Montag, 28. März 2022

Das Sūtra der wirklichen Berge und Wasser (Dogen: Sansui gyō)

 

Im Buddhismus sind Berge und Wasser die großartige Buddha-Welt, und in dieser Natur hat sich Buddha selbst verwirklicht. Berge und Wasser sind Teil der sogenannten unbelebten Natur und des Universums. Aber sie sind in Wechselwirkung mit uns und den Tieren. Es sind lebendige wirkliche Erscheinungen, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Nach dem Buddha-Dharma gehen sie über die vordergründige Wahrnehmung und äußere Form hinaus und vermitteln die Reinheit, Kraft und Schönheit der Buddha-Welt. Heute wie damals suchen die Menschen die wunderbaren Augenblicke der Naturerlebnisse in den Bergen und auf den Gewässern.

Dōgen warnt aber davor, die wirklichen Berge und das wirkliche Wasser mit den Begriffen und Vorstellungen zu verwechseln, die wir Menschen uns fast automatisch von ihnen machen, die aber das wirkliche Erleben meistens verdecken, verzerren und verändern. Wenn wir dies nicht beachten, erfahren wir die Berge und das Wasser nicht mehr als Wirklichkeit, so wie sie ist, sondern wir erfahren uns mehr oder minder getrennt von ihnen, leben in der Welt unserer eigenen Ideen und Vorstellungen und nicht zuletzt in der Welt der Bewertungen und Vorurteile. Dadurch verblasst das eigentliche Naturerlebnis. Dōgen zitiert hierzu einen ewigen Buddha:

„Berge sind Berge, Wasser ist Wasser.’ Diese Worte bedeuten nicht, dass Berge (gedachte) Berge sind, sondern dass Berge (wirkliche) Berge sind. deshalb sollten wir die (wirklichen) Berge in der Praxis meistern. Wenn wir die Berge in der Praxis meistern, ist das die Anstrengung in den (wirklichen) Bergen. Solche Berge und solches Wasser bringen auf natürliche Art die Weisen und Heiligen hervor.“

Dōgen beginnt dieses Kapitel mit kraftvollen Sätzen, in denen er die Tugend der Berge beschreibt. Wie er sagt, sind sie die wahre Freiheit. Und Ethik und Moral werden durch die Berge verwirklicht. Er stellt dazu fest:

„Da (die Berge und Wasser) schon vor dem Zeitalter der Leere existieren, sind sie kraftvolles Handeln in der Gegenwart.“

Nishijima Roshi erklärt diesen Satz so, dass die Berge und Wasser sich genau wie die Natur seit der ewigen Vergangenheit offenbaren, aber ihr kraftvolles Handeln genau im gegenwärtigen Augenblick des Hier und Jetzt verwirklichen. Dōgen betont also, dass es ohne die Sein-Zeit im Augenblick keine kraftvolle Wirklichkeit geben kann. Er zitiert dann im Folgenden die zunächst eigenartig anmutende Aussage eines alten Meisters:

„Die blauen Berge wandern ständig, die Steinfrau gebiert in der Nacht ihre Kinder.“

Dies ist in der Tat ein Kōan-Satz, der sich zunächst dem logischen Verstand zu widersetzen scheint. Nishijima Roshi interpretiert ihn so, dass die alten Meister ein intuitives Verständnis von den Bewegungen und Veränderungen in der Natur hatten, ohne dass ihnen unsere modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verfügung standen. In der Tat wissen wir heute, dass sich die scheinbar unveränderlichen Berge über längere Zeiträume laufend verändern und „wandern“. Zum Beispiel werden die großen Kontinentalschollen ständig auf dem teigigen Untergrund der Erde bewegt und lassen neue Auffaltungen der Gebirge entstehen. Wir wissen auch, dass Felsen zu Sand zerfallen oder in der Nacht beim Wechsel der Temperaturen bersten und sich damit teilen können.

Wenn wir unser starres vorgeformtes Wissen und Denken ausschalten und die Wirklichkeit ganz genau beobachten, sind die Berge also keineswegs statisch, absolut dauerhaft und fest, sondern sie wandern unaufhörlich und verändern sich fortwährend. Bei sehr genauer Beobachtung ergeben sich daraus unerwartete und verblüffende Einzelheiten und Zusammenhänge.

