Dôgen
sagt unmissverständlich, dass es auf dem Buddha-Weg wichtig ist, uns sowohl der
Vielfalt der Welt als auch der Lehre des Dharma anzuvertrauen. Es ist sinnlos
durch bertriebsamen Aktionismus zu versuchen, die egoistische Erleuchtung und
Verwirklichung mit Gewalt und zum eigenen Vorteil zu erreichen. Aber ohne jede Anstrengung
geht es natürlich nicht. Die Täuschungen, die im ersten Satz des folgenden
Zitates aus dem Shōbōgenzō
angesprochen werden, sollten wir nach Dōgen so klar wie möglich erkennen und
sie nicht innerhalb der Täuschungen selbst weiter zu verstärken und fortzusetzen.
Dadurch würden wir uns immer weiter vom Dharma, also von dem wahren Gesetz der
Welt, entfernen und isolieren. Dann würde sich die wunderbare Blume des Dharma
ohne uns drehen und wir schließen uns dadurch selbst aus, wie Meister Dakain
Eno (Hui Neng) sagt.
Selbst
mit äußerst geschärften Sinnen, also dem ganzen Können von Körper und Geist, sei
es unmöglich, die Wirklichkeit und Wahrheit dieser Welt vollständig bis ins
Letzte zu erkennen. Eine darauf gestützte Erfahrung würde immer nur eine
begrenzte Sicht offenbaren und wäre blind für andere Seiten der Welt und des
Menschen. Denn unser Geist kann nicht vollständig erfasst werde und ist
überhaupt nicht zum Erwachen nötig. Allerdings glauben manche Intellektuelle so
etwas tatsächlich.
Ich
möchte jetzt den ersten zentralen Absatz dieses Kapitels genauer untersuchen.
Ich stütze mich dabei auf die von Nishijima Roshi entwickelte Interpretation,
denn sonst läuft man Gefahr, sich in Widersprüche zu verstricken.
Widersprüchlichkeit und Paradoxien lehnt Dōgen selbst entschieden ab, denn man
leiden im Vulgär-Zen manchmal findet. Er sagt nämlich, dass die Lehre des
Buddhismus gerade im Zen niemals unlogisch, vordergründig, paradox und gegen
die Vernunft sei. Wer das behaupten würde, habe den Zen-Buddhismus überhaupt
nicht verstanden.
Der
erste Absatz dieses Kapitels lautet wie folgt:
(1) „Wenn alle Dharmas (Dinge und Phänomene) als
Buddha-Dharma (Theorie) verstanden werden, dann gibt es Täuschung und
Verwirklichung, gibt es Praxis, gibt es Leben und Tod und gibt es (Theorie-)Buddhas
und gewöhnliche Wesen.
(2) Wenn die unzähligen Dharmas nicht vom Selbst (ohne
Geist. also materiell) sind, gibt es keine Täuschung und keine Verwirklichung,
keine Buddhas und keine (gewöhnlichen) Wesen und kein Leben und keinen Tod.
(3) Die Wahrheit des Buddhas übersteigt ursprünglich (geglaubten)
Überfluss und Knappheit, und daher gibt es (wirklich) Leben und Tod, gibt es
Täuschung und Verwirklichung und gibt es gewöhnliche Wesen und Buddhas.
(4) Und obgleich dies so ist, fallen die romantisierten
Blüten nur, wenn sie übertrieben geliebt werden, und gedeiht das abgelehnte
Unkraut nur, wenn es übertrieben gehasst ist.“
Was
will uns Meister Dōgen mit diesen überaus wichtigen, aber nicht gerade einfach
zu verstehenden Sätzen sagen? Zweifellos gehören sie zum Kern der zen-buddhistischen
Lehre überhaupt. Aber in der Literatur werden sie manchmal missverstanden oder
als unverständlich und paradox beiseite geschoben.
