Sonntag, 9. Januar 2022

MMK, Kap.18: Die große Buddha-Wahrheit des Selbst

 

Die vorbuddhistischen Veden und Upanishaden postulieren den Glauben an einen unveränderlichen ewigen Wesenskern im Menschen, der ātman genannt wurde. Danach wandert dieser unveränderliche Ātman-Kern durch die aufeinanderfolgenden Millionen von Wiedergeburten. Durch ethisch gutes Handeln erlange man eine günstige Wiedergeburt, durch schlechtes Karma eine schlechte Wiedergeburt. Auf seinem Weg durch die Wiedergeburten würde sich der Ātman-Kern durch schlechte Taten und schlechtes Karma beschmutzen und müsse sich davon total reinigen, bis er sich schließlich mit Brahman vereinige und seine Individualität sich ganz auflöse. Erst dann seien die Qualen der Wiedergeburt beendet. Die hiesige Welt des Samsāra sei gekennzeichnet durch Leiden, Schmerzen sowie unzählige Probleme und Schwierigkeiten. Besonders schlechtes Karma würde dadurch entstehen, dass ein Mensch die strengen Regeln und Gesetze seiner Kaste verletzen würde. Allein den Brahmanen sei es schließlich möglich, Befreiung zu erlangen und den Leidenskreislauf des Samsāra zu verlassen.

Die Menschen glaubten also, dass man in einem Leben immer nach unumstößlichem göttlichem Gesetz an die eigene festgelegte Kaste durch Geburt gebunden sei. Die Verletzung der Kastenregeln wurde deshalb streng geahndet. Erst die Wiedergeburt ermögliche – je nach Karma – den Wechsel der Kaste. Dann sei vielleicht sogar ein Aufstieg in die höchste Kaste der Brahmanen möglich. Besonders fatal und aussichtslos war dieser Glaube für die unterste Schicht der Kastenlosen, die damit ein sehr schweres Leben und zudem eine düstere zukünftige Wiedergeburt zu erwarten hatten. Es fällt nicht schwer, in diesen Dogmen den Machtmissbrauch der damaligen Eliten zu erkennen, die sich damit eine privilegierte Rolle nicht nur im Diesseits, sondern auch im Ablauf der Wiedergeburten sichern konnten. Das war gewiss dem Buddha nicht verborgen geblieben. Im Klartext: Buddha hielt diese angeblich göttlichen Gesetze für ethisch nicht vertretbar und zudem für konstruiert. Seine Lehre der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtfachen Pfades negiert jede Bindung an eine bestimmte Kaste und eröffnet für jeden Menschen, vom Kastenlosen bis zum Brahmanen, die Überwindung des Leidens und die Befreiung.

Buddha lehnte den Glauben an einen solchen ātman radikal ab, denn bei der Suche nach der Wahrheit des Menschen, des Lebens, der Überwindung des Leidens und der Befreiung durch das eigene Erwachen war ihm etwas Entscheidendes klar geworden. Kalupahana erklärt dazu, dass im Gegensatz zum altindischen Glauben die Lehre Buddhas von der „Soheit“ in engem Zusammenhang stehe mit der wahren Natur des befreiten Menschen, der seine menschliche Bestimmung und sein menschliches Ziel erreicht hat. Dabei seien spekulative Ideen, metaphysische Behauptungen und unheilsame Doktrinen zu vermeiden: „Für Nāgārjuna war es evident, dass die in der Doktrin der Sarvastivadins enthaltene Konzeption von Substanz (svabhāva) in allem maßgeblich war und wie eine solche doktrinäre Idee die gesamte Interpretation des Tathāgata (Buddha) beeinflussen konnte. Daher haben wir (in dieser Doktrin) zwei metaphysische Grundlagen, die verbunden sind: die Metaphysik von ‚allem‘ (Wirklichkeit) und die der ‚absoluten Wahrheit‘.“ „(…) wie bereits angemerkt, war Buddha nicht willens, über die Natur des Befreiten nach dem Tode zu spekulieren, aber er wollte positiv darüber sprechen, was sich bei seinem Tod ereignet hatte.“[i]

