In diesem großartigen Kapitel beschreibt Meister Dōgen die zentrale Bedeutung und Wirklichkeit der lebendigern Einheit von Natur und Mensch. Man könnte die unbelebte Natur auch nur aus der materiellen Sicht der äußeren Form und Struktur, also in der Dimension des Materialismus, beschreiben, aber dies wäre einseitig und wirklich beschränkt. Dōgen macht deutlich, dass eine solche äußere Sicht der Form oder der materiellen Elemente, wie zum Beispiel Wasser, Erde, Feuer und Luft, nicht zum Kern der buddhistischen Lehre vordringen kann und nur eine Teilwahrheit ist.
Dies
umso mehr, wenn der Materialismus zum Dogma wird. Das wäre nach Nagarjuna der
ideologische Glaube an eine Pseudo-Substanz, die mit der Wirklichkeit nichts zu
tun hat. Dagegen eröffnen sich in der höchsten Lebensphilosophie des Erwachens
also, im Buddha-Dharma, ganz neue Dimensionen und eine ungeahnte Tiefenschärfe
für das Verständnis und Erleben der Schönheit und Kraft der Natur. Dies
geschieht in direkter Wechselwirkung mit dem Menschen und ist nicht von ihm getrennt.
Die
in den Tälern fließenden Bäche und Flüsse werden von Dōgen als die Zungen
Buddhas bezeichnet, die unaufhaltsam den wahren Dharma lehren. Denn in der Tat
stehen die Flüsse und Bäche niemals still. Sie sind nicht verzerrt und unwahr
und sie sind nicht von den Drei Giften Gier, Hass und Verblendung vergiftet.
Sie sind leer von solchen Giften, wie Nagarjuna sagt und das ist die wahre
Bedeutung der Leerheit. Die Form der Berge gleicht dem Körper Buddhas, der vor
allem durch Wirklichkeit, Reinheit und Ethik gekennzeichnet ist. Die so
verstandene wahre Natur geht weit über ihre stoffliche und materielle Teil-Wirklichkeit
hinaus. Sie ist eine wunderbare lebende Gesamt-Komposition der Wirklichkeit und
kann den Menschen durch die Verbundenheit in seinem tiefsten Innern anrühren
und beglücken.
In
China und Japan war die Verbundenheit oder, besser gesagt, die lebende Einheit und
Wechselwirkung mit der Natur zentral für das menschliche Leben. Das Leben war
unauflösbar mit den empfindenden Wesen, also den Tieren, und den nicht
empfindenden Lebewesen, wie Kiefern, Bambus, Chrysanthemen, also Pflanzen und
Blumen und Bäumen verschmolzen. Dies alles wird im Buddha-Dharma als Harmonie
und natürliches Gesetz des Universums erlebt, erfahren und verstanden. Wir sind
in der Industrie- und Konsum-Gesellschaft in Gefahr die Belastbarkeit der
vernetzten Natur zu überschreiten. Es wundert mich nicht, dass gerade die
jüngeren Menschen mit Sorge für die Zukunft unserer Natur sehen. Wir brauchen
die lebende Einheit mit der Natur zum heilsamen Leben. Dann entwickelt sich
wieder unser Gleichgewicht und mit der Natur wächst neue Lebensfreude.
Dōgen
berichtet von einem großen chinesischen Dichter, der nachts in einem Tal in den
Bergen dem Fluss lauschte und zur großen Buddha-Wahrheit erwachte. Er verfasste
folgendes Gedicht:
„Die Stimmen des Tales ist (Buddhas)
weite und lange Zunge.
Die Form des Berges
nichts anderes als sein reiner Körper.
Vierundachtzigtausend
Verse klingen in der Nacht,
Wie kann ich es den Menschen am nächsten Tag sagen?“
Der
Dichter legte diese Verse einem großen buddhistischen Meister vor, und dieser
bestätigte sein Erwachen. Was war geschehen, als sich ihm plötzlich eine neue,
umfassende Lebens-Fülle und Lebens-Freude eröffnete? Er hatte doch vorher als
Dichter großartige und in China weithin berühmte Verse verfasst. Aber dadurch
hatte er die Praxis und Lehre des Buddhismus nicht umfassend selbst erfahren.