Wir wissen, dass die Berge uns im Rahmen unserer eigenen Lebensspanne unbeweglich, dauerhaft und stabil erscheinen. Wenn wir aber dieses erlernte Standardwissen einmal beiseite lassen und zum Beispiel Bergspitzen und Berggipfel genau beobachten und sie zusammen mit den über ihnen ziehenden Wolken unverstellt betrachten, können wir eigentlich nicht sagen, ob sich die Berge bewegen, ob sie stillstehen oder ob sich die Wolken bewegen. Wahrscheinlich sehen wir sogar, wenn wir unser Vorwissen ausschalten und nur die Wahrnehmung gelten lassen, dass sich sowohl die Berge als auch die Wolken bewegen. Eine ähnliche Beobachtung kennen wir von der Sonne und dem Mond, wenn die Wolken vor ihnen vorbeiziehen und wir bei unverstellter, genauer Betrachtung sagen müssen, dass sich der Mond oder die Sonne gleichzeitig mit den Wolken bewegen oder dass sowohl die Gestirne als auch die Wolken wandern.

Wenn wir einen Fluss in den Bergen anschauen und uns nur auf das fließende Wasser konzentrieren, vermögen wir allein aufgrund dieser Beobachtung nicht zu sagen, ob sich das Wasser oder die Berge bewegen. Wir können die obige Aussage daher so verstehen, dass die blauen Berge unserer Beobachtung zufolge ständig wandern, wenn wir das erlernte Wissen beiseite lassen.

Wir sollten uns nach Dōgen von unserem selbstverständlichen Vorwissen befreien und genau beobachten, was vor uns ist, damit wir es wirklich sehen. Allein aus der Beobachtung können wir also sowohl ableiten, dass die Berge in Ruhe sind, als auch, dass sie sich bewegen. Dōgen empfiehlt uns mit anderen Worten, dass wir die Natur wirklich ganz genau betrachten und dass wir die Bewegungen der Berge mit unserer Sinneswahrnehmung exakt untersuchen und erfahren. Dadurch entsteht bei uns nicht zuletzt die Erfahrung, dass auch wir selbst uns bewegen, und so können wir uns aus der Starre vorgefassten Wissens befreien. Wir erlangen dann die unmittelbare „Freiheit des Anfänger-Geistes“, die nicht durch Gedachtes einzementiert ist. In einer solchen Bewegung der Natur gibt es ein wirkliches Gleichgewicht. Die Naturwissenschaft lehrt uns, dass die Balance des Universums allein durch die gewaltigen Bewegungen und Kräfte der Gestirne und Energien ermöglicht wird. Ist das nicht auch ein Gleichnis für unser eigenes Leben?

Wenn wir uns in den Bergen aufhalten, uns dort bewegen und wandern oder in einem Kloster praktizieren, ist dies nach Dōgen, als würde sich eine Blüte öffnen, es ist die Wirklichkeit des Buddha-Dharma. Wir müssen uns natürlich ganz für den Augenblick in den Bergen öffnen und „klare Augen“ haben, um die Berge wirklich zu sehen, zu erkennen, zu hören und zu erfahren. Wenn wir in den Bergen wandern und das angelernte Wissen vergessen, dass sie unbeweglich und statisch sein sollen, können wir wirklich beobachten, dass die Berge mit unseren eigenen Schritten und mit unserer eigenen Bewegung wandern. Ich habe dies selbst mehrfach ausprobiert und war überrascht, dass es stimmt. Erproben Sie es doch einmal selbst, wenn sie sich in den Bergen aufhalten!

Die Berge selbst sind nach Dōgen jenseits von Fühlen und Nicht-Fühlen, und wenn wir uns ihnen anvertrauen, befreien wir uns von beengenden und beunruhigenden Emotionen. Es gibt dauernde Bewegungen in der Welt, denn wäre sie erstarrt, so könnte auch der Buddha-Dharma nicht an uns übermittelt werden. Dōgen spricht sogar davon, dass die Berge fließen und dass es „fließende Berge“ sind. Wenn man sich vom eingefahrenen Wissen und Denken löst, kann man nach Dōgen sehen, dass die Berge über das Wasser fließen. Er kritisiert die gewöhnlichen Menschen, die nicht in der Lage sind, wirklich genau zu beobachten, und daher daran zweifeln, dass sich die blauen Berge bewegen. Der sogenannte gesunde Menschenverstand weiß, dass es fließendes Wasser gibt, aber fließende Berge erscheinen ihm wohl doch recht seltsam. Berge werden im Allgemeinen als etwas Dauerhaftes, Festes und Statisches angesehen, und man gibt ihnen auch feste, eindeutige Namen. Dann kann man über sie zwar gut sprechen, und alle meinen, sie wüssten genau, was Berge sind und dass sie unabhängig vom Zeitablauf dauerhaft und sogar ewig bestehen. Dies sind jedoch nur Worte, die nicht mit der Wirklichkeit verwechselt werden dürfen.

