig, dass wir lernen und innezuhalten. Wir sollten uns
zurückzunehmen, das Licht nach innen richten und uns selbst gründlich
analysieren und hinterfragen. (Dann wird das über-fixierte Ich von) Körper und
Geist auf natürliche Weise in wenigen Minuten
verschwinden. Unser wahres Gesicht und unsere wahren Augen werden sich
sofort im Augenblick ganz natürlich verwirklichen. Wenn wir etwas Unfassbares (jenseits des dualen Denkens) sofort erlangen
wollen, sollten wir sofort das Unfassbare praktizieren, nämlich Zazen!
Allgemein
gesagt ist es anzuraten, einen ruhigen Raum zu benutzen, wenn wir Zazen
authentisch praktizieren wollen. Wir sollten nur
maßvoll essen und trinken. Unsere vielfältigen Umstände und Verwirrungen
sollten wir wegwerfen und die vielfältigen Aufgaben (unseres gewöhnlichen
Lebens) vollständig beenden. Denkt nicht an Gut oder Schlecht! Sorgt euch nicht
über Richtig und Falsch! Stoppt die vielfältigen Aktivitäten des Geistes, des Willens
und des Bewusstseins! Stoppt Überlegungen, Gedanken und Reflexionen! Erstrebt
wirklich niemals das Ziel, ein wunderbarer Buddha zu werden! Ein solcher Zustand der klaren Übung (des Zazen) beschränkt
sich aber nicht nur auf das gewöhnliche Sitzen oder Stehen.
Wo
wir auf dem Boden im Zazen sitzen, breiten wir im Allgemeinen eine dicke Matte aus und legen ein dickes rundes Sitz-Kissen darauf.
Entweder praktizieren wir die Haltung des vollen oder des halben
Lotossitzes. Beim vollen Lotossitz legen wir zuerst den rechten Fuß auf den
linken Oberschenkel. Dann legen wir den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel
– oder umgekehrt. Beim halben Lotossitz legen wir den linken Fuß auf den
rechten Oberschenkel – oder umgekehrt.
Wir
sollten unsere Kleidung über den Beinen und Füßen
ausbreiten und darauf achten, dass sie geordnet ist. Dann legen wir beim
ganzen Lotossitz die rechte Hand auf den linken Fuß und die linke Hand in die rechte Hand, sodass sich die Spitzen der
Daumen gegenseitig berühren. Entsprechendes gilt für den halben Lotossitz.
Nehmt
die authentische Sitzhaltung mit gestreckter, aufrechter Wirbelsäule ein und
bleibt dann in dieser Haltung. Neigt die Wirbelsäule weder nach links noch nach
rechts (also gerade Sitzhaltung). Sitzt nicht gekrümmt nach vorn und lehnt euch
nicht nach hinten zurück. Die Linien der Ohren
und der Schultern müssen waagerecht und parallel zueinander verlaufen. Die Nase und der Bauchnabel sollten in
einer senkrechten Linie gehalten werden. Legt die Zunge an den oberen Gaumen
und haltet die Lippen und Zähne geschlossen. Die Augen sollten natürlich offen
oder halboffen gehalten werden.
Atmet
sanft durch die Nase. Nachdem ihr die Sitzhaltung bereits
gut reguliert habt, atmet einmal tief ein und lasst den Oberkörper zu
Anfang nach rechts und links pendeln. Dann sitzt ohne Bewegung
im Berg-stillen Zustand und denkt den konkreten und einfachen Zustand
des Nicht-Denkens. Wie ist es für uns möglich, den einfachen konkreten Zustand
des Nicht-Denkens zu denken? Er unterscheidet sich
fundamental vom (üblichen dualen) Denken. Dies ist kurz gefasst genau die
Technik des Zazen.
Was Zazen genannt wird, ist ganz verschieden von der Meditation der
Konzentration und des (angestengten) Lernens. Denn es ist genau das Tor des
Friedens und der Freude zum Universum und zur Dharma-Wahrheit. Es ist die
Praxis-und-Erfahrung, um die Wahrheit zu klären. Die Ganheit
des Universums ist dann bereits verwirklicht. Denn
die Netze und Käfige (des Irrens) sind bei uns in Wirklichkeit überhaupt
niemals angekommen.
Wenn wir den Zustand erreicht haben, der beim Zazen
angestrebt wird, sind wir vermutlich in derselben Lage wie ein Drache, der zum Wasser gekommen ist, oder ein Tiger, der
einen Berg als Bollwerk von hinten hat. Wir sollten genau erkennen, dass die Dharma-Wahrheit sich sofort natürlich verwirklicht.
Dunkelheit Ungenauigkeit haben sich dann bereits aufgelöst.
Wenn wir uns vom Sitzen erheben, bewegen wir zuerst allmählich und
langsam den Körper, und dann stehen wir ohne Schwanken auf. Wir sollten niemals
hastig oder gewaltsam in den Bewegungen sein.
Indem wir uns
an die alten Zeiten (des Buddha-Dharma) erinnern (wird uns klar), dass alles
auf der Kraft von Praxis und Übung beruht: Das Überschreiten des gewöhnlichen Verstandes
und das Übersteigen der Vorstellung des
Heiligen. Es wird vom friedliche Sterben während des Sitzens berichtet, oder
dass ein alter Meister sanft im Stehen aus dem Leben scheidet.