Er hatte nach Dôgen zuvor den Gang der Jahreszeiten – Blumen im Frühling, die
frischen Triebe der Kiefern im Sommer und wunderbare Chrysanthemen im Herbst –
nicht wirklich tief und freudig erkannt und erfahren, bis ihm dieses tiefe Erlebnis
der Stimmen des Tals erfüllte. Es wird berichtet, dass er vorher von einem
Zen-Meister die Lehre der „nicht empfindenden Wesen" gehört hatte, also
der Bäume, Blumen und Pflanzen. Aber diese umfassende Lehre war nicht wirklich
in seinen Geist und in sein Herz eingegangen. Vermutlich gab es zwar in jener
Nacht Spuren und Nachwirkungen dieser Worte des Meisters. Aber dann hatte er
seine eigene tiefe Erfahrung des Buddha-Dharma und dessen Wirklichkeit der
Natur. Vorher war er noch nicht offen und reif gewesen für den umfassenden Sinn
der buddhistischen Lehre. Er konnte sie nicht wirklich aufnehmen und nicht so
leben. Aber plötzlich kam das große Erwachen, mit dem fast mystischen Erlebnis
der Stimme des Flusses nachts im Tal.
Der
Mensch als Subjekt und die Natur als Objekt waren mit einem Male zu einer lebenden
Einheit verschmolzen – natürlich waren sie in Wahrheit nie getrennt. Diese lebendige
Wechselwirkung hatte der Dichter bis dahin nicht erfahren und auch nicht
erfahren können. Dōgen fragt in der für ihn typischen Weise, ob letztlich der
Dichter zur Wahrheit erwachte oder ob es die Berge und Flüsse waren, die zur
Wahrheit erwachten. Kann man das überhaupt trennen? Nein, das wäre eine
ideologische Isolation, wie Nagarjuna für den Mittleren Weg sagt. Der Mensch
ist in der Wirklichkeit niemals von der Natur getrennt. Das ist das gemeinsame
Entstehen in Wechselwirkung, pratitya
samutpada, die zentrale Lehre der Wirklichkeit Buddhas und Nagarjunas
Eine
andere berühmte Geschichte berichtet davon, dass ein später großer Meister
trotz intensiver Übung mit seinem Lehrer im Buddhismus nicht weiterkam. Der
Meister stellte ihm die Frage: "Wie war der Zustand deiner Eltern vor der
Geburt?" Er solle nicht aus den buddhistischern Schriften zitieren, sondern
nur aus seinem eigenen wirklichen Erleben. Aber der Schüler wusste auf die
Frage nichts zu sagen und blieb stumm. Die buddhistischen Schriften hatte er
genau studiert und hätte das Erinnerte locker hersagen können.. Er war dann so
entmutigt und deprimiert, dass er sich entschloss, nur einfache Arbeiten im
Kloster zu übernehmen. Er beschloss außerdem, alle seine theoretischen
Schriften zu verbrennen, die er so intensiv bearbeitet hatte. Seine Erkenntnis
war:
„Das Bild eines
Reiskuchens kann den Hunger nicht stillen.“
Das
Bild des Reiskuchens entspricht dabei den Schriften und Dharma-Lehren seines
Meisters. Die Lehren bleiben theoretisch und blass, wenn sie nicht mit eigenen
Erfahrungen und der Praxis des eigenen Lebens einhergehen. Schließlich bat der
Schüler seinen Meister dringend, ihm doch noch eine Hilfestellung zu geben,
damit er auf dem Dharma-Weg weiterkommen könne. Der Meister erkannte die große
Begabung seines Schülers und lehnte es daher ab, dessen Bitte zu entsprechen.
Er war sich sicher, dass dieser selbst die tiefen Erfahrungen auf dem
Buddha-Weg machen würde. Eine verbale Belehrung erschöpft sich meist in Worten
und Gedanken und kann die wahre Praxis nicht ersetzen. Es besteht sogar die
Gefahr, dass die Begriffe sich immer mehr verfestigen und die Wirklichkeit
versperren und gerade nicht öffnen. Solche negativen Phänomene gibt es in
manchen religiösen Gruppen und Sekten. Das entspricht dem Bild des Reiskuchens,
den man nicht essen kann und der den Hunger nicht stillt.
