Leben in einer wunderbaren lebendigen Welt.
In
diesem Kapitel, Hokke ten hokke, des
berühmten Werkes Shobogenzo beschreibt Zen -Meister Dōgen sein Verständnis des Lotos-Sūtra und geht dabei über die
üblichen Interpretationen dieses großen Werkes deutlich hinaus. Oder besser
gesagt: Er entschlüsselt für uns dessen wahre Bedeutung, die ohne illusionären
Schein-Wahrheiten ist. Das Lotos-Sūtra
ist zweifellos eines der wichtigsten und am meisten gelesenen buddhistischen
Schriften Asiens. Es ist überaus poetisch und entfaltet nicht zuletzt durch die
Gleichnisse die volle Kraft und Lebensbejahung des Buddhismus, zum Beispiel vom
brennenden Haus und verlorenen Sohn. Wörtlich könnte man es als „Sūtra der
Lotosblume des wunderbaren Dharma“ bezeichnen. Es liegt daher nahe, das Lotos-Sūtra als die Offenbarung der
strahlenden, wunderbaren Welt und des großen Universums zu verstehen, in dem
wir leben und dessen wir uns oft nicht bewusst sind. Oder genauer gesagt: Wir
haben diese Welt noch nicht zum Leben erweckt, daher ist sie für uns noch nicht
entstanden
Das
Lotos-Sūtra ist leider oft als eine
Art Märchenbuch missverstanden worden, das von über-natürlichen Wundern,
Illusionen und Fantasien berichtet und so ein naives und wundergläubiges Weltbild
vermittelt. Dieses ist dann manchmal zum naiven Buddhismus von Gläubigen geworden.
Wenn es sich tatsächlich so verhielte, würde es nach Meister Nishijima
lediglich das begrenzte Weltverständnis der Ideen, Vorstellungen und Fantasien
widerspiegeln. Es wäre nur eine der vier buddhistischen Lebensphilosophien, nämlich
den Idealismus. Dann würden der Materialismus, das praktischen Handeln und vor
allem das umfassende buddhistische Leben und die Lehre des Gleichgewichts und Erwachens
fehlen. Dem ist aber nicht so!
Als
ganz junger Mönch trat Dōgen in ein buddhistisches Kloster der Tendai-Linie ein, die das Lotos-Sūtra als wichtigste Lehre und
Grundlage hat. Denn Zen gab es damals noch nicht in Japan. Dōgen hatte also ausgezeichnete
Kenntnisse dieses Sūtras, war aber insgesamt nicht zufrieden mit dem damaligen
sehr theoretischen Verständnis des Buddhismus. Er öffnet nun in diesem Kapitel
sein eigenes umfassendes Verstehen des Buddhismus in Praxis und Theorie. Was
ist nun der Kern des Lotos-Sutra, dieses großen Werkes?
Der
japanische Ausdruck ten im Titel Hokke ten hokke bedeutet „bewegen“ und
„drehen“, so dass das Lotos-Sūtra
diese Bewegung des Lebens und der Welt als zentrale Aussage enthält, also das
Handeln und Geschehenlassen. Buddha nennt das "gemeinsames Entstehen in
Wechselwirkung". Wir würden es heute wohl "Leben in einer vernetzten lebendigen
Welt" nennen. Es geht gerade nicht um das statische, unveränderliche Sein oder
eine metaphysische ewige Substanz außerhalb der Zeit. Beides ist zumeist die
Grundlage der westlichen Philosophie des Seins. Hō bedeutet „Wirklichkeit“, „Wahrheit“ oder das „Gesetz des Universums“,
und ke bedeutet „Blume“. Eine genaue
Übersetzung könnte wie folgt lauten: „Die wunderbare Welt (und Wahrheit) ist
wie eine Blume und bewegt die wunderbare Welt, die selbst wie eine Blume ist.“
Das
klingt vielleicht eigenartig und auch redundant. Diese Formulierung ist aber
nach meinem Verständnis genial und poetisch zugleich. Warum? Damit ist das
buddhistische Weltbild und die buddhistische Lehre Dōgens sehr treffend charakterisiert:
Wir leben in einer wunderbaren Welt. Sie wird für uns immer klarer und schöner,
je mehr wir ins Gleichgewicht kommen und sinnvoll handeln. Dieses Gleichgewicht
in der Lebens-Dynamik ereignet sich bei der Zazen-Praxis und im Handeln des
täglichen Lebens. Die Welt ist also in der Balance der Bewegung, wie zum
Beispiel unser Sonnensystem mit den kreisenden Planeten. Buddha beschreibt die
Wirklichkeit dieser Welt mit dem "gemeinsamen Entstehen in Wechselwirkung",
in Sanskrit pratitya samutpada. Und
das so Entstandene ist die Basis und Struktur unserer Wirklichkeit und unseres
Lebens.