Beim
genauen Lesen der drei ersten Sätze können wir erkennen, dass in diesem
Abschnitt drei verschiedene Sichtweisen oder besser gesagt Lebensphilosophien
beschrieben werden. Im ersten Satz wird gesagt, dass zwischen Täuschung und
Verwirklichung, zwischen Praxis und Handeln, zwischen Leben und Tod und
zwischen Buddhas und gewöhnlichen Menschen theoretische unterschieden wird. Das
gilt, wenn die Welt und das Leben auf der Grundlage einer idealistischen
Methode des Denkens verstanden werden. Zu diesem Denken und diesen Ideen
gehören auch die Theorie und Lehre des Buddha-Dharma. Dem liegt meistens die
Vorstellung eines getrennten, denkenden isolierten Ich zugrunde. Meister
Vasubandhu nennt das Fabrikation.
Im
zweiten Satz wird dagegen eine andere Grundlage und Methode des Denkens
gewählt. Es handelt sich hier um den materialistischen Standpunkt ohne den
menschlichen Geist. Er wird durch die äußeren Dinge und Phänomene determiniert,
die als naive Wirklichkeit verstanden werden, also unreflektiert und zu simpel.
Die Weltanschauung ist durch die Formulierung gekennzeichnet, „wenn die
unzähligen Dharmas alle nicht vom Selbst (des Geistes) sind“, also kein
subjektives Denken besteht und scheinbar die objektive Welt erkannt wird. Vasubandhu
spricht von der Determination durch das Fremde. Dann gibt es überhaupt keinen
Unterschied zwischen Täuschung und Verwirklichung, Buddhas und gewöhnlichen Menschen
oder Leben und Tod. Der Geist des Menschen hat dann keine Wechselwirkung. Mit
anderen Worten: Die Bedeutungen dieser Begriffe und Gedanken können gar nicht
erkannt und verstanden werden. Denn aus materialistischer Sicht kann man zum Beispiel
nicht von Täuschung oder Verwirklichung, von Buddhas und gewöhnlichen Menschen
usw. sprechen. Die materielle Sicht erkennt nur das angeblich wahrgenommene Äußere
an und kennt keine spirituelle oder geistige Tiefe. Dies entspricht weitgehend
dem Verständnis des westlichen Materialismus und zum Teil der Naturwissenschaft
und Technik.
Allerdings
ist bekannt, dass Albert Einstein, der wohl größte Physiker des vergangenen
Jahrhunderts, ein religiöser Mensch war und die Grenzen eines materiellen
Verständnisses der Welt klar erkannt und formuliert hat. Für die ebenfalls
überragenden Physiker, Max Planck und Werner Heisenberg, gilt Ähnliches. Wir
können daher feststellen, dass ein nur materialistisches Weltbild auch in der
modernen Naturwissenschaft seit mehr als einem Jahrhundert überholt ist. Der
Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann erklärt zu Recht, dass die Welt von
unendlicher Komplexität sei und mahnt uns damit zur intellektuellen Bescheidenheit.
Dôgen sagt dazu: Der Geist kann nicht vollständig erfasst werden. Ein nur
materielles Weltbild muss daher in der Tat als naiv und oberflächlich
bezeichnet werden.
Der
erste und zweite Satz im obigen Zitat geben demnach nach Nishijima Roshi die
Weltanschauungen und Sichtweisen des Idealismus und Materialismus wieder. Beide
fallen in die Gruppe intellektueller Philosophien und sind phänomenologisch
weitgehend leer. Diese intellektuellen Weltanschauungen und Philosophien sind
etwas grundsätzlich anderes als die praktischen und wahren Dimensionen der
Wirklichkeit des dritten Satzes.
Im
dritten Satz wird die umfassende Buddha-Wahrheit beschrieben und die
Lebenspraxis dargestellt, die über Theorie, Denken und Bewertungen hinausgeht.
Sie ist die wahre Wirklichkeit und wird im Folgenden weiter ausgeführt.
Im
vierten Satz sagt uns Dōgen, dass wir nicht in einer idealen Welt wie in einem
Paradies leben, sondern dass wir es mit fallenden Blüten und wucherndem Unkraut
zu tun haben. Aber wir sollen uns davon nicht entmutigen lassen sollen, da wir
die Buddha-Wahrheit und der Übungspraxis verwirklichen können. Aber alle
Extreme sind schädlich, vor allen übertriebene Gefühle. Aber die Befreiung gibt
es wirklich, selbst wenn Pessimisten und Nihilisten das ideologisch bestreiten,
auch um sich eventuell als klug und reflektiert darzustellen.
