Dōgen bezieht sich in diesem Kapitel auf Worte des großen Meisters Gensa, den er außerordentlich schätzte und dessen Aussage er in diesem Kapitel wiedergibt und kommentiert. Das Leben, das wahre Sein und das Universum werden hier mit einer leuchtenden Perle gleichgesetzt. Damit bringt er etwas sehr Wichtiges zum Ausdruck, nämlich positives sinnvolles Denken, Fühlen und Handeln in unserem Leben. Und dies war damals und ist vielleicht besonders in der heutigen Zeit wirklich ganz wesentlich. Über das Schlechte und Negative in dieser Welt wird sehr viel geklagt, nicht zuletzt in den Medien, und deren dunkle und abgründige Seiten werden häufig beschworen.
Häufig habe ich den Eindruck, dass unsere Medien die ganze Welt nach Katastrophen und drohenden Problemen absuchen, um Unruhe zu erzeugen und Ängste zu schüren. Das ist aber wirklich keine ausgewogene Berichterstattung! Das ist leider das kapitalistische Geschäftsmodell der meisten Medien: Sie maximieren den Gewinn durch Werbung und benutzen die von ihnen präparierten Informationen um die Anschaltzeit und die Klicks so hoch wie möglich zu treiben. Wie kann man die Information in Deutschland entsprechend präparieren? Antwort: Möglichst viele Ängste und Unsicherheiten mit den Informationen mischen, damit die kapitalistischen Ziele der Anschaltzeit erreicht werden. Davon kann der Buddhismus uns befreien, weil Angst und Gier nach Sensationen, die unwahr sind, zur Ruhe kommen. Viele Medien machen ihre Geschäfte mit unserer Angst und künstlich erzeugte Neugier, das sind aber unsinnige Extreme. Genau dieses Problem hat der alte Meister Gensa damals gelöst: Frei von Fake-Informationen!
Dass
Dōgen das Gleichnis der leuchtende Perle außerordentlich schätzte, belegt, dass
der Buddhismus alles andere als eine lebensfeindliche und negative Philosophie
und Lebenspraxis ist, wie manchmal behauptet wird, sondern dass – ganz im
Gegenteil – die Schönheit und der wunderbare Glanz der Welt, der Natur, der
Pflanzen und Tiere und des menschlichen Lebens im Mittelpunkt stehen und als
die wahre Wirklichkeit erlebt werden. Mit diesen Schätzen und Schönheiten
können wir uns ein sinnvolles Leben gestalten.
Dies
bedeutet aber nicht, dass die dämonischen Seiten der Welt verschwiegen oder verdrängt
werden. In dem Kapitel „ Erzeugt kein Unrecht und erlangt die Freiheit“
beschreibt Dōgen zum Beispiel, dass es „von Natur aus“ gar kein Unrecht im
Universum gibt, sondern dass Unrecht von den Menschen erzeugt und hinzugefügt
wird. Dann ist es leider tatsächlich vorhanden und kann nicht wegdiskutiert
werden. Es ist daher ganz unsinnig, dass dem Buddhismus manchmal das
Kennzeichen „Nihilismus“ angeheftet worden ist. Dies ist vielleicht auch auf
den falsch verstandenen Begriff der Leerheit zurückzuführen, der dem Westen zunächst
ganz unverständlich war und nihilistisch interpretiert wird. Eine leuchtende Perle kann wirklich
nicht als Symbol einer pessimistischen Grundeinstellung zum Leben und zur Welt
bezeichnet werden und kann auch nicht dafür herhalten, dass „alles Leben nur
Leiden ist“, wie dies manchmal als buddhistische Sichtweise behauptet wird. Im
Sūtra der Achtsamkeit („Große
Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit“) heißt es aber im Kapitel der vier Wahrheiten: „Dies ist das Leiden“. Es handelt sich um
zwölf Bereiche des Leidens, die von Gautama Buddha im Folgenden aufgezählt und
beschrieben werden. Und genau dies Leiden sind gemeint. Es gerade keine
All-Aussage. Es gibt dort also keine Aussage über die Universalität des
Leidens. Aber Buddha vertuscht auch nicht, dass es schwieriges Leiden gibt und
zeigt uns erprobte Wege, wie wir uns von unnötigem Leiden befreien.