Wie
glaubhaft überliefert, zog sich der Mönch in die Einsamkeit der Berge zurück,
und zwar an einen Ort, an dem ein früherer berühmter Meister jahrelang
praktiziert hatte. Er hatte es aufgegeben, nach Erwachen und Erleuchtung zu
streben. Er lebte mit der Natur harmonisch im Gang der Jahreszeiten und
praktizierte ausdauernd und intensiv. So vergingen die Jahre. Er pflanzte einen
Bambus, den er hegte und pflegte. Als er an einem Tag den Weg zu seiner Hütte
fegte, flog ein Ziegelstück an das Rohr des Bambus. Es heißt, dass er bei diesem
Klang, "Bong!", das große Erwachen verwirklichte. Er dankte seinem
Lehrer tief ergriffen und machte eine Niederwerfung in Richtung seine Richtung.
Er dankte ihm aus tiefem Herzen, weil dieser ihm nicht voreilig erklärt hatte,
was auf ihn wartete, sondern es vertrauensvoll der kommenden Erfahrung seines
Schülers in dessen eigenem Leben überlassen hatte. Dadurch war es ihm selbst
möglich geworden, selbst zur großen Wahrheit zu erwachen. Voller Dankbarkeit
verfasste ein Gedicht, das wie folgt beginnt:
„Vergessen ist mit
einem Schlag mein nur erlerntes Wissen.
Nicht länger muss ich
mich mit Selbstkontrolle künstlich zügeln.
Mein Handeln offenbart
jetzt den großen Weg der alten Meister.
Niemals werde ich mehr
in Trübsal und Traurigkeit fallen“
Sein
Meister bestätigte darauf seine tiefe Erleuchtung und sagte, dass dieser
Schüler vollendet sei.
Eine
andere bekannte Geschichte berichtet von dem buddhistischen Weg eines alten
Meisters. Er hatte bereits über dreißig Jahre seines Lebens praktiziert, als er
bei einer Wanderung in den Bergen von einer Anhöhe herab in ein anmutiges Tal
blickte, in dem die Pfirsichbäume im Frühling voll erblüht waren. Er
verwirklichte brei diesem Anblick plötzlich die große Wahrheit Buddhas und
verfasste folgendes Gedicht:
„Dreißig Jahre lang
ein Wanderer auf der Suche nach dem Schwert (der Wahrheit).
Wie viele Male fielen
die Blätter und wuchsen die Knospen?
Mit einem Mal, als ich
die Pfirsichblüten sah,
Bin ich angekommen im
Jetzt und habe keine Zweifel mehr.“
Das
Schwert ist ein Symbol für die angestrebte Klarheit von Körper-und-Geist, wie
es in den buddhistischen Schriften heißt. Es durchschlägt die Verwirrungen,
Verblendungen und Knoten des Lebens. Dann eröffnet sich die wunderbare
strahlende Wirklichkeit. Das Schwert hat eine ähnliche symbolische Bedeutung
wie der Diamant, der ebenfalls durch seine Schärfe das Dickicht von
vorgefassten Meinungen, Bewertungen und verhärteten Gedanken zerschneiden kann.
Im
alten China gab es viele Kōan-Geschichten, in denen ein Schüler in oft klugen
und intelligent formulierten Worten eine Frage an den Meister richtete, die
dieser jedoch überhaupt nicht beantwortete. Warum? Weil die Frage zu theoretisch und zu
ausgedacht war, aber keine wahre Suche nach der Wahrheit erkennen ließ. Manchmal
wiederholte der Meister einfach die Frage mit genau denselben Worten. Damit
wollte er den Schüler von seinen festgefahrenen Gedanken und Worthülsen
befreien und zum unmittelbaren Erleben und Handeln und damit zur Wirklichkeit
bringen. Beispiele hierfür sind die folgenden theoretischen Fragen des
dualistischen Denkens an die Meister, die von ihm nicht durch Worte, sondern
durch Handeln beantwortet werden:
„Wie können wir
bewirken, dass die Berge, Flüsse und die Erde zu uns gehören?“ Der Meister
antwortete: "Wie können die Berge, Flüsse und die Erde bewirken, dass sie zu
uns gehören?“
Damit
durchbricht der Meister den fruchtlosen Dualismus des Ego und erweitert die
Frage des Schülers durch die Wechselwirkung und Überwindung der Trennung von
Subjekt und Objekt.