Mit
diesen Formulierungen werden nicht starre Einheiten oder isolierte Entitäten
sondern Abläufe, Prozesse und Vorgänge beschrieben, so wie sie in der
Wirklichkeit geschehen. Nagarjuna legt dabei besonderen Wert auf die
Interaktionen und Vernetzungen, die wir heute von den Ökosystemen und dem
Gehirn genauer kennen. Dōgen betont an anderer Stelle, dass besonders unsere
Vorstellungen und vor allem unsere Bewertungen oft zu statisch und dauerhaft
sind und dass wir diese häufig mit der Wirklichkeit verwechseln. Wenn wir das
erkennen und verwirklichen, erwachen wir im Sinne von Gautama Buddha. Denn
Veränderungen sind für die Überwindung des Leidens und das Erwachen aus
unbewusster Dumpfheit unbedingt nötig.
Dann
geht Dōgen auf das für ihn so wichtige Handeln des Menschen ein. Er sagt, dass
wir bei Zielen, die dem egoistischen Eigennutz dienen, uns selbst in
Täuschungen und Illusionen verfangen. Wenn dagegen die zehntausend Dharmas
dieser Welt uns aktiv zum Tun und Handeln bringen, wir also ohne eigene Gier
nach Ruhm oder Profit so handeln, wie es die Situation erfordert, ist dies
Erwachen. Dies ist also eine Beschreibung des Bodhisattva-Handelns in
Wechselwirkung und ohne Ich-Dominanz. Dies sind auch Kernaussagen zur richtigen
Zazen-Praxis, die nicht mit der Gier nach Erleuchtung belastet und verzerrt werden
darf.
Anschließend
wird der Dharma-Weg klar, direkt und für mich überzeugend erläutert. Dies ist
ein berühmtes Zitat:
„Buddhas Wahrheit zu erlernen ist, uns selbst zu erlernen.
Uns selbst zu erlernen ist, uns zu vergessen. Uns zu vergessen ist, von den
vielen, vielen Dharmas erfahren zu werden. Von den vielen, vielen Dharmas
erfahren zu werden ist, unseren eigenen Körper und (abgehobenen) Geist und den
Körper und Geist der äußeren Welt fallen zu lassen.“
Wir
müssen uns also auf dem Buddha-Weg von vorgefassten, eingefahrenen und
verhärtenden Gedanken, Vorstellungen und Gefühlen befreien, um offen für die
neue Entwicklung und Wahrheit Buddhas zu sein. Dabei ist es notwendig, sich für
die Vielfalt der Welt zu öffnen und sie zu erfahren, also die fatale Trennung
von Subjekt und Objekt wegzulassen: Es ist notwendig, sich von der Fixierung
auf den subjektiven Körper und denkenden abgehobenen Geist, also dem kleinen
Ich, zu befreien. Dōgen sagt, „Körper und Geist fallen lassen“. Wir können uns
also nur selbst wirklich erkennen, wenn wir unser altes kleines und oft
dogmatisiertes Ich vergessen: „Zen-Geist ist Anfänger-Geist“, nannte das
Meister Shunryu Suzuki.
Wir
müssen auch die sogenannte objektive Welt des Äußeren und des Körpers sowie den
eigenen ruhelosen Geist „fallen lassen“. Im Sinne von Nishijima Roshi bedeutet
dies nichts anderes, als sich von den Lebensphilosophien des verengten Idealismus
oder Materialismus zu trennen. Damit befreien wir uns von fixierten Vorstellungen
und Gedankenkonstrukten. Wir sollten uns nicht in der einseitigen Welt der
simplen Wahrnehmungen und in deren vordergründigen Genüssen verlieren.
Die
meisten Menschen haben sicher eine ziemlich feste Vorstellung von einem
unveränderlichen eigenen Ich, das sich zwar im Laufe des Lebens in gewissem
Umfang verändert und vielleicht auch weiterentwickelt, das aber doch einen
konstanten Ich-Kern besitzt. Nach dem Motto:" So bin ich nun mal". Gautama
Buddha hat in aller Klarheit darauf hingewiesen, dass dies ein Irrtum und eine
uns vielleicht vertraute Illusion ist. Aber meistens schadet uns gerade eine
solche Fixierung.