Dem setzt Dōgen seine Aussage entgegen, dass die „Bergfrau ihre Berg-Kinder gebiert“. Er sagt damit letztlich, dass die Berge leben, sich verändern, sich bewegen, sich teilen und daher auch „Kinder“ bekommen. Offensichtlich will er uns klarmachen, dass die Berge nichts Statisches und Totes sind.

Auf der anderen Seite haben wir vielleicht wunderbare Ideen und stellen uns vor, dass die Buddhas in den Bergen die Wahrheit praktizieren. Dabei können wir sicherlich auch romantische Gefühle entwickeln. Dōgen rät uns, dass wir uns nicht in solchen Träumereien verlieren, denn die Erhabenheit und Bewegung der Berge geht über alle romantischen Emotionen und subjektiven Befindlichkeiten hinaus. Es ist in der Tat oft wenig hilfreich, wenn man die Schönheit der Berge nur mit Worten, und seien sie noch so poetisch, subjektiv beschreiben will, denn eben dadurch kann man sich von der Wirklichkeit abschneiden und in Worten und Sätzen verfangen. Man klebt an ihnen, ohne sich dessen immer bewusst zu sein. Nur wenn man die Begrenztheit der Sprache erkennt, kann man daher zur Wirklichkeit und Wahrheit selbst gelangen. Dōgen sagt:

„Die blauen Berge wandern ständig“, und „der Ost-Berg bewegt sich auf dem Wasser.“

Dies sollen wir in allen Einzelheiten und in sehr genauer Beobachtung betrachten und vertiefen. Wenn die Berge vorwärts und rückwärts wandern, kann diese gegensätzliche Bewegung niemals im selben Augenblick vor sich gehen. So findet dieses Tun jeweils unabhängig in einem Augenblick statt und damit

„widersetzt sich das Vorwärtsgehen niemals dem Rückwärtsgehen und umgekehrt. Wir nennen dies die Tugend, dass die Berge fließen, und wir nennen sie die fließenden Berge.“

Im Folgenden kritisiert Dōgen in ungewöhnlicher Schärfe diejenigen, die die Lehre des Zen-Buddhismus nicht als logisch und vernünftig ansehen. Er berichtet aus dem China der Song-Zeit, es gebe dort viele Gruppen und Lehrer, die insbesondere die Aussage des „Ost-Berges, der über das Wasser geht“ als Beweis dafür anführen, dass der Zen-Buddhismus unlogisch sei, und behaupten, es sei daher überhaupt nicht sinnvoll, die überlieferten Aussagen der alten Meister mit der Vernunft zu studieren und sich zu erarbeiten. Sie seine jenseits des rationalen Verstehens. Dōgen sagt:

„Diejenigen, die so reden, sind noch niemals einem wahren Lehrer begegnet. Sie haben nicht die Augen in der Praxis zu lernen, sie sind nur kleine Hunde, die es nicht verdient habe, über sie zu diskutieren.“

Es ist sehr bedeutungsvoll, dass Dōgen gegen diejenigen zu Felde zieht, die den Zen-Buddhismus und nicht zuletzt die Kōan-Geschichten als irrational ansehen und meinen, sie seien jenseits des rationalen Denkens. In der Tat ist auch heute häufig die Meinung anzutreffen, dass insbesondere die Schriften von Meister Dōgen selbst unlogisch, widersprüchlich und mystisch seien. Dagegen verwahrt sich Dōgen mit Nachdruck.

Auch bei uns im Westen gibt es selbst ernannte Meister, die ihre angebliche Überlegenheit im Buddha-Dharma durch die scheinbaren Paradoxien der Kōan-Geschichten abstützen und uns weismachen wollen, dass sie selbst diese Paradoxien „verstünden“, aber die Schüler nicht.

Es ist sehr wichtig, dass wir die Gleichnisse und Texte der alten Meister und Zen-Buddhisten wirklich genau studieren und einen Schlüssel finden, um uns deren Aussagen und Wahrheiten zu erschließen. Nach meiner Erfahrung ist die Lehre von Nishijima Roshi von den vier Sichtweisen oder Lebensphilosophien im Buddhismus genau dieser Schlüssel zur „Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“.