Außerdem liegt der wesentliche Kernpunkt weit jenseits von
Entscheidungen durch theoretische oder duale Überlegungen oder irgendwelche
Bewertungen. Worum geht es im Zazen? Es geht um die klare Erfahrung des
Fingerzeigs von Meister Gutei, des Niederholens des Flaggenmastes durch Meister
Ananda, der Benutzung einer Nadel durch Meister Nâgârjuna, um (seinen Schüler) Kanadewa zu lehren. Es geht um die klare
Erfahrung des Schlagens eines Blockes, der von Meister Manjusri benutzt wurde,
oder der bekannten Verwendung eines Wedels, einer Faust, eines Stabes oder
eines Schreis.
Wie könnte es nur mit dem Verstand möglich sein, irgendeine tiefe
intuitive Fähigkeit, Praxis oder Erfahrung wirklich zu erkennen? (Das ist
unmöglich.) Und was darüber hinausgeht mag die wahre reine Form jenseits von
Stimmen und Farben sein. Nur so war es (den alten Meistern) möglich, den wahren
Maßstab für das Denken und die Wahrnehmung zu verwirklichen.
Wir sollten daher niemals nach speziellen Fähigkeiten auswählen (und
urteilen), wer nun klüger oder dümmer ist. Wir sollten niemals einen klugen
Menschen gegenüber einem einfältigen Menschen vorziehen und über höhere
Weisheit oder niedrigere Dummheit diskutieren.
Wenn wir ehrlich unsere Probleme bedenken, muss es nur das Streben nach
der Wahrheit sein. Praxis-und-Erfahrung sollten sich niemals
gegenseitig beschmutzen, und das angestrebte Handeln sollte im Gleichgewicht
und dauerhaft sein.
Ganz
grundsätzlich bewahren diese (japanische) Welt, ein
anderes Land, das westliche Land Indien und das östlich Land China die
charakteristischen Merkmale des Buddhismus und umfassen genau das authentische
Verhalten.
Wir praktizieren Zazen sorgfältig und genau und sind ganz auf diesen
bewegungslosen Zustand ausgerichtet. Obgleich unsere Lebenssituationen jewels
verschieden sind und viele Unterschiede aufweisen, praktizieren wir sorgfältig
und genau dieses Zazen, um nach der Wahrheit zu streben. Wie wäre es möglich,
dass wir unseren eigenen Sitzplatz des Zazen verwerfen, um in fremden staubigen
Ländern hier und dort herumzustreifen, ohne jede Orientierung? Wenn wir auf dem
Weg nur einen einzigen fehlerhaften Schritt machen, müssen diesen Fehler
zugeben, genau im gegenwärtigen Augenblick.
Wir
haben zu unserem großen Glück schon einen hervorragenden, wertvollen
menschlichen Körper. Wir sollten niemals die wertvolle Zeit verstreichen
lassen, ohne etwas Nützliches damit zu tun
Wir
menschlichen Lebewesen haben schon die außerordentlich wichtigen Fähigkeiten
der buddhistische Moral und Ethik. Wie könnte
es daher für irgend einen Menschen sinnvoll sein, die überaus wertvolle Zeit
achtlos zu verschwenden und für seichte,
flüchtige Freuden zu opfern? Außerdem ist das Körperliche so vergänglich wie
ein Tautropfen auf dem Blatt des Grases. Das augenblickliche Leben ist dem
Aufleuchten eines Lichtstrahls sehr ähnlich. Beide
verschwinden ganz plötzlich und vollständig; sie verlöschen sehr schnell
Ich möchte daher euch edle Menschen bitten, den Buddha-Dharma in der
wahren Praxis zu erlernen. Wie sollten uns nicht davor zu fürchten, dem
Wirklichen Drachen tatsächlich zu begegnen, obgleich wir uns leider an die
Nachahmungen vom Drachen gewöhnt haben. Praktiziert sorgfältig Zazen und
vertraut dem einfachen, direkten Streben nach der Wahrheit. Verehrt den
Menschen, der das nur theoretische duale Lernen überschritten hat und
vordergründige Absichten beiseite gelassen hat.
Wir werden vollkommenes Ganzes mit der Höchsten Wahrheit vieler
Buddhas. Wir empfangen authentisch den Zustand des Gleichgewichts des Samâdhi
vieler großer Meister. Wenn ihr beständig dieses Etwas des Unfassbaren
praktiziert, wird sich das Schatzhaus der Juwelen auf natürliche Weise öffnen.
Es wird für euch leicht möglich sein, die Schätze zu empfangen und zu verwenden
– genau so, wie ihr es wollt.“
[1] Der folgende Text wurde von mir auf der
Grundlage der im Internet-Blog von Nishijima Roshi veröffentlichten englischen
Fassung übersetzt.
[2] Shobgenzo, deutsche Fassung
[3] Vgl. auch mein Buch: Die Kraft der ZEN-Meditation
[4] Dôgen erinnert hier an die berühmte
Begebenheit der Dharma-Übertragung auf Daikan Enô und den fundamentalen
Optimismus Gautama Buddhas, dass wir von Natur aus ohne Verunreinigung sind.
Warum sei es dann überhaupt erforderlich, dass wir ausdauernd Zazen
praktizieren und die buddhistische Ethik im Alltag handelnd verwirklichen?
Dôgen gibt im Folgenden dazu sehr prägnante Begründungen.