Diese
Wahrheit ist auch Grundlage des Mittleren Weges von Meister Nagarjuna. Sie
lehnt eine statischer metaphysische und isolierte Eigen-Natur in der Welt radikal
ab, genau so wie ein extremes Ego, âtman.
Dōgens
zentrale Aussage: „Die Dharma-Blume (der Wahrheit) dreht die Blume der
Dharma-Welt“ erschließt sich zunächst
nicht dem westlichen dualistischen Denken und einer abgehobenen Intellektualität.
Scheinbar handelt es sich um genau die selbe Aussage, die nur zweimal etwas
verändert gesagt wird. Die doppelte Aussage wäre daher redundant. Aber sie geht
in Wirklichkeit über das lineare, dualistische Denken hinaus und will offensichtlich
eine höhere umfassende Wahrheit ansprechen, die bei uns zudem eine poetische
Kraft entfaltet. Im diesem gesamten Kapitel wird die Dharma-Blume als Symbol
der Welt und des Universums verstanden.
Die
Dharma-Blume dreht sich nach Dôgen bei der natürlichen Praxis des
Bodhisattva-Weges und weicht nicht einmal geringfügig davon ab. Es ist die Weisheit
der Buddhas den unterscheidenden, dualen Verstand und Intellekt überschreitende.
Sie ist damit fest auf der Wirklichkeit gegründet. Diese umfassende Weisheit
ereignet sich nach Dōgen vor allem im Samadhi und in der Zazen-Praxis und ist
schwer zu erfassen und nicht soleicht zu erlangen. Sie ereignet sich in der
Bewegung also im Flow, der das störende fixierte Ego ´weg-beamt´. Die Buddhas
sind darin zusammen mit den Buddhas und leben genau so, wie sich die Dharma-Blume
dreht.
Gleichzeitig
verwirklichen sich die konkreten Dinge und Phänomene dieser Welt unmittelbar in
und mit der wunderbaren Dharma-Blume, sagt Dōgen. Sie verliert sich nicht in
fantastischen Illusionen und wirklichkeitsfernen Träumen, denn so etwas endet
immer in Enttäuschungen, Negativität und Leiden. Im Gegensatz dazu enthüllt,
offenbart und verwirklicht sich die Dharma-Blume, und damit ist der Zugang zu
ihr für die Menschen in der ganzen Welt und im großen Universum eröffnet. Dann
sind schädliche Ideologien und Dogmen wirkungslos, wie Nagarjuna im Mittleren
Weg präzise herausarbeitet.
Wenn
dies geschieht, werden nach Dōgen die „Objekte“ nicht im herkömmlichen Sinne
als außerhalb von uns selbst gesehen, und die umfassende Praxis der
Dharma-Blume vollendet sich in ihrer eigenen Bewegung. Die schädliche Trennung
von Subjekt und Objekt ist überwunden, der Egoismus ist ausgeschaltet, denn es
geht viel mehr um die Wechselwirkung. Im tiefen Vertrauen auf das eine Fahrzeug
des Buddhismus erfüllt sich der umfassende Dharma und verwirklicht sich in der
ganzen Schönheit dieser Welt:
„Die Buddhas allein zusammen mit den Buddhas können vollständig
verwirklichen, dass alle Dharmas wirklich Form sind.“
Die
Lotos-Blume ist also die wahre Form. Mit der Blume des Dharma sind die Orte wirklich,
an denen Buddha lehrte. Es gibt den Raum, den großen Ozean und die große Erde,
und diese sind für die Menschen das eigene vertraute Land. Wenn sich die
Dharma-Blume dreht, ist sie dies Handeln, das nicht starr, unveränderlich und
unbeweglich ist, sondern sie ist die lebendige Wirklichkeit und der Schatz des
wahren Dharma-Auges.
Dōgen
zitiert die Geschichte von Hotatsu, der in jungen Jahren Mönch wurde und sich
vollständig dem Lotos-Sūtra widmete.