Dass
es in der Welt viel Kummer, Gram und Ängste gibt, kann und soll also nicht
bestritten werden. Im Gegenteil, es wird ja in den vier edlen Wahrheiten gerade
der Weg aufgezeigt, wie man das vorhandene Leiden vermindern oder sogar
überwinden kann.
Die
runde Form wie die Perle ist im Buddhismus oft ein Symbol für ein harmonisches
und ausgeglichenes Leben und für das Universum. Diese Rundheit wird nicht
zuletzt wegen seiner Schönheit gerühmt. Ecken und Kanten oder gar Stacheln und
Borsten werden im Buddhismus meist weniger geschätzt. Das Runde des Mondes gilt
als der Inbegriff der Schönheit und Harmonie und so ist auch eine runde Perle
Ausdruck für ein schönes, strahlendes und waches Leben. Diese Perle bedeutet
also das, was wir häufig als Erleuchtung bezeichnen. Die Perle spiegelt alles leuchtend
wider, was um sie herum vorhanden ist, und ist damit mit einem Spiegel vergleichbar,
der alles unverzerrt und heilsam reflektiert, was vor ihm erscheint. Sie
leuchtet in vielen schimmernden Farben von wirklich ausgesuchter Schönheit. Die
Perle ist damit das Symbol der Wirklichkeit.
Eine
Perle ist rund wie die Scheibe des Mondes oder der Sonne, aber sie eine Kugel
und hat von Natur die Eigenschaft zu rollen und sich zu bewegen. Sie
symbolisiert damit eine ganz fundamentale Erfahrung des Buddhismus: die
Bewegung, den Wandel und das Handeln. Das Universum und alles in der Natur und
im Leben bewegen sich fortwährend, verändern sich unaufhörlich und rollen wie
Perlen in einer Schale. Dōgen sagt, dass die Perle sich damit selbst genug ist,
so wie sie ist. Der Satz,
„das Universum in den zehn Himmelsrichtungen ist eine leuchtende
Perle“,
drückt
damit wirklich das Herzstück des wahren Buddhismus aus. Dōgen schätzte Meister
Gensa außerordentlich, der diese Worte prägte und in den Buddhismus einführte.
Wer
war nun dieser berühmte Meister Gensa? Wir wissen, dass er bis zu seinem
dreißigsten Lebensjahr als Fischer auf einem der großen Ströme Chinas seinen
Lebensunterhalt verdiente. Er ließ sich mit seinem Boot gern in der leichten
Strömung treiben ließ, während er seinem Beruf nachging. Er war also zunächst
kein Mönch, sondern stand mit seinem Beruf fest im sozialen Leben. Er scheint
schon damals eine große innere Ruhe, Kraft und Ausgeglichenheit besessen zu
haben, und wir können sicher annehmen, dass er weder nach Ruhm noch nach äußere
Macht oder Profit strebte. Die drei Gifte Gier, Hass und Verblendung waren ihm
eher fremd. Während er auf dem Strom so dahin trieb, hatte er Gelegenheit, genau
zu beobachten und über das Leben, seine Begrenzungen und seine großen Möglichkeiten
nachzudenken und nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Diese Fragen sind wohl
immer dringlicher und existentieller für ihn geworden. Daher entschloss er sich
mit dreißig Jahren, seinen Strom und sein Boot zu verlassen und nach der großen
Wahrheit zu suchen. Bis dahin hatte er keine buddhistische Schrift gelesen und
verfügte über keine Kenntnis und Erfahrung der Übungspraxis und Lehre des
Buddhismus. Er war also ein Laie, dem plötzlich der Sinn des Lebens und das
Streben nach verlässlicher Wahrheit wichtiger geworden war als alles andere in
seinem bisherigen Leben.
Er
machte sich daher auf die Wanderschaft und erreichte schließlich ein Kloster in
den Bergen, dass von dem damals weithin gerühmten großen Meister Seppō geleitet wurde. Er wurde in das
Kloster aufgenommen und widmete sich mit aller Intensität, Ausdauer und Kraft
der Übungspraxis und de Aufgaben im Tagesablauf des Klosters. Es wird
berichtet, dass er sparsam und sehr einfach lebte. So besaß er zum Beispiel nur
ein einziges Kleidungsstück aus Baumwolle, das er immer wieder flickte, wenn es
löcherig geworden war.