Kalupahana zitiert dazu Buddha: „Dies ist der letzte Körper und das Zentrale des höheren Lebens. Dabei ist das vollkommene Wissen ohne (doktrinäre) Abhängigkeit von irgendetwas anderem. Die (weitere) Geburt ist beseitigt, das höhere Leben (der Befreiung) wurde gelebt. Getan ist, was getan werden musste, und es gibt kein anderes dieses (Lebens).“ Ein solches Leben sei das Ergebnis ethischer Vollkommenheit, wenn sich also jemand von den drei Giften Gier, Hass und Verblendung befreit habe. Es sei das endgültige Nirvāna und die auch ethisch vollkommene Wahrheit dieser Welt: „Als solches ist es durch sich selbst (in Wechselwirkung) verwirklicht und ist nicht als Zustand bekannt, der (unfreie) Abhängigkeit von anderen hat.“[ii] Abhängigkeit sei das Gegenteil der Wechselwirkung (pratitya samutpada), die in der Präambel des MMK genannt ist.

Durch den Bezug zu dieser Wechselwirkung entzieht sich Nāgārjuna also den oft überspitzten Diskussionen und besonders den unfruchtbaren Konflikten von Hīnayāna und Mahāyāna. Der Zustand des befreiten und erleuchteten Menschen ist laut Kalupahana im Übrigen von den Menschen selbst zu erreichen. Dazu bedürfe es nicht einer ununterbrochenen Übertragungslinie zur Lehre bis zu Buddha. Denn diese Befreiung entspreche der wahren Natur des Menschen und sei insofern unabhängig von schriftlicher und mündlicher Überlieferung. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass die buddhistische Lehre eine große Hilfe für die Schüler ist, wenn sie authentisch in einer Übertragungslinie übermittelt wurde. Der Chan- und Zen-Buddhismus halten eine solche authentische Übertragungslinie für ausgesprochen wirksam. Die Dharma-Übertragung ist von genialen Meistern vertieft und erläutert worden. Allerdings war und ist die Lehre leider durch unklare, selbsternannte Meister, angebliche Lehrer und sektiererische Abweichungen immer wieder in Gefahr, verwässert und verzerrt zu werden. Außerdem sind reine Wissenschaftler und Theoretiker oft nicht ausreichend in der Lage, den praxisorientierten konkreten und lebendigen Buddhismus korrekt zu lehren und weiterzugeben.

Buddha lehnte den brahmanischen Glauben wie erwähnt grundsätzlich ab, weil er das Leiden gerade erzeugen und nicht überwinden würde. In den Jahrhunderten nach Buddha entstanden jedoch mehrere Schulen und Strömungen, die mit den buddhistischen Begriffen dem Glauben an das alte Ātman-Selbst wieder sehr nahe kamen. Die Idee der Ewigkeit und eines unveränderlichen, von Natur aus reinen Selbst ist vermutlich tief als große Sehnsucht im Menschen verankert. Das kommt in vielen Religionen und Weltanschauungen zum Ausdruck. Aber Buddha war überzeugt, dass die Abhängigkeit von einer Sehnsucht und Illusion nicht unser Glück in der Wirklichkeit, unser Gleichgewicht und unseren Frieden im Leben hier und jetzt ermöglicht. Er erkannte, dass ein solcher von Sehnsucht getriebener Glaube zu gefährlichen Spekulationen und ethischen Sackgassen führt. Er kann sogar zu Machtmissbrauch durch die herrschenden religiösen Eliten entarten. Meist wird unser Geist durch solche illusionären Vorstellungen immer unfähiger, die eigenen Probleme zu erkennen. Dazu müssen wir Klarheit über ihre Kausalität, Wechselwirkung und Vernetzung gewinnen und kreative neue und bessere Wege im Leben verwirklichen. Buddha erarbeitete daher einen pragmatischen und geistig klaren Weg der eigenen Entwicklung zur Freiheit von Gier, Hass und Verblendung. Das ist der Weg zur Überwindung des Leidens und zur eigenen Emanzipation.