Er prahlte sogar damit, dass er das Lotos-Sūtra
auswendig bereits mehr als dreitausend Mal rezitiert hatte. Der große Meister
Daikan Enō, der selbst nicht lesen und schreiben konnte, sagte ihm jedoch:
„Auch wenn du das Sūtra zehntausendmal (rezitiert hast),
wirst du nicht einmal in der Lage sein, (deine eigenen und andere) Fehler zu
erkennen, wenn du es nicht wirklich verstanden (und erfahren) hast.“
Daraufhin
wurde der Mönch Hotatsu sehr nachdenklich und war tief verunsichert. Meister
Daikan Enō schlug ihm vor, dass er anfangen solle, den Text bis zu einer Stelle
zu rezitieren, an der der Meister ihm die große, umfassende Bedeutung dieses
Sūtra erläutern wolle. Dies sei nämlich die umfassende Lehre und Weisheit von
Gautama Buddha selbst, und sie werde auf verschiedenen Wegen und mit
tiefgründigen Gleichnissen angesprochen, aufgedeckt, erklärt und verwirklicht.
Dadurch könne man sich den Zugang zu Buddhas umfassenden Weisheit eröffnen. „Du
musst jetzt darauf vertrauen, dass Buddhas Weisheit einfach dein natürlicher Zustand
des Geistes ist“, sagte er zu dem Mönch. Dann fuhr Daikan Enō mit einem eigenen
Gedicht fort:
„Wenn der Geist in Täuschung ist, dreht sich die Blume des
Dharma (ohne uns).
Wenn der Geist in der Verwirklichung ist, drehen wir selbst
die Blume des Dharma.
Wenn wir keine Klarheit über uns selbst haben, wird (das
Sūtra) wegen seiner (großen) Kraft und Bedeutung zu
(unserem) Feind, ganz gleich, wie häufig wir es rezitieren.
Ohne (egoistische) Absicht ist der Geist wahrhaftig.
Mit (egoistischer) Absicht wird der Geist falsch.
Wenn wir dieses „mit und ohne“ überschreiten,
fahren wir immer weiter im weißen Ochsengespann.“
Meister
Daikan Enō erläuterte dem Mönch also vertieft das Wesentliche des Lotos-Sūtra, und sagte, dass die meisten
Probleme durch die eigenen Vorstellungen und Fantasien entstehen, die nicht mit
der Wirklichkeit übereinstimmen. Diese vom unheilsamen Geist fabrizierten
Schein-Wahrheiten isolieren uns von dem lebenden Fluss des wahren Lebens, wie
Meister Vasubandhu heraus gearbeitet hat.
Gerade
wenn man den Verstand und Intellekt bis zum Äußersten anstrengt und damit immer
weiter ins Extrem fortfährt, wird man sich vom wahren Inhalt des Sūtras immer
weiter entfernen.
Beispiel:
Gautama Buddha gestattete seinen Zuhörern bei einer seiner berühmten Lehrreden,
ihren Platz zu verlassen und fortzugehen, wenn sie mit dem Gesagten nicht
einverstanden waren. Dadurch drehte sich die Dharma-Blume ohne sie. Sie
verpassten einen fundamentalen positiven Schub in ihrem Leben! Es gibt nach
Dōgen nur dieses eine authentische buddhistische Fahrzeug in der Gegenwart, und
durch dieses Fahrzeug gelangt man zur lebendigen Wirklichkeit. Die Wirklichkeit
wiederum ist keine Vorstellung und kein Begriff, sondern der Schatz der Dharma-Blume
selbst, der uns gehören kann und uns gehört. Das Sūtra der Blume des Dharma sei
immer anwesend, von Zeitalter zu Zeitalter, vom Morgen bis zum Abend. Wir legen
es in Wirklichkeit niemals aus der Hand, es gibt überhaupt keine Zeit, in der
wir es nicht lesen, denn es ist das Universum selbst. Aber viele Menschen
vergessen das. Dann dreht such die Blume des Dharma ohne sie und sie verarmen
in unheilsamen Doktrinen und Dogmen und verlieren den Sinn ihres Lebens.