Die
Kōan-Gespräche zwischen Gensa, der später selbst Nachfolger des Abtes wurde,
und seinem großen Meister Seppō sind von überaus treffender Genauigkeit und
tiefgehender Bedeutung. Sie sind Höhepunkte und Sternstunden des Buddhismus und
dabei niemals abgehoben und abstrakt-philosophisch. Allerdings ist ihre
Tiefgründigkeit nicht immer leicht zu erkennen. Sie wurden vielfach überliefert
und gehören zu den bedeutendsten Wahrheits-Aussagen des Zen-Buddhismus
überhaupt. Dōgen kommt im Shōbōgenzō
häufig auf diese beiden großen Meister zu sprechen und erläutert sie mit seinem
tiefen Verständnis und seiner umfassenden Erfahrung des Buddhismus.
Der
spätere Meister Gensa war allen romantisierenden, weltfernen Schwärmereien
abgeneigt, und kann fast als nüchtern und pragmatisch benannt werden. Er
zeichnete sich durch eine besondere genaue Beobachtung der Wirklichkeit und unterscheidet immer in größter
Klarheit zwischen Ideen und Bildern einerseits und der beobachtbaren Wirklichkeit
andererseits. Seine Gesprächsbeiträge dringen zum Kern der jeweiligen Frage vor
und verlieren sich nicht in Phantasien, die, wie es im Shōbōgenzō an anderer Stelle heißt, wie „Blüten in den Himmel
wachsen“.
Das
Gleichnis der Perle zeigt, dass Meister Gensa nicht nur die äußere und materielle
Sichtweise beobachtet und beschreibt, sondern auch poetische Kraft und
Schönheit vermitteln konnte. Zu Recht werden seine Aussprüche und seine mit
seinem eigenen Meister Seppō geführten Dialoge so hoch gerühmt, die oft in Form
eines Kōans formuliert sind
Gensa
praktizierte unter seinem Meister Seppō mit aller Kraft und Ausdauer Er wollte
aber eines Tages das Kloster verlassen, um wieder auf Wanderschaft zu gehen und
andere buddhistische Meister kennen zu lernen. Er wollte die buddhistische
Lehre vertiefen und erweitern. Es wird berichtet, dass er nach dem Verlassen
des Klosters noch nicht weit gekommen war, als er mit seinem Fuß in den offenen
Sandalen heftig gegen einen Stein am Wege stieß und große Schmerzen an dem
verletzten Zeh hatte, der stark blutete. Bei diesem plötzlichen schmerzhaften
Erlebnis hatte er eine vollkommen klare intuitiv-ganzheitliche Eingebung. Es
schoss ihm durch den Kopf: „(Im Idealismus wird gesagt, dass) dieser Körper
nicht wirklich existiert, woher kommt dann der Schmerz?“ Gleichzeitig erkannte er, dass es ganz sinnlos war, erneut auf
Wanderschaft zu gehen und nach irgendetwas Entferntem zu suchen. Das große
Wahre ist genau hier und jetzt und nicht in der Ferne, Vergangenheit oder
Zukunft! Er kehrte daher sofort um und ging wieder zu seinem Meister, und wurde
später dessen Nachfolger. Er verließ das Kloster danach nicht mehr: Die große
buddhistische Wahrheit suchte er nich mehr woanders.