Gemäß dieser Lehre werden die großen buddhistischen Themen in den einzelnen Kapiteln des Shōbōgenzō aus folgenden vier Blickwinkeln beleuchtet: erstens vom Bereich der Ideen und des Denkens her, zweitens vom Bereich der Wahrnehmung, also der Formen und Farben, her, drittens mit der Lebensphilosophie des Handelns im gegenwärtigen Augenblick. Schließlich gibt es viertens die umfassende Lebensphilosophie und Lebenspraxis des wahren Buddha-Dharma, die auch Erwachen oder Erleuchtung genannt wird. Diese bezieht die drei vorherigen Sichtweisen mit ein, ordnet diesen aber nur einen bestimmten begrenzten Stellenwert im Ganzen zu

Wenn der Buddhismus unvernünftig wäre, so wären auch die Argumente jener Buddhisten unvernünftig, die behaupten der Buddhismus sei irrational. Sie dürften demnach also gar nicht behaupten, dass ihre eigenen Aussagen richtig und vernünftig seien, wenn sie genau diesen Grundsatz der Vernunft generell für die Buddha-Lehre ablehnen. Im Übrigen ist dies derselbe unvermeidbare Widerspruch wie bei den Nihilisten, die behaupten, alles und jedes in der Welt sei unwahr, aber unbedingt darauf bestehen, dass ihre eigenen Aussagen richtig seien.

Dōgen sagt uns, dass sich alle Wasser am Fuß von Bergen verwirklichen, dass sich die Berge hoch zu den Wolken erheben und dass sie bei genauer Beobachtung in den Himmel wandern:

„Die Berge sind die Häupter aller Wasser, die sich auf dem Wasser hin und her bewegen; weil die Füße der Berge über viele Arten des Wassers fließen können und die Wasser tanzen lassen, bewegen sie sich frei im Universum.“

Wenn wir dem Wasser bestimmte Eigenschaften zuordnen, zum Beispiel wie stark oder schwach, wie nass oder trocken, wie kalt oder warm es ist, oder auch sagen, das Wasser sei existent oder nicht existent, so sind dies wertende Beschreibungen oder Abstraktionen von uns als Menschen. Wir dürfen unsere Bewertungen aber nicht mit dem Wasser selbst verwechseln. Allerdings gibt es nach Dōgen einfache Tatsachen, zum Beispiel, dass das Wasser dampfförmig, flüssig oder fest wie Eis ist. Dies sind also wirkliche Gegebenheiten des Wassers und nicht menschliche Bewertungen. Durch unser scheinbares Vorwissen und unsere Bewertungen wird demnach die Wirklichkeit der Berge und Wasser oft verdeckt. Um das auszudrücken, benutzt Dōgen Aussagen wie:

„Das Wasser sieht das Wasser, das Wasser begegnet dem Wasser, das Wasser ist sich selbst genug und begrenzt sich auf sich selbst, das Wasser folgt dem Wasser usw.“

Er will damit die Gedanken und Vorstellungen, die wir vom Wasser haben, von dessen Wirklichkeit abgrenzen. Wir sollten also unsere subjektive Sicht des Wassers nicht als allein richtig annehmen, sondern uns bemühen, auch die Sicht und Erfahrungswelt anderer Lebewesen in Bezug auf das Wasser nachzuvollziehen. Diese mögen das Wasser als etwas ganz anderes sehen und erleben als wir Menschen. Dōgen zufolge sollten wir auch versuchen zu erfahren, wie die Buddhas und Vorfahren im Dharma das Wasser sehen und benutzen. Er sagt wörtlich:

„Ferner sollten wir in der Praxis erlernen, ob es Wasser in den Häusern der Buddhas und Vorfahren im Dharma gibt oder nicht.“

Im Folgenden untersucht er vertieft die Berge und deren Bedeutung im Buddha-Dharma. Die Heiligen und großen Meister sind meistens in die Berge gegangen und haben dort Zazen praktiziert. So lagen die Klöster im alten China überwiegend auf Bergen oder in Hochtälern, und auch Gautama Buddha selbst wanderte zu den Hängen des Himalaja im heutigen Nepal, nachdem er sein wohlhabendes und bequemes Zuhause verlassen hatte.

Die Klarheit und Unmittelbarkeit der Natur in den Bergen entfaltet immer eine besondere Kraft für die Menschen, die auf der Suche nach der Wahrheit sind und ein Gespür für die wunderbare, großartige Schönheit der Bergwelt haben. Die Berge haben nach Dōgen also wesentlichen Anteil daran, dass heilige und große Meister dort zur Wirklichkeit und Wahrheit erwacht sind.