In
der obigen Geschichte erfuhr der Mönch Hotatsu plötzlich das große Erwachen und
sprang vor Freude in die Höhe. Er verfasste spontan das folgende Gedicht:
„Dreitausend Mal (habe ich) das
Sūtra rezitiert:
Vergessen (mein bisheriger Irrtum) durch
einen einzigen Satz des Meisters vom (Berg) Sôkei.
Ohne der Klärung des zentralen
Bedeutung von (Buddhas) Erscheinen in der Welt:
Wie können wir verhindern, dass unsere
sinnlosen Leben wiederkehren?
In Wirklichkeit sind wir Könige im
Dharma.“
Mit
diesem Gedicht erhielt der Mönch Hotatsu vom Meister die Bestätigung, die
Dharma-Übertragung, und den Namen „Der Sūtra-lesende Mönch“.
Wie
in diesem großartigen Ereignis begann sich die Blume des Dharma durch Meister
Daikan Enō immer mehr zu verbreiten: Dass die Blume des Dharma die die Blume
des Dharma immer wieder dreht. Bis dahin hatte es diese große Wahrheit nicht
gegeben. Es macht daher nach Dōgen keinen Sinn, die anderen ´Fahrzeuge´ des
Buddhismus immer wieder zu erforschen. Nach Dōgen ist die Gegenwart die
Wirklichkeit so, wie sie ist: die Wahrheit der wirklichen Form, der wirklichen
Natur, des wirklichen Körpers, der wirklichen Energie, der wirklichen Ursachen,
der wirklichen Wirkungen, und damit ist sie die sich drehende Blume des Dharma.
sie besteht nicht aus Doktrinen von Schein-Substanzen, wie Nagarjuna sagt.
Aber
wir sollten uns nicht passiv drehen lassen. Wenn der Geist in Illusionen
verstrickt ist, werden wir passiv von der Blume des Dharma gedreht. Dann kann
sie die lebendige Wechselwirkung nicht entfalten und wir sind nicht frei. Aber
ganz gleich, ob die Blume des Dharma sich selbst dreht oder von uns gedreht
wird, sie ist das eine, umfassende Buddha-Fahrzeug und die große
Buddha-Wahrheit. Wir müssen uns also keine Sorgen machen, dass der Geist
manchmal voller Täuschungen ist, denn das Handeln ist der Bodhisattva-Weg
selbst, und es ist das Handeln im Augenblick. Wir dienen damit den Buddhas.
Dies ist die ursprüngliche Praxis des Bodhisattva-Weges. Es ist der
unmittelbare kraftvolle Augenblick der sich drehenden Blume des Dharma.
Das
wichtige Gleichnis des brennenden Hauses im Lotos-Sūtra
kann man wie folgt zusammenfassen: Obgleich das Haus bereits an mehreren Stellen
in Flammen steht, spielen die Kinder drinnen unbekümmert weiter und sind so
sehr in ihr Spiel vertieft, dass sie die drohende Gefahr durch das Feuer überhaupt
nicht bemerken. Der Vater versucht sie zu überreden, aus dem Haus herauszulaufen,
um sie vor den Flammen zu retten, aber sie hören überhaupt nicht zu und spielen
weiter. Darauf verspricht er ihnen, dass draußen wunderschöne Kutschen mit
Gespannen auf sie warten, die viel schöner sind als ihr Spiel im brennenden
Haus. Dies überzeugt die Kinder sofort, und sie laufen aus dem Haus. Dann
erkennen sie plötzlich, in welch großer Gefahr sie gewesen sind. Eine dieser
Kutschen ist prächtig geschmückt und wird von friedlichen weißen Ochsen
gezogen. Sie ist schöner als die Kinder es sich vorstellen konnten. In diese
Kutsche steigen sie ein.
Es
ist klar, dass mit diesem Gleichnis die Rettung durch die Buddha-Lehre gemeint
ist, die dazu verhilft, dem brennenden Durcheinander des gewöhnlichen Lebens
der quälenden Ideen und des eigennützigen Materialismus zu entkommen. Es ist
die weiße Kutsche, um dem Leiden zu entkommen. Sie ist aber nichts anderes als
die sich drehende Blume des Dharma. Es nützt nichts, wenn man das Lotos-Sūtra nur auswendig lernt, es aber
nicht umfassend erfährt und erlebt. Es kann sogar zum Feind der eigenen
Entwicklung werden, wenn das Ego die Oberhand gewinnt.
Was
bedeutet nun die Aussage: „Wenn der Geist im Zustand der Verwirklichung ist,
drehen wir selbst die Blume des Dharma“?