Sein
Meister Seppō fragte ihn, warum er
denn zurückgekommen sei, und er antwortete: „Letztlich kann ich mich nicht von
anderen täuschen lassen.“ Er erklärte, dass die eigene Erfahrung der Wirklichkeit
maßgeblich sei, unabhängig davon, was andere sagen und lehren. Selbst
erleuchtete Meister wie Seppo können zwar die eigene Erfahrung anregen aber
nicht ersetzen. Wenn im Buddhismus manche fälschlich behaupten, dass der Geist
unabhängig vom Körper existiere und nur der Geist Wirklichkeit habe, ist das
nicht einmal die halbe Wahrheit, denn sie verbleibt im theoretischen
Idealismus. So wurde es dem Mönch Gensa
im Gegensatz dazu durch den Schmerz blitzartig klar, dass dies zu wenig ist und
nicht richtig sein kann. Sein Meister Seppō
war von dieser einfachen, präzisen Aussage tief beeindruckt und rühmte Gensa
anderen gegenüber außerordentlich. Denn durch den Schmerz hatte sich sein Geist
plötzlich erweitert und die bisherigen Denk-Fesseln abgeworfen. Seppō freute sich besonders, dass sein
Schüler nicht nur diese große Klarheit und Einheit von Körper und Geist
intuitiv erkannt hatte, sondern dass er dies auch außerordentlich treffend in
Worte fassen konnte.
Es
wird weiter berichtet, dass Gensa nach einer gewissen Zeit des Lernens und der
Übungspraxis das große Erwachen erlebte, also Erleuchtung erlangte, und dass
er. Aals er selbst Meister geworden war, lehrte seine Schüler den Buddhismus
mit dem Satz:
„Das ganze Universum
in den zehn Richtungen ist eine leuchtende Perle.“
Als
ihn eines Tages ein Mönch fragte, wie er und die anderen Schüler dies überhaupt
verstehen sollten, antwortete Meister Gensa ihnen:
„Was nützt es dir, dies zu verstehen?“
Damit
wollte er sagen, dass mit dem intekktuellen Verstand allein die konkrete
Wahrheit der leuchtenden Perle nicht erfasst werden könne und dass die Schüler
sich bemühen müssten, über das begriffliche Denken hinaus zu gelangen.
Sein
Satz über die leuchtende Perle und das Universum muss von jedem Menschen auf
das eigene Leben, die eigene Erfahrung und den eigenen buddhistischen Weg
angewendet werden. Erst dadurch entfaltet er seine Weisheit und Kraft zur
Verbesserung des eigenen Lebens. Denn auch eine derartig großartige, aber
allgemeine Aussage birgt die Gefahr, sich lediglich im Denken festzusetzen, gedanklich aufgenommen und als
abstrakte Lehre vielleicht nur auswendig hergesagt zu werden. Dies dürfte aber
gerade Meister Gensa selbst ganz fremd gewesen sein, der allen romantischen
Phantasien über die Lehre Buddhas ablehnend gegenüberstand und immer durch
eigenes Erleben zur Wirklichkeit durchstoßen wollte.
In diesem Sinne fragte er denselben Mönch an dem folgenden
Tag:
„Das ganze Universum
ist eine leuchtende Perle, wie verstehst Du das?“
Als
der Schüler dann wortwörtlich die frühere Antwort seines Meisters wiederholte,
sich also dessen Aussage genau gemerkt und auswendig gelernt hatte, sagte der
Meister:
„Ich sehe, dass Du
Dich sehr anstrengst, um in die Höhle eines Dämons in einem schwarzen Berg zu
gelangen.“
Diese
Kōan-Geschichte, die zunächst recht eigenartig anmutet, zielt, so Nishijimas Roshi im Shinji Shōbōgenzō, auf das begriffliche und unterscheidende Denken,
also auf Ideen im Sinne der idealistischen dualen Lebensphilosophie. Dieses
Denken ist die Höhle des Dämons in einem schwarzen Berg!
Dōgen erläutert, dass man das Universum nicht nur materiell-physikalisch
deuten dürfe. Aus der Welt der Ideen zur konkreten Wirklichkeit vorzustoßen
bedeutet also keinesfalls, dass man in einem simplen, materiellen Welt- und
Lebensverständnis hängen bleibt. Damit wäre wenig gewonnen. Es geht nach Dôgen auch nicht nur um Maßangaben für
die Größe oder die Form, ob etwas z. B. eckig oder nicht.
Begriffe
und Ideen sind aber auch nicht leichtfertig abzulehnen, denn ohne sie gäbe es
die buddhistische Lehre und die Kommunikation in der Sangha überhaupt nicht.