Oder
die Frage eines gelehrten Philosophen:
„Wie lässt reine
Wesentlichkeit plötzlich Berge, Flüsse und die Erde entstehen?“
Dōgen
umkreist im Folgenden die zentralen Inhalte und Eckpunkte der buddhistischen
Lehre: Ausdauer, der feste Wille zur Wahrheit und die Erweckung des
Bodhi-Geistes sind wichtige Voraussetzungen, um den Buddha-Weg zu gehen. Die
Sucht nach Ruhm, Profit und Ich-Stolz muss überwunden werden, sonst blockiert
man sich selbst auf dem Weg der Befreiung. Dōgen kritisiert mit klaren Worten,
dass in der damaligen Zeit viele tatsächlich Mönche wurden, ohne wirklich an
der buddhistischen Wahrheit zu arbeiten und mit Ausdauer zu praktizieren. Er
sagt damit, dass die große Periode des Chan-Buddhismus in China bereits im
Niedergang begriffen war.
Viele
Mönche und sogar Äbte waren zwar formal Buddhisten, aber die Kraft des
Buddha-Dharma war bereits zum Teil in China erloschen. Ähnliches muss von einer
späteren Phase des Buddhismus in Indien gesagt werden. Das Streben nach äußerer
Anerkennung und finanziellem Gewinn überwog häufig. Oft ging es auch um Macht
und Einfluss bei Hofe. Die Wirklichkeit und Wahrheit des Buddha-Dharma verloren
dabei leider ihre Kraft und Bedeutung. Sie verblassten zu Abbildern und Schatten.
Dieser
Niedergang wird auch in einem berühmten Gleichnis beschrieben, in dem ein
wirklicher Drache zu einem Haus kommt, das von einem Liebhaber der
Drechen-Bilder und Drachen-Skulpturen bewohnt wird. Dieser angebliche Liebhaber
flieht aber erschrocken, als er den wirklichen Drachen vor sich sieht. Denn er
liebt nur die „schönen, ungefährlichen“ Bilder und nicht die Wirklichkeit
selbst. Dōgen drückt dies wie folgt aus:
„Ihr Körper, ihr
Geist, ihre Knochen und ihr Fleisch haben niemals nach dem Dharma gelebt. Daher sind sie nicht eins mit dem
Dharma. Sie empfangen und nutzen den wahren Dharma nicht.“
In
solchen Zeiten des Niedergangs gibt es nach Dōgen viele falsche Lehrer und
selbst ernannte Meister. Sie sind nicht in der Lage, die Schüler wirklich auf
den Buddha-Weg zur Befreiung zu führen. Dōgen empfiehlt daher, dass wir unsere
Lehrer und Meister sehr genau prüfen. Er weist auf den unwiederbringlichen Schaden
hin, wenn die Lehre nicht wahrheitsgemäß übermittelt wird. Dies sei nicht nur
Zeitverschwendung, sondern richte gewaltigen Schaden an. Es sei in solchen
Fällen besser, den Buddha-Dharma überhaupt nicht theoretisch zu studieren
sondern einfach zu praktizieren! Wer kein eigenes wirkliches Erleben habe, sei
weitgehend von anderen abhängig. Er benötige die seichten Bestätigungen anderer
und würde diese zwangsläufig mit der großartigen Wirklichkeit verwechseln. Aber
dieser Irrtum sei nicht einfach zu erkennen und zu durchschauen.
Dōgen
schlägt daher vor, sich sehr gründlich die wahren Lehren der alten Meister zu
analysieren und sie als Vorbild zu nehmen. Dies sei viel wichtiger, als enge
Kontakte zu Königen, Fürsten, wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens, den Reichen und Schönen des Landes usw. zu pflegen. Man solle sich
nicht auf sie einlassen. Dadurch mache man sich zwangsläufig von ihnen abhängig,
sei auf Lob und Tadel dieser Menschen fixiert und erhoffe sich Vorteile. Dann
würden die drei Gifte Gier, Hass und Neid, sowie Verblendung immer größer
werden.
In
einer solchen Umgebung, ja selbst in den Klöstern, gab und gibt es Neid und
Eifersucht. Dies wird bereits aus der Zeit von Gautama Buddha selbst berichtet.