Dōgen
erläutert diesen Zusammenhang durch ein Gleichnis des Segelns: Wenn man in
einem Boot sitzt, auf dem Meer fährt und dabei nur das ferne Ufer und Land
beobachtet, denkt man, dass man selbst still steht und sich das Land bewegt,
also die Außenwelt. In diesem Sinne glauben wir an ein feststehendes und
dauerhaftes Ich. Wenn wir im Boot jedoch nach unten schauen, also die
Bootskante und direkt das durchfahrene Wasser
ansehen, stellen wir eideutig fest, dass wir uns selbst bewegen und das Land
und die Küste ruhig und unbeweglich daliegen. In ähnlicher Weise ist es Meister
Dōgen zufolge ein grundsätzliches Missverständnis, dass der Körper und denkende
Geist dauerhaft und unvergänglich sind und sich nur die Umgebung verändert oder
verändern muss. Wenn wir dagegen die Illusion eines statischen und „dinghaften“
Ichs aufgeben und das Handeln im Augenblick in den Mittelpunkt stellen, können
wir unmittelbar in der Wirklichkeit und Wahrheit leben. Diese buddhistische
Lehre und Erfahrung ist vielleicht verblüffend kann aber im praktischen Leben
eine große Kraft entfalten. Und wir gewinnen dabei Zutrauen zu uns selbst.
In
einem weiteren Gleichnis erläutert Dōgen die momenthafte große Bedeutung der
verschiedenen Dinge, Phänomene und Zustände in dieser Welt: Wenn das Feuerholz
zu Asche verbrannt ist, sind Feuerholz und Asche zwei verschiedene Realitäten,
die im Hier und Jetzt jeweils da sind. Allerdings werden sie durch unser
Denkvermögen meistens unbemerkt und automatisch verbunden. Diese Verbindung ist
aber in der Wirklichkeit auf diese Weise gar nicht vorhanden. In der
Wirklichkeit kann sich die Asche niemals wieder zurück in das Feuerholz
verwandeln. Das Feuerholz und die Asche haben damit je ihren eigenen Platz in
der Welt und im Dharma. Sie sind jeweilige Wirklichkeiten in der Zeit.
Ähnlich
ist es beim Menschen: Das Leben und der Tod sind jeweilige Wirklichkeiten, und
nach dem Tod kann sich das Leben nicht wieder zurückverwandeln. In der wahren
Sichtweise des kurzen Augenblicks gibt es die Zustände je für sich und sie offenbaren
dann den Dharma und die Wahrheit. Und wir erleben und erfahren genau die
großartige Wirklichkeit dieser Welt.
Für
einen solchen Zustand der Wahrheit oder Erleuchtung verwendet Dōgen das im
Buddhismus häufige Bild des Mondes:
„Ein Mensch, der Verwirklichung erlangt, ist wie Mond, der
sich im Wasser spiegelt und so verweilt: Der Mond wird nicht nass, und das
Wasser wird nicht zerteilt. Obgleich das Licht (des Mondes) weit und groß ist,
verweilt es in einer (kleinen) Fläche von einem Fuß oder einigen Zentimetern. Der
ganze Mond und der ganze Himmel verweilen in einem Tautropfen auf einem
Grashalm und in einem einzigen Wassertropfen.“
Dieses
poetische Bild des sich spiegelnden und verweilenden Mondes macht deutlich,
dass es in der Wirklichkeit keine gegenseitigen Fixierungen, Einengungen oder
Verkrampfungen gibt. Solche Verengungen entstehen vor allem durch Ideologien
und Vorurteile. Dabei sollten wir nach Dōgen vom jetzigen Augenblick ausgehen
und gleichzeitig darüber nachsinnen, wie lang oder wie kurz ein Augenblick wohl
ist. Weiterhin können wir fragen, wie eng oder wie breit wohl der Himmel und
der Mond sind.
Am
Beispiel der Fische im Wasser und der Vögel in der Luft erläutert Dōgen, dass
jedes Lebewesen seinen eigenen Platz, seinen Lebensraum, sein Handeln, seine
Verwirklichung und seine Wahrheit in der Welt hat. Wenn ein Fisch das Wasser
verlässt, muss er sterben, und wenn ein Vogel vom Himmel auf die Erde
herunterfällt, stirbt er ebenfalls. Wenn der Fisch und der Vogel in ihrem
angestammten Element bleiben, haben sie ihren richtigen Platz in der Welt und
im Dharma.
