Dieses Kapitel über Befreiung und Nirvāna ist ohne Zweifel ein Höhepunkt
des gesamten MMK. Nāgārjuna arbeitet heraus, was wahre Befreiung ist, wie man
Befreiung erlangt und welche Täuschungen gerade nicht zur Befreiung nach Buddha
führen. Dabei kritisiert er den Substantialismus der Sarvastivadins und die
philosophisch ähnliche Lehre der Sautrantikas, den Momentanismus. Beide
Doktrinen legen ein ontologisches Grundmodell von unveränderlichen, also
fiktiven substanzhaften Entitäten für die zentralen Bereiche des Lebens
zugrunde. Sie verstehen die Existenz und die Nicht-Existenz, den ersten Anfang
und das Ende des Lebens fälschlich substanzhaft. Beide sind metaphysische
Doktrinen, die sich der phänomenologischen und empirischen Analyse entziehen
und damit von Buddhas Lehre radikal abweichen. Die Ideologie von fiktiven
Sbstanzen als Elemente des Lebens und der Welt führt in die Irre. Deshalb sind solche
Doktrinen für die therapeutische Weisheit und Praxis nicht brauchbar oder sogar
kontraproduktiv. Sie sind abstrakte absolute Dogmen, die ins Leiden führen.
Nāgārjuna zeigt, dass diese Doktrinen von unüberwindbaren inneren
Widersprüchen gekennzeichnet sind und mit ihnen keine Freiheit im Leben erlangt
werden kann. Sie führen nicht zu Klarheit und Weisheit und damit nicht zum
Erwachen und nicht zur Erleuchtung. Beide Doktrinen behaupten implizit oder zum
Teil sogar explizit, dass der Erleuchtete im Nirvāna die Allwissenheit
verwirklicht habe. Dies ist ein anerkanntes Ziel des Brahmanismus der
vorbuddhistischen Zeit. Nāgārjuna schließt aber radikal aus, dass Buddha die
Allwissenheit des Menschen gelehrt habe, denn sie sei gerade nicht mit der
Erleuchtung gleichzusetzen.[i]
Ich folge dem ausdrücklich. Wer an Allwissenheit glaubt, hat keine Chance, die
Wirklichkeit zu erkennen und die unendliche Komplexität der Welt anzuerkennen.[ii]
Dieses Kapitel baut folgerichtig auf den vorherigen Kapiteln auf und
beweist, dass eine tiefgehende Befreiung mit den Doktrinen des Substantialismus
und Momentanismus nicht möglich ist. Es gibt keinen totalen und abrupten
Wechsel vom „normalen“ Leben (Samsāra) in eine vollkommen andere Existenz der
absoluten Befreiung (Nirvāna). Ein solches Nirvāna ist eine Fiktion und
schlichtes Wunschdenken. Ein wirkliches freies Leben kann man nach Buddha und
Nāgārjuna in dieser Welt, im Samsāra, verwirklichen. Damit wird die absolute
Differenz von Samsāra und Nirvāna aufgelöst. Man kann also in diesem Leben hier
und jetzt Befreiung und Erleuchtung verwirklichen. Buddha hat diese Wahrheit im
Gleichnis vom Massenmörder Angulimala beschrieben, der in Buddhas Sangha die Erleuchtung
erlangte, obwohl er nach damaliger Sicht aufgrund seiner Taten ein furchtbares
Karma hatte.
Kurz zur Erinnerung: In der Präambel und den beiden ersten Kapiteln
legte Nāgārjuna die Grundlage für die folgenden kritischen Anmerkungen und Destruktionen
einer Doktrin einer ewigen Substanz in allen
Dingen und Phänomenen (Dharmas) und dem Menschen als Ganzem. Er weist nach,
dass eine solche Substanz fiktiv, also eine Pseudo-Substanz ist und die Doktrin
nicht mit der authentischen Lehre Buddhas zu vereinbaren ist. Zentraler Aspekt
ist die Gegenüberstellung des Substantialismus mit dem gemeinsamen Entstehen in
Wechselwirkung (pratitya samutpada), das er in der Präambel näher
erläutert. Dabei ist maßgeblich, wie der Mensch in dieses wechselwirkende
System eingreifen und es durch eigenes Handeln aktiv steuern kann. Irgendwelche
Ideologien von absoluten Extremen einer totalen dualen Existenz oder
Nicht-Existenz sind hierbei ausgeschlossen.