Man muss sie als solche erkennen und nicht mit der Wirklichkeit selbst
verwechseln. Denn die Wahrheit des Lebens und Sterbens geht über die Begriffe,
Ideen und Gedanken hinaus. Erst dann erscheint die unmittelbare Wahrheit des
Lebens und Sterbens. Ein Begriff, eine Idee oder ein Gedanke kann also auf die
Wirklichkeit hinweisen, aber er ist nicht die Wirklichkeit selbst. In gleicher
Weise kann man auf den Mond zeigen, und dieses Zeigen entspricht dem Begriff
oder der Idee, aber der Mond selbst ist die Wirklichkeit und Wahrheit. Sprache
und Ideen haben eine hohe Bedeutung in der menschlichen Kultur, da sonst überhaupt
keine Verständigung, Dialog und kein kulturelles Leben möglich wären. Aber sie
haben ihre Grenzen und dürfen nicht als eigenständige Wahrheiten verstanden
werden, sondern weisen lediglich auf die Wirklichkeit und Wahrheit hin. Und mit
Sprache und sozialer Kommunikation kann viel Unheil angerichtet werden, um
Menschen zu dogmatisieren und zu verdummen. Es ist das große Verdienst des Buddhismus,
dies in aller Klarheit herausgearbeitet zu haben. Besonders die Zazen-Praxis ermöglicht,
die unablässig kreisenden eigenen Gedanken zum Stillstand zu bringen. Auf diese
buddhistische Kernlehre hat vor allem Meister Gensa hingewiesen.
Das
eigentliche Erleben und Erfahren und die unmittelbare Wirklichkeit eröffnen
sich je im gegenwärtigen Augenblick und lassen sich nur sehr begrenzt in
Denkprozessen über die Vergangenheit und in Annahmen über die Zukunft erfassen.
Man kann das Leben und die Wirklichkeit nicht vollständig mit dem Verstand
begreifen, sondern diese Wirklichkeit ereignet sich im Augenblick der
fortlaufenden Bewegung, die auch das Universum kennzeichnet. Diese Bewegungen und
Vernetzungen haben in sich ein besonderes Gleichgewicht. Sie sind daher nicht
statisch, aber auch nicht labil. Dies können wir Menschen besonders in der
richtigen Haltung der Zazen-Praxis erleben. Dann ist das vegetative oder
autonome Nervensystem bei uns ebenfalls im Gleichgewicht, wie Nishijima Roshi betont.
In
diesem stabilen Gleichgewicht löst sich vor allem die Vorstellung eines
isolierten Ich auf, denn wir sind ja unauflösbarer Teil der nicht endenden
Bewegungen und Vernetzungen des Universums: Daher sagen Buddha und Nargarjuna
als zentrale buddhistische Weisheit: "Geinsames
Entstehen in Wechsel-Wirkung" ist das wichtigste Prinzip der Welt und
besonders des Lerbens. Dies gilt unabhängig davon, ob wir immer wieder mit
großer Energie versuchen, uns selbst durch die Konstruktion eines gedachten
Ichs abzugrenzen, zu schützen oder andere anzugreifen und uns über sie zu
erheben. Diese fundamentalen Irrtümer, die das Leiden vergrößern und gemäß dem
Buddhismus überwunden werden können, müssen dabei allerdings „vorsichtig angegangen“
werden, wie Nishijima Roshi lehrt.
Die großartige oder pompöse Absicht, das eigene Ich mit aller Gewalt zu töten,
ist überhaupt nicht sinnvoll, denn dies bewirkt eigentlich immer das Gegenteil.
Dann besteht die Gefahr, dass das Ich sich nämlich dadurch isoliert, einkapselt,
verhärtet und unberechenbar wird. Wer kennt nicht die maskierten Machtkämpfe zwischen
angeblichen milden Buddhisten?
Dōgen schätzt das wunderbare Gleichnis der Perle von Meister Gensa außerordentlich. Er ist fest davon überzeugt, dass es zentrale Bedeutung der buddhistischen Lehre ist und sich immer mehr verbreiten wird Die Wirklichkeit gibt es nur im Jetzt der Gegenwart. Diese Gegenwart hat sich zwar aus der Vergangenheit entwickelt, aber die Vergangenheit selbst kann nur gedacht und nicht erfahren werden. Der Körper-Geist ist die Perle des Jetzt, der Wirklichkeit und der Wahrheit.