Nāgārjuna analysiert in diesem Kapitel intensiv die Widersprüche und Inkonsistenz des Glaubens an ein substanzhaftes Selbst und substanzhafte Dharmas, die von der Doktrin des Substantialismus behauptet werden. Dabei verwendet er scharfsinnige Argumentationen, die die inneren logischen Widersprüche der Doktrinen aufzeigen. Damit wird die Absurdität der nicht hinterfragten Illusionen und unheilsamen Konzepte offengelegt. So stützt er die authentische buddhistische Lehre.

Bei seinen Analysen knüpft er an den von ihm destruierten Sanskrit-Begriff svabhāva an, der die fiktive Eigen-Substanz bezeichnet, also die angeblich unveränderlichen Dinge und Phänomene dieser Welt (Dharmas).

 

Vers 18.2

Und wenn ein solches Selbst nicht existiert, fragt sich: Von woher kann eben etwas entstehen und werden, das zum Selbst gehört?

Durch Beruhigung des Selbst und dessen, was dem Selbst entspricht, ergibt sich ein Mensch, der ohne „mein, mir, mich“ ist und sich kein illusionäres Ich selber macht. Er ist kein „Ich-Macher“.

 

Durch die wirkungsvolle Beruhigung des Selbst auf dem Mittleren Weg entfallen doktrinäre und extreme Ich-Konzepte sowie Ich-Illusionen und Selbsttäuschungen wie Egoismus, Ich-Stolz, Überheblichkeit, Narzissmus usw. Damit lehnt Nāgārjuna aber nicht grundsätzlich ein menschliches Selbst ab, sondern speziell ein konstruiertes und illusionäres Ich.

Ein fixiertes, unveränderliches Ich bzw. Ego führt zur Unbeweglichkeit, Überheblichkeit und Erstarrung des Menschen. Dadurch entstehen zwangsläufig Probleme und Schwierigkeiten bei sich selbst und anderen. Damit wird ein künstlicher und fiktiver Zustand des Menschen fixiert, der die Weiterentwicklung erschwert oder unmöglich macht. Wenn also der Glaube und das Konzept eines solchen festgelegten Substanz-Selbst aufgelöst werden und zur Ruhe kommen, beruhigen sich auch die Angst und Hektik. Dann entwickeln sich Lebenssicherheit und Kreativität, der Mensch findet sein Gleichgewicht. Dies ermöglicht ihm, Schwierigkeiten klar zu erkennen, Lösungen zu analysieren und einen Ausweg aus den Problemen zu finden.

Dieser Vers zeigt einen zentralen Bereich der buddhistischen Lehre auf: Wenn es ein fixiertes Substanz-Selbst wie den ātman überhaupt nicht gibt, kann es auch keine Eigenschaften und Merkmale von ihm geben, da der „Träger“ solcher Eigenschaften gar nicht existiert.

Nishijima Roshi sagt dazu: „Nāgārjuna beschreibt hier die Ātman-Seele als Erfindung und Fantasie. Wenn man sich aber selbst ablehnt, bedeutet dies, dass man sich opfert. In diesem Sinne hatte Gautama Buddha extreme Askese geübt, aber dabei die Einheit seines Geistes verloren. Nāgārjuna beschreibt, dass sich eine Art Urseele mit einer anderen in der Askese treffen soll, aber beide dabei zugrunde gehen.“

Nāgārjuna untersucht also, welche Konsequenzen die Vorstellung eines isolierten unveränderlichen Selbst für die Beziehung zu einem anderen Menschen haben würde, also zu einem anderen unveränderlichen Selbst. Er folgert, dass in diesem Fall auch das andere Selbst isoliert und unveränderlich sein müsste. Das heißt, es wären überhaupt keine Kontakte und keine Wechselwirkungen mit anderen Menschen möglich. Das unveränderliche eigene Selbst als Weltanschauung verbietet es also, dass das Selbst des anderen beweglich und entwicklungsfähig ist. Dies ist jedoch in der Wirklichkeit nicht zu beobachten, und damit ist die Behauptung des Substantialismus widerlegt.