Es gibt zudem falsche Meister und Lehrer, die einen unmoralischen
Verdrängungs-Wettbewerb im Kloster sogar fördern. Wer im Geist beschränkt ist,
erkennt leider nicht den wirklich weisen Menschen und entwickelt sogar
Feindschaft gegenüber den Heiligen. Auch im Buddhismus gibt es nach Dōgen
schlimme Beispiele, in denen große Meister von Feinden gefoltert und getötet
wurden. Diese Menschen hätten nicht erkannt, wen sie wirklich vor sich hatten.
Dōgen rät aber eindringlich dazu, in solchen Fällen niemals Hass zu entwickeln,
sondern vielmehr mit Liebe und Mitgefühl den Dharma zu lehren. Es sei
vielleicht möglich, diese Menschen zur Umkehr zu bewegen und auf den richtigen
Weg zu führen.
Die Anfänger auf dem Weg des Buddha-Dharma sind zunächst
überwiegend von Gefühlen und positiven Idealen durchdrungen, die aber noch
nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Wichtig ist es daher, dass die Kraft
dieser ersten Zeit des Lernens nicht nachlässt und erlahmt, sondern sich in pragmatische
Ausdauer umwandelt. Eine solche Ausdauer und Stetigkeit sind wichtig und sogar
notwendig, um den Buddha-Weg zu gehen und die Übungspraxis fortzuführen.
Nishijima Roshi empfiehlt in diesem Sinne, jeden Tag zweimal Zazen zu
praktizieren, selbst wenn dies nach enthusiastischen Anfängen nicht immer
leicht fällt und vielleicht sogar langweilig wird. Ganz wichtig ist es, einen
wahren Lehrer zu finden. Auf diesem Weg muss man „Berge ersteigen und Ozeane
überqueren“, wie Dōgen sagt und fährt fort.
„Wenn ihr wirklich
einen Meister und Lehrer sucht und ihn finden wollt, steigt er vom Himmel herab
oder kommt aus der Erde hervor.“
Er
spricht damit aus seiner eigenen Erfahrung, als er selbst einen Lehrer suchte
und nach China ging. Je näher man nach Dōgen einen wirklichen Meister
kennenlernt, desto großartiger erscheint er als Mensch, und umso mehr kann man
von ihm lernen. Bei einem falschen Meister ist es genau umgekehrt! Je näher man
ihn kennt, desto weniger bleibt von der einstigen Größe übrig. Manchen
Pseudo-Meistern gelingt es zwar zunächst, hohe Erwartungen zu erwecken, aber
diese werden im Laufe der Zeit immer mehr enttäuscht.
Dōgen
zeigt recht genau, wie man sich auf dem Buddha-Weg verhalten soll, wenn man beispielsweise
in seinem Alltag müde und träge geworden ist und dies an sich selbst erkennen
muss. Er rät dazu, sich diesem Problem nüchtern und in aller Offenheit zu
stellen und sich selbst nichts vorzumachen. Man sollte also seine
Nachlässigkeit und Trägheit aufrichtig vor dem Buddha bekennen. Daraus erwächst
dann die neue lebendige Kraft, die uns erlöst, reinigt und wieder voran bringt.
Dann sind die seichten, unausgefüllten und oft langweiligen Tage der
Vergangenheit zu Ende, und es sind Umkehr und ein neuer Start möglich. Das alte
Karma kann so aufgelöst werden, und die Hindernisse auf dem Weg des Lernens werden
weggeräumt. Dazu wird ein alter Meister zitiert:
„Wenn ihr in den
vergangenen Leben noch nicht vollkommen gewesen seid, könnt ihr es jetzt
werden.“ Und weiter: „Nachdem die Menschen die Wahrheit verwirklicht haben,
werden sie heute klare Buddhas sein.“
Auf diesem Weg kommt man jedoch mit Theorie und Gedanken allein
nicht weiter, so wichtig diese sein mögen, sondern man muss im Hier und Jetzt
praktizieren und handeln. Dabei hat die fortlaufende Meditation des Zazen eine
besonders gute Wirkung. Es kommt darauf an, "dran zu bleiben". Wir
brauchen dafür wahres Vertrauen in unseren Körper und Geist. Und im Laufe der
Praxist wächst dieses Vertrauen zu sich selbst immer mehr.
„Wenn wir so
praktizieren, werden uns die Stimme und die Form des Tales und die Form und die
Stimme der Berge keiner der vierundachtzigtausend Verse vorenthalten“
Dann wird
uns klar, dass „die Täler und Berge (wirkliche) Täler und Berge sind“.