Buddha und Nāgārjuna vertreten in aller Klarheit, dass die Wirklichkeit
durch Prozesse und Funktionen der Veränderung, also der Befreiung und
Emanzipation, gekennzeichnet ist. Dadurch kann das Leiden in einem
emanzipatorischen Prozess überwunden werden. Abruptes Umschlagen von Sein und
Nicht-Sein oder fiktiver Existenz und fiktiver Nicht-Existenz lehnen beide ab,
denn solche Extreme sind in der Wirklichkeit nicht vorzufinden. Sie sind daher
doktrinäre Extreme des absoluten Denkens und Glaubens. Ich folge diesem Ansatz
der Veränderungen, Funktionen und Prozesse ausdrücklich. Eine Philosophie der
Substanz und des absoluten Seins halte ich für ungeeignet, um wichtige
Befreiungsprozesse des Menschen philosophisch zu analysieren und zu beschreiben.
Nāgārjuna formuliert:
Vers 25.4
Die Befreiung ist allerdings selbst keine
unveränderliche Substanz (bhāva). Daraus würden die Merkmale des fiktiven
substanzhaften Alters und Todes folgen.
Denn es existiert kein substanzhaft Seiendes (bhāva)
in dieser Welt. Wirkliches Alter und wirklicher Tod sind keine substanzhaften
Entitäten.
Im Substantialismus der
Sarvastivadins gab es die unveränderliche Existenz von Alter und Tod und den
Glauben an die substanzielle Wiedergeburt. Diese seien also typische Merkmale
des Samsāra in dieser Welt. Sie behaupteten die abrupte Umwandlung von Existenz
in Nicht-Existenz, von substanzhaftem Alter in substanzhaften Tod. Tod und
Wiedergeburt wurden als schroffes Ende und als neuer Anfang im Leidenskreislauf
verstanden. Wie der Übergang von einer Existenz in die andere konkret vor sich
gehen soll, kann diese Doktrin allerdings nicht überzeugend erklären. Sie muss
als Flucht ins Abstrakte und in die Metaphysik interpretiert werden. Dagegen
ist das wahre Leben der Leerheit durch die realen veränderlichen Dinge,
Phänomene und Ereignisse gekennzeichnet, die frei von schädlichen und
unheilsamen Ideologien sind. Dies steht im fundamentalen Gegensatz zu einem
absolut anderen, substanzhaften Nirvāna.
Nāgārjuna
verwendet in seinem Text den Begriff bhāva
(mit langem ā), der sich aus der Wurzel bhū ableitet. In seinem Verständnis bezeichnet dieser Begriff etwas
Dinghaftes, Substanzhaftes und nicht mehr Veränderliches. Es soll dabei als dauerhafte Existenz verstanden werden.
Ich habe bhāva als substanzhaft
Seiendes, substanzhafte Existenz oder einfach als Pseudo-Substanz übersetzt.
Ich folge Kalupahana in seiner Einschätzung, dass die substanzhaften Begriffe
bhāva und svabhāva erst in der Metaphysik des Abhidharma nach Buddhas Tod
entwickelt wurden.[iii]
Buddha hatte dagegen die Begriffe bava und svabhava für
Veränderlichkeit und gemeinsames Entstehen in Wechselwirkung verwendet. Im
Abhidharma des späteren Buddhismus wurde zwar der ātman abgelehnt, aber die
Dharmas wurden als unveränderliche Existenzen aufgefasst. Sie seien
substanzhafte Dinge, Phänomene und sogar Prozesse und wurden als svabhāva und
bhāva bezeichnet.