Der Sanskrit-Begriff ātman wird häufig sehr allgemein mit „Selbst“ übersetzt. Dem möchte ich nicht folgen, weil es sich um den sehr spezifischen Glauben im vorbuddhistischen Indien handelt. Zweifellos ist eine gründliche Untersuchung schwierig, was ein Ich, ein Ego, ein großes oder kleines Ich, ein offenes oder isoliertes Selbst usw. ist. Die Verwendung der jeweiligen Begriffe führt häufig zu Missverständnissen, zumal in der westlichen Philosophie, die dem Ich und dem Individualismus eine sehr große Bedeutung verleihen. Die damit verknüpften Vorstellungen weichen zum Teil ebenfalls von der buddhistischen Lehre vom Nicht-Ich ab.

Ich verwende den Begriff ātman nur in der altindischen Bedeutung, die auch die unzähligen Wiedergeburten einbezieht. Für die buddhistische Doktrin des Substantialismus benutze ich den Begriff „Substanz-Selbst“, der den Glauben an einen substantialen unveränderlichen und vermutlich unsichtbaren Kern des Selbst bezeichnet.

Wir leben im Westen heute in einem Zeitalter des übertriebenen Individualismus, der einen unrealistischen absoluten Freiheitsbegriff oft über alles stellt, insbesondere über die ethische Verantwortung für die Gemeinschaft. So kreist der Betreffende zum Beispiel beim Egozentrismus nur um sich selbst. Dann stehen Klagen, Jammern, Zweifelsucht und Verzweiflung im Vordergrund. Er manövriert sich damit in eine Opferrolle hinein und konstruiert eine fixierte Opferbiografie, die das ganze bisherige Leben umfasst und in die Zukunft fortgesetzt wird. Ein solches Verhalten löst die eigenen Probleme nicht, sondern verstärkt sie noch. Die Psychologin Verena Kast hat dies in ihren Therapien vertieft analysiert.[iii] Sie erklärt, dass solche Opferbiografien die Therapie sehr erschweren, denn die Menschen, die sich in ihrer Opferrolle verbarrikadieren, sind kaum zugänglich für positive Erlebnisbereiche. Wie wir heute wissen, verengen sich dadurch Psyche und Geist. Das Immunsystem wird nachhaltig geschwächt, sodass zu den psychischen Krankheiten noch physische hinzukommen und die Lebenserwartung signifikant sinkt. Nāgārjuna sagt:

 

Vers 18.5

Durch das Verschwinden der Beschmutzungen von Taten und Handeln ergibt sich Befreiung. Die mit (unrechten) Taten verbundenen Plagen entstehen aus konstruierten und doktrinären Unterscheidungen.

Diese doktrinären Unterscheidungen entwickeln sich aus wegführenden Fehlentwicklungen und Verwirrungen und kommen mit der Leerheit zur Ruhe.

 

Doktrinäre Unterscheidungen führen zu unrechten Bewertungen und voreiligen Abwertungen, die eine erstaunliche zeitliche Dauerhaftigkeit haben. Oft wird eine Verallgemeinerung zum Beispiel der angeblich unveränderlichen negativen Eigenschaften eines anderen Menschen im eigenen Geist erzeugt.

Nāgārjuna verweist in diesem Vers zur Lösung derartiger Schwierigkeiten auf die Leerheit, die aber keinesfalls als Nichts verstanden werden darf. Die Leerheit ist der Begriff für das wechselwirkende gemeinsame Entstehen (pratitya samutpada). Dabei werden sowohl wichtige Details als auch das ganzheitliche lebendige Netzwerk klar erkannt. In der rechten Wechselwirkung und dessen Gleichgewicht gibt es keinen Platz für egoistische Abgrenzungen und Überheblichkeiten des eigenen Selbst. Der wichtige Dialog auf dem Weg der rechten Sichtweise und rechten Entscheidung erfordert mehrere Menschen für die Interaktion. Sie sollten durchaus verschiedene Sichtweisen und verschiedenes Wissen einbringen, damit es zu einem fruchtbaren Dialog in der Wechselwirkung kommt. Dasselbe gilt für gemeinsame Aufgaben und gemeinsames Handeln.