Im
„Zustand der Verwirklichung“ wird offensichtlich die Energie und Schönheit der
Realität direkt erfahren und erkannt. Dann verwirklichen wir das wahre Gesetz
der Welt. Diese Verwirklichung ereignet sich, wenn wir die Blume des Dharma drehen,
und dabei handeln wir im Alltag. Wenn wir selbst die Blume des Dharma in Wechselwirkung
mit der Welt drehen, bedeutet dies, dass es diese eine Sein-Zeit des
Augenblicks ist, in der der Buddha lebt. Wir sind dann nicht von den anderen
und der Welt getrennt. Wir haben dann die Freiheit zu handeln, wie wir wollen
und sind in Harmonie mit der Welt. Das ist Befreiung und Erleuchtung.
In
der Zeit, wenn die Blume des Dharma sich dreht, gibt es nach Dōgen die geistige
und praktische Verwirklichung als Blume des Dharma. Und die Dharma-Blume lebt
als geistige Verwirklichung von uns und der Welt. Dies gilt konkret bei den
Dingen und Phänomenen und ideell im Geist, oder, wie Dōgen sagt, im wirklichen
Raum.
Das
Unmittelbare des Hier und Jetzt und das allgemein Geistige bilden eine
untrennbare wechselwirkende Gesamtheit. Dies ist, so sagt Dōgen, die Verwirklichung
des Drehens der Dharma-Blume. Wenn wir uns selbst verändern und drehen,
entfaltet diese Bodhi-Weisheit ihre Kraft, und dies ist die reine Welt ohne
schädliche Doktrinen und Ideologien: Wenn wir zum Beispiel für einen guten
Freund sorgen. Dann sind wir ihm nahe, so wie auch er uns nahe ist. Und dies
ist das Drehen der Blume des Dharma. Dann sind Geist und Körper lebendig, ohne
Abgrenzung und daher frei.
Dōgen
unterstreicht zum Abschluss dieses Kapitels, dass seit Bekanntwerden des Lotos-Sūtra viele Kommentare und
Interpretationen geschrieben worden seien. Kein Kommentar habe jedoch die
Wahrheit der drehenden Blume des Dharma wirklich in der vollen Tiefe und in dem
Umfang wie der große Meister und ewige Buddha Daikan Enō erfasst. Die authentische
Weisheit des gemeinsamen Entstehens in Wechselwirkung, pratitya samutpada, war leider vergessen. Seitdem wir jedoch die
Worte von Meister Daikan Enō gehört haben, haben wir die Begegnung des wahren
Buddha mit dem Buddha erfahren, und wir leben im Buddha-Land. Dies ist für uns
alle eine große Freude. Die Wirklichkeit ist die drehende Blume des Dharma, sie
verwirklicht sich so, wie sie ist, und ist ein Schatz, sie ist das helle Licht,
der Sitz der Wahrheit, denn die Dharma-Blume ist groß, weit und ohne Ende.
Allerdings
kann leider auch der Geist in Täuschungen aktiv sein, der nur scheinbar von der
Blume des Dharma gedreht wird. Dann haben wir zum Beispiel egoistische
Absichten und missbrauch das Sûtra. Aber die Blume des Dharma ist der Geist der
Verwirklichung, der selbst die Blume des Dharma dreht. Nichts kann ausgeschlossen
werden. Dies alles ist genau die Dharma-Blume, die die Blume des Dharma dreht.
Dōgen
schließt mit dem Gedicht:
„Wenn der Geist im Zustand der
Täuschung ist, dreht sich die Blume des Dharma (isoliert von uns).
Wenn der Geist im Zustand der
Verwirklichung ist, drehen wir die Blume des Dharma.
Wenn die vollkommene Verwirklichung
diesem Geist gleichen kann,
dreht die Blume des Dharma die Blume
des Dharma.“
Das
ist Buddhas lebendige Wechselwirkung. Die Blume des Dharma offenbart sich
selbst in voller Frische und strahlender Schönheit im Zustand jenseits des
angelernten Wissens und jenseits des dualistischen und intellektuellen Denkens.
Wir sollten dies klar im Sinn haben und fest darauf bauen. Die Blume des Dharma
ist nach Dōgen zu fein, zu wunderbar und zu umfassend für das unterscheidende
dualistische Denken.