Auch
im Mahāyāna kommen derartige Fehlinterpretationen von metaphysischer Ewigkeit
und Unveränderlichkeit des Nirvāna vor. Mit unveränderlichen Substanzen und
Entitäten lassen sich Veränderungen in Wechselwirkung und die Leerheit
allerdings nicht erfassen. Denn bei Alter und Tod als Entität oder Substanz
würden diese gerade nicht als vernetzte Prozesse verstanden, sondern nur als
unveränderliche beschreibende und qualifizierende Kennzeichen und Merkmale.
Bei dem großen Lebensziel des Menschen, nämlich der Befreiung und
Emanzipation in diesem Leben im Hier und Jetzt, geht es vor allem um die
Befreiung von den drei Giften des Lebens: Gier, Hass und Verblendung. Denn
diese Gifte wirken in den fünf Skandhas des Menschen, und sie verursachen
psychische und physische Leiden und Schmerzen. Solche Veränderungen sind das Gegenteil von Freiheit. In den Vier Edlen
Wahrheiten und dem Achtfachen Pfad zeigt Buddha demgegenüber unsere rechte
Veränderung und Entwicklung auf.
Nāgārjuna nennt die Befreiung vom Leiden Nirvāna, also die große und grundsätzliche Befreiung in diesem
Leben hier und jetzt. Das schließt allerdings den weit verbreiteten Glauben an
eine Wiedergeburt nicht aus. Er distanziert sich aber von dem vedischen Glauben,
das Nirvāna würde in einer jenseitigen transzendenten Welt existieren.
Nishijima Roshi bezeichnet das Nirvāna als den
freien und befriedeten Zustand, der im normalen Leben manchmal real und
manchmal nicht real ist: „Wenn der freie und friedliche Zustand nicht entstehen
und vergehen würde, könnten wir diesen Zustand nicht von unseren
Lebensbedingungen ohne Gleichgewicht unterscheiden. Wir könnten daraus folgern,
dass dieser freie Zustand überhaupt nicht existiert.“
Auch Dōgen analysiert vertieft, ob der
Zustand der Erleuchtung dauerhaft oder sogar statisch sei. Er kommt zu dem
Schluss, dass man aus diesem Zustand auch wieder herausfallen kann. Deshalb sei
die Weiterentwicklung nach der Befreiung und Erleuchtung so wichtig, damit
Rückfälle vermieden würden.
Vers 25.10
Und der Lehrer Gautama Buddha verkündete das Aufgeben
des Werdens und des Entwerdens (dinghaftes Ergreifen der Wiedergeburten).
Deswegen passt dazu die Aussage: „Befreiung ist weder
ein substanzhaftes Seiendes noch ein substanzhaftes Nicht-Seiendes.“
Nāgārjuna
arbeitet hier Buddhas Lehre heraus, dass der Kreislauf der fiktiven
substanzhaften Wiedergeburten – des dinghaften Werdens und Entwerdens – beendet
werden sollte. Aus meiner Sicht ist damit auch und gerade der Leidenskreislauf
in diesem Leben charakterisiert. Viele Menschen leiden an Grübeln und einem
Gefühl der Ausweglosigkeit und suchen deshalb Hilfe in Therapien. Sie machen
zum Beispiel gravierende, sich wiederholende Fehler bei der Partnerwahl, die
einen fatalen Kreislauf von Hoffnung und Enttäuschung in Gang halten. Für viele
ist es sehr schwer, aus einem solchen Teufelskreis herauszukommen.
Mit
diesem Vers falsifiziert Nāgārjuna die Vorstellung der Freiheit und des Nirvāṇa als etwas substanzhaftes Seiendes, also von
Entitäten, die in sich nicht veränderlich sind. Freiheit könne weder eine
Substanz noch eine Nicht-Substanz sein. Eine solche Dualität und ein absolutes
Entweder-Oder seien für das wahre Nirvāna und die wirkliche Freiheit nicht
passend. Nishijima Roshi fügt hinzu, dass Überlegungen zur Existenz oder
Nicht-Existenz des freien und friedlichen Zustandes nicht viel weiterhelfen, um
diesen Zustand wirklich zu realisieren. Dieser Zustand werde besonders in der
Praxis des Zazen erfahren, bei der es auch darauf ankomme, durchzuhalten und
dabei zu bleiben. Intellektuelle Überlegungen seien daher wenig wirkungsvoll. Oder kurz gesagt: Die buddhistische Lehre und Praxis
geben uns die Möglichkeit, uns jetzt in unserem Leben so weiterzuentwickeln,
dass wir ein befreites Leben führen können. Dies ist gleichzeitig ein gutes und
freudiges Leben, das die drei Gifte, die Leiden und Hemmnisse überwunden hat
und von Buddha durch die Sieben Faktoren der Erleuchtung authentisch
beschrieben wurde.