In diesem Vers werden die Ideologien der unveränderlichen Substanz und der vollständigen Vernichtung destruiert. Nishijima Roshi präzisiert wie folgt: „Im täglichen Leben und sogar in der Praxis des Samādhi (Zazen) gibt es Schmerzen und Leiden. Aber durch die buddhistische Praxis erreichen wir gerade einen freien Zustand. Dieser ist gewissermaßen die Umkehr der Schwierigkeiten in der Praxis. Im Zustand des Gleichgewichts wird die abstrakte (festgefahrene) Vorstellung über die sichtbare Welt aufgelöst und durch die Wirklichkeit ersetzt.“

Wer aus seinem eigenen Leiden herauskommen will, braucht ein hohes Maß an Kreativität. Er muss Strategien entwickeln, Kräfte aufbauen und sich individuelle Perspektiven der Veränderung erarbeiten. Für mich sind in diesem Zusammenhang die Lehren Buddhas von der Weiterentwicklung, der Überwindung des Leidens und schließlich des Erwachens von zentraler Bedeutung. Mit dem Glauben an einen unveränderlichen, ewigen und ideologisch fixierten ātman sind sie nicht vereinbar. „Der Glaube an einen ganz bestimmten ewigen Seelenkern, der im alten Indien ātman genannt wurde, wurde von Gautama Buddha abgelehnt. Auch Nāgārjuna kritisiert in diesem Kapitel die Ātman-Lehre“, sagt Nishijima Roshi hierzu.

Warum haben Buddha und Nāgārjuna die Vorstellung und Doktrin eines unveränderlichen Ur-Selbst, eines Substanz-Selbst oder Ātman-Selbst als Fiktion und Selbsttäuschung so radikal abgelehnt? Ein zentraler Grund dafür ist aus meiner Sicht, dass mit einer solchen Doktrin wichtige Entwicklungs- und Lernprozesse sowie Wechselwirkungen in der realen Welt der Veränderung und Vernetzung nicht angemessen verstanden und gesteuert werden können. Denn die Überwindung des Leidens und der Schmerzen, die selbstverständlich ein Veränderungs- und Transformationsprozess des Menschen ist, passt nicht zu der Doktrin des statischen unveränderlichen Substanz-Selbst. Die in der indischen Kultur und sicher auch im Westen vorhandene Sehnsucht nach einer unzerstörbaren, unveränderlichen Ich-Substanz oder Ich-Essenz im Menschen widerspricht der Realität der Weitentwicklung und Emanzipation des Menschen. Diese Realität wird durch die aktuelle Gehirnforschung bestätigt.

Nāgārjunas Untersuchungen zur Pseudo-Substanz bzw. zur fiktiven Eigen-Substanz (svabhāva) der Dinge und Phänomene lassen sich verallgemeinern auf das gesamte menschliche Leben. Diese Pseudo-Substanz steht in radikalem Widerspruch zum wechselwirkenden Entstehen. Die Buddha-Wahrheit des Selbst kann demnach durch das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung (pratitya samutpada) verstanden werden. Dieses dynamische Selbst kann als die wahre Natur der Menschen und der Wirklichkeit bezeichnet werden und muss von den Doktrinen des Ātman-Selbst und der Substanz-Dharmas radikal unterschieden werden. Das wahre menschliche Selbst der Wirklichkeit hat keine Extreme wie das plötzliche Verschwinden, das Nichts oder die statische Dauerhaftigkeit und Ewigkeit. Dieses Selbst wird durch die Leerheit von solchen statischen und fixierenden Doktrinen beschrieben. Die Buddha-Wahrheit ist letztlich sogar unabhängig von bestimmten erleuchteten Menschen.


[i] Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way (Übersetzer: David J. Kalupahana), S. 59

[ii] Nāgārjuna: The Philosophy of the Middle Way (Übersetzer: David J. Kalupahana), S. 59

[iii] Kast, Verena: Wider Angst und Hass