Das unmittelbare Erleben in den Bergen selbst unterscheidet sich vollständig von der Vorstellung und den Bildern, die wir von den Bergen haben, wenn wir in Städten und Dörfern auf dem flachen Land wohnen. Von dort aus können wir auch nicht direkt beobachten, dass „die Berge fließen“, weil wir sie in ihrer Ursprünglichkeit nicht sehen. Und dann denken wir, die Berge seien statisch und fest stehend, so wie sie in unserer Erinnerung und Vorstellung „abgespeichert“ sind. In den Bergen selbst handeln wir im gegenwärtigen Augenblick mit besonderer Klarheit und beobachten die wunderbare Natur unmittelbar und ohne Denkschleier. Wir können dort lernen, uns von festgefahrenen Vorstellungen zu befreien und unmittelbar in der Wirklichkeit des Hier und Jetzt zu sein. Dies kann man nicht von außerhalb tun, sondern nur in den Bergen selbst praktisch erfahren und erforschen.

Wenn wir sagen, dass die Berge zu einen bestimmten Land gehören, zum Beispiel der Fujiyama zu Japan oder der Mont Blanc zu Frankreich, so ist dies nach Dōgen eine vordergründige und oberflächliche Sicht. Denn die Berge gehören zu den Menschen und Tieren, die sie lieben und mit denen sie eng verbunden sind. So kann man wirklich davon als einer Tatsache sprechen, dass auch die Berge die heiligen, ehrlichen und moralisch reinen Menschen lieben und eins mit ihnen sind.

In China gibt es viele Beispiele, dass Kaiser und Könige zu den heiligen und großen Meistern in die Berge gingen, um dort Rat zu holen und Klarheit zu erlangen. Dort konnten sie die weltlichen, oft erstarrten Umgangsformen und Konventionen beiseite lassen und als einfache Menschen handeln. So ist die wunderbare Ganzheit der Berge weder mit dem unterscheidenden und fixierenden Verstand noch mit der ungenauen und oberflächlichen Wahrnehmung des Menschen zu erfassen. Dōgen sagt hierzu:

„Wer könnte jemals das Fließen und das Nicht-Fließen der Berge und ihr übriges Handeln bezweifeln, auch wenn dies nicht mit dem Fließen in der Welt der Menschen vergleichbar ist?“

Auch am Wasser lebten Weise und Heilige, und sie „fischten“ dort die Wahrheit, sie fischten dort Menschen, die ihre Schüler wurden und die Zufriedenheit und die Freude des Erwachens erfuhren. Sie lebten an Seen, Flüssen und am Meer, und das Kommen und Gehen der Jahreszeiten, das Hoch- und Niedrigwasser oder Ebbe und Flut waren Teil von ihnen und unauflösbar mit ihnen verbunden. Sie fischten nicht nach Fischen, sondern in Wirklichkeit nach sich selbst, und fanden ihre Klarheit, Einfachheit und Bescheidenheit, wo vorher Ich-Bezug, Eitelkeit und die falsche Gier nach Ruhm und Profit gewesen waren.

Im Buddhismus gibt es die Welt der nicht empfindenden Wesen und der materiellen Elemente, wie Wasser, Wind, Feuer und Erde. Diese sind gleichzeitig die Welten der Buddhas, der großen Meister und der Vorfahren im Dharma. In diesem Zusammenhang geht es beim Wasser nicht mehr um die Begriffe und Vorstellungen des Fließens oder Nicht-Fließens, nicht um das Herunterfallen als Regen oder das Aufsteigen in die Wolken, denn diese Vorstellungen und Worte sind zu begrenzt und können letztlich weder dem Wasser noch den Bergen gerecht werden. Im Buddha-Dharma ist das Wasser genau die Wahrheit und Wirklichkeit des Wassers selbst, nicht mehr und nicht weniger, und dies gilt auch für die Berge. Das Wasser ist nicht nur in den Flüssen, Seen und Meeren, sondern auch in einem einzigen Wassertropfen oder in einem Tautropfen.

Genauso wie das Wasser können wir die Wahrheit, Reinheit und Tugend der Berge erfahren und erforschen. Der in ihnen verborgene Schatz öffnet sich für uns unvermutet je im Augenblick. Daher sagt ein alter Buddha:

„Berge sind Berge, Wasser ist Wasser.“

Dies heißt nichts anderes, als dass Berge nicht gedachte oder gesagte Berge sind, sondern die Berge selbst, und das Gleiche gilt für das Wasser. Denn

„solche Berge und Wasser bringen auf natürliche Art die Weisen und Heiligen hervor“.