Nāgārjuna fragt weiter,
wie ein Substantialist das Nirvāna als höchste Wirklichkeit verstehen kann,
nachdem der Mensch in das völlig andere Nirvāna eingegangen sei und das
leidhafte Samsāra dieser Welt total verlassen habe. Die Doktrin der
Substantialisten behauptet, dass der Mensch durch die Erleuchtung eine
angeblich absolute höchste Wirklichkeit realisiert. Sie sei total ohne Leiden
und Qualen, und zudem seien dann absolute geistige Klarheit und sogar
Allwissenheit verwirklicht. Dies sind aber metaphysische, erträumte Idealvorstellungen,
die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Sie sind daher als Illusionen
therapeutisch nicht nur wertlos, sondern gefährlich. Sie führen erneut in die
Kreisläufe des Leidens. Mit einer solchen Doktrin wird also die Grundlage des
Buddhismus unterminiert und in die vedische Ideologie zurückgeführt. Das ist
ein tragischer historischer Prozess, der die Wirksamkeit des Buddhismus ausgehöhlt
hat. Wie Kalupahana überzeugend beschreibt, behält dieser Schein-Buddhismus
zwar die Ablehnung des Ātman-Selbst bei, behauptet aber unveränderliche ewige
Dharmas (svabhāva).[iv] Es ist erstaunlich, dass
diese Verfälschung den damaligen Lehrern und Meistern nicht bewusst war. Denn
wie soll ein angeblich veränderlicher und lernfähiger Mensch aus unveränderlichen ewigen Bestandteilen, den Dharmas, begründet werden?
Das ist nicht möglich.
Mit den genannten Doktrinen hatte sich die lebenspragmatische
therapeutische Weisheit Buddhas nahezu in ihr Gegenteil verwandelt. Der
Buddhismus verlor seine befreiende Heilungsfähigkeit im Hier und Jetzt und
veränderte sich zu einem hochkomplexen metaphysischen Theoriesystem. Nach
meinem Verständnis entwickelte sich dann aber im chinesischen Chan und
japanischen Zen wieder ein Buddhismus der ursprünglichen Prägung.
Die metaphysischen buddhistischen Doktrinen entfalteten große
Attraktivität, weil sie den Zugang zur absoluten Wirklichkeit versprachen. Sie behaupteten,
dass diese absolute Wirklichkeit durch die Allwissenheit erlangt werden könne.
Beides würde sich im Nirvāna, der absoluten Freiheit, ereignen. Die Existenz im
Nirvāna sei total vom hiesigen leidhaften Leben im Samsāra verschieden. Damit
geriet der philosophische Buddhismus des späteren Mahāyāna und Hīnayāna in
große Nähe des Brahmanismus und Hinduismus. Es entstand ein starker Trend, Buddha
zu verabsolutieren und zu vergöttlichen. Er würde nach seinem Tod im Nirvāna
der absoluten Freiheit sein. Er sei die absolute Wirklichkeit, das absolute Glück
und die unbeschränkte Allwissenheit, ewig und unveränderlich.
Wenn nun Nāgārjuna gegen eine solche Vergöttlichung und Substanziierung
Buddhas sagt, dass dies alles leer ist, würde das für die Substantialisten
bedeuten, dass ihre absolute Wirklichkeit nicht existiert. Das ist für sie kaum
zu verstehen, weil sie ja gerade an wirkliche Substanzen und die Wirklichkeit
des absoluten Buddha glauben. Nāgārjunas Leerheit müssten sie als Nihilismus verstehen.