Schon
Gautama Buddha wies darauf hin, wie vielfältig die jeweiligen Sichtweisen und
Verständnismöglichkeiten der Welt sind: Der Ozean ist für die Fische ein
Palast, für die Götter eine Perlenkette und für Dämonen Eiter. Der Buddha-Weg
bedeutet, dass wir aus dem Staub und Dunst des sogenannten normalen Lebens
hinaustreten, so dass die üblichen fixierten räumlichen oder psychischen
Grenzen und Hindernisse nicht mehr bestehen. Dōgen sagt weiter:
„So können wir das Wasser als Leben und den Himmel als Leben
verstehen. Vögel sind Leben, und Fische sind Leben. Es mag wohl so sein, dass
Vögel und Fische Leben sind. Und jenseits dessen mag es immer noch eine
Weiterentwicklung geben. Genau so ist es mit unserer Praxis-und-Erfahrung, mit
(unserer) Lebenszeit und unserem Leben.“
Wenn wir so unseren Platz im Leben finden, ist dieses
Handeln ohne jeden Zweifel die Welt und das Universum selbst.
Weiter
heißt es bei Dôgen:
„Wenn ein Mensch in diesem Zustand Buddhas Wahrheit praktiziert
und erfährt, erlangt er einen Dharma und durchdringt einen Dharma und er
begegnet dem Handeln und vollzieht das Handeln. In diesem Zustand existiert der
Ort und wird der Weg gemeistert, und doch ist der zu erkennende Bereich nicht
(unbedingt) offensichtlich.“
Zur Abrundung dieses
wichtigen Kapitels gibt Dōgen eine verblüffende Kōan-Geschichte wieder: Ein
Meister fächelt sich zur Kühlung Luft zu, weil es heiß ist. Dann kommt ein Mönch vorbei und will offensichtlich eine
intelligente Bemerkung anbringen: Er sagt, die Luft habe allgemein die
unveränderliche Eigenschaft, dass sie überall anwesend sei. Dem Meister ist
sofort klar, dass der Mönch in abstrakten allgemeinen Gedankengängen verhaftet
und nicht offen für das praktische und konkrete Hier und Jetzt. Er kommt also
mit abstrakten unveränderlichen Schein-Wahrheiten daher. Sicher ist er tief von
seiner eigenen großartigen Intelligenz und seinem absoluten Wissen der Buddha-Lehre
überzeugt. Auf die folgende Frage dieses Mönchs, warum sich der Meister denn
die Luft zufächle, antwortet dieser daher einfach, es gebe in der Tat keinen
Ort in der Welt, an dem keine Luft vorhanden sei. Inhaltlich ist das also genau
dieselbe Aussage, die der Mönch vorher verkündet hatte. Und der Meister fächelt
sich weiter die Luft zu, weil es heiß ist. In der Kōan-Geschichte wird dem
Mönch durch diese eigentlich logisch überflüssige Wiederholung jedoch
schlagartig klar, dass allgemeine theoretische Kenntnisse und absolute
sogenannte Weisheiten etwas ganz anderes sind als die Wirklichkeit selbst sind,
die man unmittelbar erlebt und erfährt. Wenn uns zu heiß ist, sollten wir uns
durch den Fächer direkt Kühlung verschaffen. Dann erleben wir unmittelbar die
angenehme Kühlung der Luft! Und das genau ist die Wirklichkeit.
Daher setzt der Meister die Unterhaltung mit dem Mönch nicht fort, sondern fächelt sich einfach weiter die kühlende Luft zu. Durch diese unmittelbare Erfahrung des Handelns gelangt der Mönch von abgehobenen abstrakten Ideen und seinem dogmatisierten angeblichen Wissen unmittelbar zur Wirklichkeit des Hier und Jetzt. So fiel es dem Mönch durch das Handeln des Meisters wie Schuppen von den Augen und sein Körper und Geist erfuhren sicher eine ganz neue frische Kraft. Dies ist das verwirklichte Leben und Universum. So ist die Wahrheit des Lebens.