Dabei
ist es nicht nötig, sich den Zeitablauf als eine Kette von einzelnen getrennten
Perlen vorzustellen, denn es geht um die intuitive, klare Erfahrung der
leuchtenden Perle des Jetzt jeweils in der Gegenwart. Dieses Modell ist zudem
in Gefahr, den philosophischen Fehler der
Sautrantika zu machen, die derartige isolierte Zeit- und Substanz-Elemente
behaupteten und vom Meister Nagarjuna ganz klar falsifiziert wurden. Dieses
Jetzt dehnt sich im ganzen Universum aus, hat keine absolute Unterscheidung von
Ich und Universum und strahlt einen wunderbaren, leuchtenden Glanz aus, der
typisch für eine Perle ist. Deshalb sagt Meister Gensa: „Das ganze Universum ist eine leuchtende Perle.“
Damit
wird deutlich, dass der obige Mönch, der mit dem Verstand und aus dem
Gedächtnis heraus die Aussage Meister Gensas
verstehen will, mit ungeeigneten intellektuellen Methoden arbeitet. Er kämpft
vergeblich in dem „schwarzen Berg“ gegen sein intellektuelle Einseitigkeit. So
wichtig und nützlich die Vernunft für viele Bereiche des Lebens ist, so wenig
ist das duale und wortabhängige Denken in der Lage, die volle Wirklichkeit
unmittelbar und umfassend zu erfahren. Dōgen sagt, dass man das eigene Licht
nach innen wenden solle. Dabei sind die buddhistische Lehre und Praxis reale
Wirklichkeiten, wie die leuchtende Perle.
In
dieser Wirklichkeit sollten wir uns Dōgen zufolge von starken bewertenden
Gefühlen freimachen, ganz gleich ob sie angenehm oder unangenehm, wünschenswert
oder abstoßend, heiß oder kalt sind. Denn der Glanz und die Wahrheit der einen
Perle übersteigen dies alles bei weitem. Und alle Extreme sind nach Nagarjuna
unwahr und gefährlich. Sie sind durch die drei Gifte Gier, Hass und Verblendung kontaminiert! Das ganze Universum und
die glänzende Perle sind für Dōgen das wahre Auge und der Kern des Buddhismus,
sie sind das umfassende Universum als wahrer Körper der Wirklichkeit. Dieser
Satz von der leuchtenden Perle umfasst das ganze Universum sei ein helles,
glänzendes Leuchten.
Es
gibt im Buddhismus verschiedene tiefgründige Geschichten über die Perle. In
einer Geschichte schenkte zum Beispiel ein reicher Mann seinem
heruntergekommenen Freund eine Perle und nähte sie in sein ärmliches Gewand
ein. Dieser bemerkte die Perle erst nach vielen Jahren und wurde dadurch
gerettet. Der große Rhythmus des Lebens besteht nach Dōgen darin, eine Perle zu
schenken und eine Perle zu empfangen. Der legendäre heilsame schwarze Drache
trägt in der chinesischen Mythologie eine wertvolle Perle unter seinem Kinn. Und
im Lotos Sūtra schenkt der König
einem hoch verdienten Menschen als Dank eine Perle. Die leuchtende, rollende
Perle ist für Dōgen ein wunderbares Gleichnis für das Leben, das strahlend und
schön ist und das wir mit dem der tiefen Weisheit Buddhas lieben sollten.
Dadurch können wir die verengten, festgefahrenen Gedanken und Ideen überwinden
und von unnützen Bewertungen und vor allem Beurteilungen wie Verachtung oder
Ablehnung ablassen. Die Farben und das Licht der Perle haben kein Ende und sind
gleichzeitig „die Tugend des ganzen
Alls“.
Dōgen betont schließlich, dass wir die Enge der eigenen Person durch das Gleichnis und den Satz der glänzenden Perle überwinden sollten. Selbst weniger taugliche Versuche des Denkens und Fühlens zur leuchtenden Perle können sinnvoll sein. Dies umso wirksamer, wenn wir den festen Willen haben, nach der Wahrheit zu streben.