In den ersten sieben Versen zitiert Nāgārjuna in diesem Sinne einen
Kontrahenten, der Argumente gegen die authentische Lehre Buddhas und Nāgārjunas
vorbringt. Anschließend erläutert Nāgārjuna im Einzelnen das wahre Verständnis
der Leerheit und der wirklichen Befreiung, des Nirvāna.
Nishijima Roshi betont im Hinblick auf dieses wichtige Kapitel, dass es
beim Leiden und dessen Überwindung vor allem um Gefühle gehe, die schnell
kommen und gehen: „Unglücklicherweise tendieren viele Menschen dazu, in diesen
Bedingungen und Ursachen stehen zu bleiben, sodass große Ängste über sie
kommen. Wir wollen für immer glücklich sein und niemals uns traurig fühlen.
Aber eine solche Situation ist unmöglich. Aus dieser Angst heraus entstehen die
emotionalen Voraussetzungen, dass wir für immer dem Glück nachjagen und vor der
Traurigkeit fliehen. Diese Situation ist in hohem Maße unstabil und
unerfreulich.“ Wenn wir jedoch die buddhistische Praxis ausüben und
verwirklicht haben, verlieren sich die angstbesetzten Gedanken, und unsere
physischen Begierden stören unseren Alltag nicht mehr. Dann seien wir im
Gleichgewicht, und nach Nishijima Roshis Verständnis ist dies das Gleichgewicht
von sympathischem und parasympathischem Nervensystem. Er bezeichnet dieses
mentale und physische Gleichgewicht als „Nirvāna oder den freien und friedlichen
Zustand“.
Nāgārjuna sagt zum Ende dieses Kapitels:
Vers 25.24
Durch den Erwachten wurde das beglückende Aufhören
aller (substanzhaften) Wahrnehmungen und der wegführenden Verwirrungen
aufgezeigt und herausgearbeitet.
Durch den Erwachten wurde nicht irgendwo
irgendjemandem irgendein (substanzhafter) unveränderlicher Dharma aufgezeigt.
Damit
ist Nāgārjuna am Ziel seiner Argumentation: Es geht in unserem Leben um die
Befreiung von erstarrten, ideologischen und unheilsamen Wahrnehmungen, die uns
wie in ein unsichtbares Gefängnis einsperren und leiden lassen. Die durch
falsche Doktrinen des Substantialismus erzeugten Verwirrungen werden von Buddha
berichtigt. Wie in der Präambel wird diese Befreiung hier als beglückend
charakterisiert. Buddha hat niemals an irgendeinem Ort für irgendeinen Menschen
irgendeine unveränderliche substanzhafte Dharma-Lehre verkündet.
Nishijima Roshi betont, dass Worte, Vorstellungen
und Meinungen zwar die Wirklichkeit des Lebens und des Universums irgendwie
beschreiben können. Es bestehe dabei aber immer die Gefahr, dass gravierende
Fehler und Ungenauigkeiten entstehen. Dies sei besonders dann gefährlich, wenn
wir bei Illusionen, Hoffnungen und Ängsten den wahren Frieden suchen. Denn das
ist unmöglich. Die Wirklichkeit ist nur im Augenblick zu erfahren, und diese
realisiert jeder für sich und zugleich in Wechselwirkung mit anderen. Dabei
könne die buddhistische Lehre zwar helfen, die uns durch die Schriften oder von
Lehrern authentisch übermittelt würde, aber die eigene Verwirklichung könne
dadurch nicht ersetzt werden.
Nachdem Nāgārjuna in diesem Kapitel illusionäre und realitätsfremde Doktrinen zum Nirvāna falsifiziert hat, ist nunmehr der Boden bereitet, um im folgenden Kapitel 26 den möglichen positiven Entwicklungsgang und Befreiungsprozess des Menschen präzise zu beschreiben. Dieser Befreiungsweg ist leer, also frei von Extremen, Dogmen und unheilsamen Illusionen.
[i] Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way
(Übersetzer: David J. Kalupahana), S. 92f.
[ii] Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, S. 161ff.
[iii] Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way
(Übersetzer: David J. Kalupahana), S. 70ff.
[iv] Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way
(Übersetzer: David J. Kalupahana), S. 50